Spritpreise:So ändert sich das Geschäft der Tankstellen

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Eine Tankstelle in Grevenbroich.

(Foto: imago/Westend61)

Trotz niedriger Spritpreise tanken Autofahrer nicht spürbar mehr. Die Betreiber setzen stattdessen auf Lustkäufe ihrer Kunden.

Von Gianna Niewel

Die Freie Tankstelle Hörnlein liegt in Moosburg an der Isar, irgendwo zwischen München und Regensburg. Zwei Zapfsäulen für Autos, eine für Lkw. Der Liter Diesel kostete am Montagmorgen nicht einmal einen Euro. Dominikus Hörnlein führt die Tankstelle, wer zu ihr fährt, bekommt außer billigem Sprit noch Scheibenputztücher und Eisspray, das war's. Keine Zeitung, keine Schokoriegel.

Dass der Ölpreis gerade so niedrig ist, merkt Hörnlein. Nicht, weil plötzlich viel mehr Leute viel mehr tankten. Aber die Kunden hängten den Zapfhahn ein, schauten auf den angezeigten Preis und kämen mit einem Lächeln zum Bezahlen. Außerdem kauft Hörnlein als freier Tankstelleninhaber den Kraftstoff auf eigene Rechnung ein. Dass der Ölpreis so niedrig ist, freut ihn also auch persönlich.

Die "Blaue Lagune", ein Anlaufpunkt für Nachtschwärmer

Lothar Schmitz kennt gute Jahre und schlechte Jahre, am Zapfhahn wie im Shop. Seine Geschichte erzählt viel darüber, wie sich das Benzingeschäft geändert hat. Er hat seine Tankstelle in Trier vor fast 25 Jahren gepachtet. "Blaue Lagune" wird die genannt, wegen der Farbe und weil sie rechts und links von Straßen umgeben ist.

Früher war eben jene Blaue Lagune Anlaufpunkt für die Nachtschwärmer. Auf dem Weg vom Bahnhof zur Party in die Stadt kauften sie hier ihr Sixpack Bier, eine Packung Marlboro und Bifis für alle. Auf dem Weg zurück zum Bahnhof, im Morgengrauen, dann ein Katerfrühstück: Croissants oder Brötchen, Kaffee im Pappbecher. Als der Pachtvertrag der Tankstelle auslaufen sollte, empörten sich die Bürger.

Eine Tankstelle als "Stück urbaner Kultur"

Die Tankstelle spaltete Ende 2011 eine ganze Stadt. Sie sei hässlich, sagten die einen, und die Waschanlage laut. Sie sei ein "Stück urbaner Kultur" sagten die anderen und gründeten eine Facebook-Gruppe. "Gegen die Schließung der Aral Tankstelle Ostallee", etwa 4000 Menschen waren in kurzer Zeit Mitglied. Der Stadtrat gab im Sommer 2012 nach und verlängerte den Pachtvertrag bis 2017.

Ob sich die Bürger heute ähnlich aufregen würden? Lothar Schmitz ist nicht sicher. Denn seit Rewe und Kaufland bis 22 Uhr offen haben, versorgten sich die Jugendlichen vorzugsweise dort mit dem Vorrat für die Nacht; auch, wenn sie durch den ganzen Laden laufen müssten und länger an der Kasse warteten.

Kein Versorgungszentrum mehr - zumindest vor 22 Uhr

Natürlich gebe es die Männer, die nach dem Tanken schnell einen Strauß Blumen für die Liebste mitnähmen oder Eltern, die ihren quengelnden Nachwuchs auf dem Rücksitz mit Gummibärchen beruhigen wollten. Denen sei es egal, dass die Tulpen teurer seien als beim Discounter und die Packung Gummibärchen bei ihm 1,79 Euro koste statt 89 Cent. Aber solche Kunden seien die Ausnahme und sie kauften unabhängig vom Ölpreis. Die Tankstelle habe ihren Status als Versorgungszentrum eingebüßt, sagt Schmitz. Zumindest vor 22 Uhr.

Der Wandel der Tankstellen begann Mitte der 1970er-Jahre. Im Zuge der Ölpreiskrise brach der Kraftstoffverkauf in Deutschland massiv ein. Es folgten Fahrverbote an Sonntagen und Geschwindigkeitsbegrenzungen. Der Tankwart, der sich statt der Fahrer die Hände schmutzig machte, kostete erst Geld. Dann wurde er abgeschafft. Gerade auf dem Land mussten Tankstellen schließen. In der Stadt hingegen erholten sie sich. Tankstellen wurden zu blinkenden Allround-Versorgern, 24 Stunden offen.

Lustkäufe im Tankstellenjob

Tanken kann man auch noch. Nun ist der Kraftstoff seit einiger Zeit wieder günstig. Kaufen die Kunden deswegen mehr im Shop? So funktioniere das nicht, heißt es bei Aral. Denn nur weil die Menschen zehn Euro beim Tanken sparten, gäben sie die nicht gleich für eine Zeitschrift und zwei Snickers aus. Dem Shopgeschäft gehe es zwar seit 2014 wieder gut. Das habe aber mehr mit der guten Konjunktur zu tun, die Leute hätten mehr Geld im Portemonnaie. Ob jemand noch zu Cola oder Eis greife, liege viel eher am Wetter. Es sind Lustkäufe.

"Beim Tanken stellen wir keine signifikanten Volumenzuwächse fest", heißt es auch bei Shell. Diejenigen, die immer nur für 20 Euro tankten, täten das weiterhin - sie bekämen nur gerade mehr Liter. Tatsächlich würden seit etwa einem halben Jahr häufiger Leute auch mal volltanken. Und ja, wer dafür nicht mehr 70 Euro zahlt, sondern nur noch 58 Euro, der greife sicher eher noch nach Gummibärchen. Aber auch hier gilt: Niedrige Spritpreise und steigende Shopverkäufe hängen nicht zwangsläufig zusammen.

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