Staubbelastung durch Stadtverkehr:Andere Mobilität statt anderer Motoren

Feinstaub verschlechtert die Luftqualität in Innenstädten. Doch Abgase von Fahrzeugen sind nicht hauptsächlich dafür verantwortlich. Eine Abkehr vom Verbrennungsmotor allein löst das Problem nicht, sondern verschiebt es nur.

Sascha Gorhau

Vom 1. Oktober 2012 an müssen sie in München draußen bleiben: "Stinker" nennen sie ihre Kritiker. Gemeint sind Dieselfahrzeuge ohne Rußpartikelfilter. Denn ab Oktober gelangen nur noch Fahrzeuge mit grüner Feinstaubplakette in die Münchner Innenstadt. Eine Wirkungsanalyse soll belegen, dass die Umweltzone den gewünschten Effekt hat und die Feinstaubbelastung deutlich reduziert.

Das Bundesumweltministerium hat sich hingegen die Situation in Berlin genau angeschaut. Bereits seit Januar 2010 dürfen dort nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in die Innenstadt. 42 Prozent der Feinstaubbelastung gehen auf Abgase zurück, lediglich neun Prozent stammen dabei von Pkw, 33 Prozent von Lkw.

Das bedeutet im Umkehrschluss: 58 Prozent der Belastung gehen auf andere Quellen zurück - etwa auf den Abrieb und die Aufwirbelungen, die durch die Fahrzeuge produziert werden. Dazu zählen zum Beispiel Reifen-, Straßen- oder Bremsabrieb. Gerade der Stadtverkehr ist materialintensiv, viel intensiver als das Fahren auf Fernstraßen oder Autobahnen, wo der Verkehr öfter fließt und seltener gebremst werden muss.

Das Problem sind nicht die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor, das Problem ist der urbane Verkehr an sich. Er fließt zu wenig und steht zu viel. Im Juli 2012 hat eine Stau-Analyse des Unternehmens TomTom gezeigt, wie zäh Autofahren in Großstädten wirklich ist.

Fahrgemeinschaften und öffentlicher Personennahverkehr

Der Verkehr in Deutschland ist auch deshalb so schmutzig, weil viele Menschen alleine unterwegs sind. Das ist nicht nur ökonomisch uneffektiv, sondern auch ökologisch unvernünftig. Fahrgemeinschaften und öffentlicher Personennahverkehr sind sinnvollere Lösungen, die den Verkehr in Städten spürbar entlasten können.

Elektromobilität verspricht in diesem Zusammenhang eine Verbesserung. Allerdings ändert der Einsatz elektrischer Fahrzeuge erst einmal nicht an der Form der Mobilität an sich, sondern ersetzt lediglich den Verbrennungsmotor als Antriebsquelle. Damit blieben 58 Prozent der Feinstaubbelastung nach wie vor ungelöst.

Schon jetzt ist eine Verschiebung hin zur intensiveren Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel erkennbar. Auch der Radverkehr nimmt zu. Ein Umdenken überi die urbane Mobilität ist im Gange. Doch auch mit Umweltzonen, stärkerer Nutzung der öffentlichen Verkehrsmittel und mehr Radverkehr sollte klar sein, "dass mit verkehrlichen Maßnahmen allein die Feinstaubbelastung nur in relativ engen Grenzen beeinflusst werden kann", wie das Bundesverkehrsministerium schreibt. Für größere Veränderungen müsste man nicht alte Autos aus den Städten sperren, sondern den Verkehr in Städten systematisch und zügig umstrukturieren.

Wie hoch die Feinstaub-Belastung in Deutschland ist und welche Regionen wann besonders betroffen sind, sehen Sie in unserer interaktiven Fakten-Karte.

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