Subventionierter Sprit in Venezuela:"Dank Chávez haben wir Benzin, um darin zu baden"

Eine Tankfüllung kostet in Venezuela umgerechnet 60 Cent. Benzin ist dort billiger als Mineralwasser. "Das Öl gehört jetzt dem Volk," propagiert die Regierung. Es ist ist das Schmiermittel ihres eigenwilligen Sozialismus. Doch der hoch subventionierte Sprit produziert viele Probleme.

Peter Burghardt

Wer an einer Tankstelle in Caracas steht, der sieht erstaunliche Dinge. Venezolaner mit oft dicken Autos fahren vor und lassen ihre Tanks füllen, die meisten steigen nicht einmal aus. Dann reichen sie dem Tankwart mit dem roten Hemd ein paar Scheine, die anderswo ein Trinkgeld wären. Ein Mann in einem riesigen Chevrolet Caprice zum Beispiel schaut zu, wie an einer Zapfsäule des Staatskonzerns PdVSA die Zahlen über die Anzeige fliegen. Für 87 Liter zahlt er 8,49 Bolívares. Das sind nach dem Kurs der Zentralbank 1,51 Euro und nach dem gängigeren Schwarzkurs kaum 60 Cents. "Praktisch geschenkt", sagt der Fahrer. Es ist das billigste Benzin der Welt.

Der Liter kostet in Caracas 0,07 Bolívares für 91 Oktan und 0,097 Bolívares für 95 Oktan, offiziell 0,012 bis 0,017 Euro und inoffiziell 0,005 bis 0,006 Euro. Viel weniger als Mineralwasser. Mehr als hundert Mal weniger als in Deutschland. Das erklärt sich nur teilweise damit, dass Opec-Mitgründer Venezuela täglich mindestens zwei Millionen Fass Öl aus seinen Böden holt. Die Reserven am Maracaibo-See und dem Fluss Orinoco gelten als die weltgrößten. Der lächerliche Preis liegt vor allem daran, dass der Sprit wahnwitzig subventioniert wird. Schon lange hat sich kein venezolanischer Präsident mehr getraut, die Tarife nennenswert zu erhöhen. Der Staatschef Hugo Chávez kommt erst recht nicht auf die Idee, schon gar nicht vor den Präsidentschaftswahlen am 7. Oktober. Öl ist das Schmiermittel seines eigenwilligen Sozialismus.

Chávez finanzierte seine Revolution mit Öl-Milliarden

Ein Barrel war acht Dollar wert, als er 1999 sein Amt im Norden Südamerikas antrat. Inzwischen sind es 100 Dollar. Mit den Einkünften von Hunderten Milliarden Dollar finanziert Chávez seine Revolution. Verstaatlicht worden war das Unternehmen Petróleos de Venezuela S. A. (PdVSA) zwar bereits 1976, lange vor ihm. Doch unter Chávez wurde die Schatzkammer der Nation zum politischen Goldesel. Ausländische Firmen mussten Anteile an den Ölfeldern verkaufen, der größte Abnehmer ist trotzdem nach wie vor der Erzrivale USA. "Das Öl gehört jetzt dem Volk", heißt es. Allerdings produziert das Öl des Volkes außer Gefolgsleuten auch zunehmend Unfälle und Engpässe.

Bei einer Explosion an der bedeutendsten Raffinerie der Republik in Amuay starben kürzlich mehr als 40 Menschen. Nun ging die Anlage von Palito in Flammen auf. Chávez-Gegner wettern, dies sei die Folge von Pfusch und fehlender Investition. Auch die Fördermenge ging zurück. Weil Venezuela zu wenige Raffinerien besitzt, muss viel Treibstoff teuer importiert werden. Doch die Straßen von Caracas sind verstopft, Benzin kostet ja nichts. Umso teurer sind Fahrzeuge und Ersatzteile. Die Besitzer von Geländewagen und Limousinen haben Angst, dass sie überfallen werden. An der PdVSA-Tankstelle im schicken Viertel Altamira regt ein Polizist an, den Spritpreis auf ein vernünftiges Maß zu heben und die Erlöse sinnvoll auszugeben. Da parkt schon ein Tankwagen, 80.000 Liter füllt er jeden Tag nach. "Die energetische Souveränität stärken", steht auf dem Transporter. Der Chevrolet-Pilot hat übrigens keine Ahnung, was sein Achtzylinder verbraucht. "Dank Chávez haben wir Benzin, um darin zu baden", sagt er. Wirft den röhrenden Motor an und gibt Gas.

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