Stichtag 30. November:Bequemlichkeit bei der Kfz-Versicherung wird teuer

Verkehrsunfall - Kfz-Versicherung

Im Falle eines Unfalls ist ein guter Versicherungsschutz wichtig. Noch bis zum 30. November kann diese leicht gewechselt werden.

(Foto: Jan Woitas/dpa)

Weniger Schäden, Digitalisierung, Telematik-Tarife: Bevor sich die Branche komplett wandelt, wollen die Kfz-Versicherer noch schnell Kasse machen. Wer sich nicht rechtzeitig kümmert, zahlt drauf.

Kommentar von Herbert Fromme

Bis Ende November können Autofahrer ihre Kfz-Versicherung kündigen, wenn sie ab 1. Januar 2018 bei einer anderen Gesellschaft versichert sein wollen. Sollte der alte Versicherer die Preise erhöhen, ist die Kündigung auch später möglich. Dasselbe gilt nach einem Schaden oder bei einem Besitzerwechsel. Es ist heute sinnvoller denn je, Preise zu vergleichen und gegebenenfalls den Anbieter zu wechseln. Das liegt an den großen langfristigen Veränderungen in der Kfz-Versicherung. Das Ende des Systems, wie wir es kennen, ist eingeläutet.

Kurzfristig versuchen die meisten Versicherer, die Preise für ihre bestehenden Kunden anzuheben. Sie begründen das vor allem mit den gestiegenen Kosten für Ersatzteile. Das ist tatsächlich ein Grund, aber nur die halbe Wahrheit. Denn die Konzerne haben große Probleme in der Lebensversicherung - und müssen deshalb in anderen Sparten wie Kfz so viel wie möglich verdienen.

Gleichzeitig kommen neue Start-ups auf den Markt. Und manche der Konzerne, die für ihre Altkunden höhere Preise durchsetzen wollen, haben ebenfalls neue digitale Töchter gegründet, die deutlich billiger sind. Dazu gehören Basler und Ergo. Das Verhalten scheint nur auf den ersten Blick paradox. Diese Konzerne wollen so ihre Digitalisierungsstrategien erproben. Andere Anbieter bauen bestehende Online-Angebote aus, so wie die HUK-Coburg mit HUK 24 und die Allianz mit Allsecur.

Damit die Newcomer eine Chance haben, müssen sie zumindest im ersten Jahr billiger sein als die etablierte Konkurrenz. Später werden sie heftig erhöhen müssen - wer dort versichert ist, muss dann auf der Hut sein und möglicherweise erneut wechseln.

Die Versicherer wollen ihre Tarife schwer vergleichbar machen

Es lohnt sich also zu vergleichen, am besten durch ein Vergleichsportal plus den Besuch auf den Webseiten eines oder mehrerer Versicherer. Ganz so einfach, wie das klingt, ist diese Übung nicht - viele Anbieter versuchen, durch unzählige Bausteine und Wahlmöglichkeiten ihre Tarife schwer vergleichbar mit den Angeboten von Konkurrenten zu machen. Mancher hat 50 verschiedene Konstellationen im Angebot.

Die Kombination von heftigem Wettbewerb und Preiserhöhungen ist ein Zeichen für den massiven Wandel in der Autoversicherung. Da wollen manche Gesellschaften noch an Gewinn mitnehmen, was mitzunehmen ist. Andere wollen vor allem den Kundenstamm stabilisieren.

Ab 2018 haben alle Neuwagen laut EU-Verordnung Systeme zur Positionserfassung und Notfallmeldung an Bord. Dieser "E-Call" kann auch das Fahrverhalten für Telematik-Tarife erfassen, bei denen nach Fahrdauer und Fahrstil abgerechnet wird. Der Einbau von teuren Kästen zur Datenerfassung entfällt dann, auch die ungenaue Messung nur per Handy-App gehört der Vergangenheit an.

Noch wehrt sich die große Mehrzahl der deutschen Autofahrer dagegen, eine Versicherungsprämie abhängig vom Fahrverhalten zu zahlen. Lieber berappen sie die Flatrate für das ganze Jahr. Dabei stehen viele Fahrzeuge 90 Prozent der Zeit still. Wenn die Telematik-Tarife, mit denen Versicherer die echte Nutzung messen können, erst einmal 50 Prozent oder 80 Prozent billiger sind als der Einheitstarif, wird der Widerstand schwinden.

Die Autohersteller drängen ins Versicherungsgeschäft

Versicherer, die heute bei Telematik vorn sind, werden stark profitieren. Aber sie sind nicht allein. Auch die Hersteller haben ein Auge auf die Technik geworfen und bieten jetzt schon Versicherungen für Neu- und Gebrauchtwagen an. Meistens machen sie das zusammen mit einem Versicherer, aber das muss nicht so bleiben. Der ohnehin wettbewerbsintensive Markt wird dann noch enger. Und alle Beteiligten kämpfen um die Daten, die jeder Wagen dauernd produziert. Sie sind Gold wert für die Digitalisierung.

Dazu kommt, dass moderne Assistenzsysteme bis hin zu autonomen Fahrzeugen über kurz oder lang die Zahl der Unfälle und die Schwere der Schäden spürbar reduzieren werden. Zwar gibt es auch einen gegenläufigen Trend, denn wegen der vielen Sensoren sind manche Teile teurer. Doch insgesamt wird die Schadenlast der Versicherer sinken - und damit auch die Prämie. Elektrofahrzeuge könnten trotz der hohen Kosten für die Batterien ebenfalls schadendämpfend wirken.

Die Folgen des unmittelbar bevorstehenden Umbruchs: Viele Versicherer werden die Kfz-Versicherung verlassen, weil sie einfach nicht mithalten können. Unter den übrig gebliebenen wird die Konkurrenz noch heftiger. Für die Kunden heißt das: Sie müssen aufpassen. Ihr langjähriger Versicherer kann plötzlich sehr viel teurer sein als die Konkurrenten. Wer sich nicht kümmert, zahlt drauf.

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