Stromer ST2 S:Der Porsche unter den Fahrrädern

Stromer ST2 S S-Pedelec im Test

Das Stromer ST2 S ist ein sogenanntes S-Pedelec. Das heißt, man benötigt einen Kleinkraft-Führerschein, um es fahren zu dürfen.

(Foto: Stromer)

Das Pedelec ST2 S fährt besser als jedes andere Bike - lässt aber sämtliche Vorteile des Fahrradfahrens vermissen.

Von Felix Reek

Von rechts ist ein quietschendes Geräusch zu hören. Eine Studentin fährt gemächlich auf dem Radweg. Bei jeder Umdrehung ächzt das rechte Pedal ihres klapprigen Hollandrads. Auf der Straße direkt daneben das genaue Gegenteil: das Stromer ST2 S. Eine wahre Hightechmaschine. Elektrische Zehngangschaltung, elektrischer Motor, elektrisches Fernlicht. Der 500-Watt-Antrieb beschleunigt es in Kombination mit dem Pedaltritt auf bis zu 45 km/h.

Die Ampel schaltet auf grün. Die höchste Stufe des Stromers ist eingelegt. Druck auf die Pedale geben, die Gänge beim Treten höher gleiten lassen. Das Fahrrad schiebt sich nach vorn, die Geschwindigkeit ist eine echte Überraschung. Innerhalb kürzester Zeit sind 45 km/h erreicht. So muss sich ein Porsche-Pilot im Vergleich zu all den VW Golf-Fahrern auf der Straße fühlen.

Die Beschleunigung eines Rollers

Vom technischen Standpunkt her betrachtet, ist das ST2 S der Schweizer Firma Stromer schlicht beeindruckend. Über ein Display im Rahmen lassen sich wie bei einem Sportwagen die Fahrleistungen modifizieren. Per App sind weitere Funktionen wie ein Diebstahlschutz mit GPS-Ortung möglich. Wird das Rad unbefugt entfernt, schickt es eine Nachricht ans Handy und lässt sich sperren. Doch das kennt man bereits von anderen Smart-Bikes. Was das Stromer unterscheidet, ist das harmonische Zusammenspiel von manuellem und elektrischem Antrieb.

Der Motor, der an der Hinterradnabe sitzt, lässt sich am Lenker in drei Stufen schalten. Im ersten Modus gibt es beim Treten ein wenig Unterstützung. Als würde der Fahrer von hinten angeschoben. Das passiert so subtil, dass man kaum etwas davon merkt. Das schubartige nach vorne Schießen anderer Pedelecs gibt es beim Stromer nicht. In der zweiten Stufe wird es zügiger. Schnell erreicht man 30 km/h. Gerade bei Steigungen ist das angenehm. Abrackern gehört damit der Vergangenheit an. In der dritten Stufe arbeitet der Motor deutlicher. Diese Beschleunigung kennt man sonst nur von Rollern. Das ist bei den ersten Versuchen ungewohnt, hat man sich aber erst einmal an das Tempo gewöhnt, will man gar nicht mehr langsamer fahren. Bis zu 45 km/h erreicht das Stromer so. Und genau hier beginnen die Probleme.

Ab Tempo 45 km/h wird es schmerzhaft

Eines davon ist der Komfort. Natürlich, das Stromer ist ein Sportgerät. Aber selbst die haben in der Regel eine Federgabel. Bei niedrigen Geschwindigkeiten dämpfen die breiten Reifen des ST2 S noch einigermaßen, spätestens bei 45 km/h fühlt sich aber jede Fahrbahnunebenheit wie ein Tritt in den Unterleib an. Bei einer Fahrt über Kopfsteinpflaster verkrampft man so, dass es problematisch wird, die Hände zum Bremsen zu öffnen. Das ist nicht nur unangenehm, sondern ein echtes Sicherheitsproblem.

Der größte Nachteil dieser immensen Höchstgeschwindigkeit ist aber, dass sich das STS 2 in der Stadt nicht wie ein herkömmliches Fahrrad nutzen lässt. Es ist ein sogenanntes S-Pedelec. Das heißt, es ist schneller als ein normales Fahrrad mit elektrischer Unterstützung und muss wie ein E-Bike eine Zulassung samt Nummernschild besitzen. Für den Betrieb braucht man einen Führerschein, 70 bis 100 Euro Haftpflichtversicherung im Jahr werden fällig. Das führt dazu, dass das ST2 S nur auf der Straße fahren darf. Fahrradwege, gegen die Einbahnstraße radeln, eine Abkürzung durch den Park nehmen, das alles ist tabu.

Besser als jedes andere Fahrrad

Wer das S-Pedelec in der Stadt nutzt, ist gezwungen, auf der Straße zu fahren. Die Zeitersparnis, die das Rad aufgrund der Geschwindigkeit haben könnte, egalisiert sich. Nach einer kurzen Beschleunigung ist an der nächsten Ampel Schluss. Und man hört bereits das Pedal-Knarzen der Studentin auf dem Hollandrad.

Sich an Autos vorbeizuschlängeln ist nicht möglich. Mit Seitenspiegel ist das Stromer so breit, dass es durch keine Lücke passt. Man steht neben den Autos und wartet. Was gerade in größeren Städten alles andere als angenehm ist. Auf einer dreispurigen Straße im Berufsverkehr? Es gibt erhabenere Momente als Radfahrer. Zumal wenn das Display zwei Kilometer vor dem Ziel anzeigt: "Drive Error", der Motor ausfällt und das Rad mit Muskelkraft angetrieben wird. Die Erkenntnis: Ohne die elektrische Unterstützung ist das 28 Kilo schwere Stromer alles andere als agil. So ist das ST2 S zwar ein Fahrrad, das besser als jedes andere Bike fährt - aber keinen der Vorteile des Fahrradfahrens besitzt.

Hinzu kommt, dass die Autofahrer ein Rad in dieser Geschwindigkeit nicht gewohnt sind. Auf ständiges Hupen folgt Überraschung oder eine Vollbremsung, weil sich das Rad schneller der Kreuzung nähert, als gedacht.

Auf der Straße ein Exot

Das alles ist natürlich nicht die Schuld des Stromers. Es ist ein perfekt ausbalanciertes Rad, jede Minute darauf ist ein Genuss. Die Frage ist nur: Zu welchem Zweck? Zum Pendeln in der Stadt? Jeder andere Verkehrsteilnehmer ist auf seinem gebrauchten Fahrrad für 50 Euro genauso schnell. Auf der Landstraße? Das Stromer ist nicht schnell genug, um mit dem regulären Verkehr mithalten zu können.

So bleibt dem Stromer ST2 S nur die Rolle des Exoten. Es ist schnell, es ist teuer (9000 Euro!), es ist exklusiv. Es ist zum Schnellfahren gebaut. Es ist: der Fahrrad gewordene Porsche. Ein Bike, das sich als Alltagsgefährt nutzen lässt, aber erst dort Spaß macht, wo es wenig oder gar keinen Verkehr gibt. Das Problem ist nur: Das kann man nur noch von den wenigsten Orten behaupten.

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