Singer, Ruf und Co.:Mehrere Generationen, vereint in einem Porsche 911

Optisch ein Ur-Elfer, technisch aber modern und im perfekten Neuwagenzustand: Immer mehr Firmen vermischen beim Porsche 911 Neu und Alt.

Von Thomas Harloff

Der beste Porsche 911 aller Zeiten? Das ist immer der aktuellste. Aber nur dann, wenn es nach den neuesten technischen Standards geht. Doch es gibt viele Porsche-Fans, die nicht nur auf Leistungsdaten und Kurvengeschwindigkeiten, den Fahrkomfort oder den Spritverbrauch achten. Die nicht in erster Linie den schnellsten, stärksten oder am einfachsten zu fahrenden 911 wollen. Sie vergöttern vor allem Aussehen, Motorklang und Fahrverhalten der frühen Versionen, als diese noch weitgehend das verkörperten, was sich Ferry Porsche unter dem idealen Sportwagen vorstellte.

Es gibt aber auch immer mehr von denen, die das Beste aus zwei Welten möchten. Die Ästhetik des Alten, mit Chrom- statt Kunststoff-Stoßstange, mit aufrecht im Wind stehender Frontscheibe statt optimierter Aerodynamik. Aber ein bisschen mehr Leistung darf der Elfer schon haben. Und wenn er nicht ganz so altmodisch zu fahren und auch noch ein bisschen sparsamer, sauberer und zuverlässiger ist, umso besser. Sie wollen eines dieser Autos, das man neudeutsch "Modern Classic" nennt, bei dem Alt und Neu zu einer Symbiose verschmelzen.

"Matching Numbers" - ein Problem der Historiker

Das ist längst ein Trend, wenn auch einer für Gutbetuchte. In den USA sind solche Autos besonders gefragt, denn zwischen Ost- und Westküste schert man sich wenig um Originalität. Anders als in der hiesigen Oldtimerszene spielt das Diktat der "Matching Numbers", bei dem Antriebsstrang und Karosserien samt ihrer Identifikationsnummern untrennbar zusammengehören, dort nur eine untergeordnete Rolle. Für die US-Autofans kommt es auf Stil und Coolness an, auf das Auftreten, nicht so sehr auf die Regeln. Wenn moderne Technik das Auto aufregender macht, dann wird sie eben eingebaut. Dass die Nummern nicht mehr passen, ist das Problem von Historikern.

Gute Voraussetzungen, um damit sein Geld zu verdienen. Das hatte Rob Dickinson jedoch noch nicht im Sinn, als er kurz nach der Jahrtausendwende seine mittelmäßig erfolgreiche Musikerkarriere beendete, von England nach Nordamerika auswanderte und sich dort seiner anderen Leidenschaft widmete: den Autos von Porsche. Genug Geld, um sich einen betagten 911 kaufen und komplett umbauen zu können, hatte Dickinson in seiner Rocker-Karriere immerhin verdient. Original war an diesem Auto schließlich kaum noch etwas, vor allem war es breiter und viel stärker als damals, als es aus dem Werk rollte. Dickinsons Elfer erregte Aufsehen in Los Angeles, manch einer wollte ihn sogar kaufen, dem Vernehmen nach auch der eine oder andere Hollywood-Star. Dickinson merkte, dass die Nachfrage stieg, und gründete 2009 die Firma "Singer Vehicle Design".

Porsche 911 als Mehr-Generationen-Mix

Seitdem macht Singer nichts anderes, als alte Porsche-911-Karosserien zu restaurieren, an den entscheidenden Stellen zu liften und mit neuem Innenleben zu füllen. Als Basis dient stets die Außenhaut der zwischen 1988 und 1994 gebauten Generation mit dem Werkscode 964, allerdings unter anderem mit neuen Stoßstangen, Kotflügeln und Hauben so umgestaltet, dass der Porsche nun aussieht wie ein Exemplar einer ganz frühen Elfer-Generation. Diese Hülle verbinden Dickinsons Leute mit modernerer Antriebstechnik. Ins Heck zieht der Sechszylinder-Boxer des Nachfolgemodells 993 ein, "der letzte luftgekühlte", wie Porsche-Kenner wissen. Ob in der normalen 272 PS-Version oder umfangreich bis auf fast 400 PS getunt, Singer überholt die Triebwerke umfangreich, sodass letztlich ein Herz von heute im - zumindest optisch - Körper von gestern schlägt.

Ein Singer-Porsche kostet fast 500 000 US-Dollar - zuzüglich der 964er-Karosserie, die der Kunde mitbringen muss. Kein Wunder, dass aus dem Hobby von einst für Dickinson in nicht einmal sieben Jahren ein sehr einträgliches Geschäft geworden ist.

Magnus Walker - ein Rockstar in der Porsche-Szene

Magnus Walker hat hingegen nicht vor, sein Hobby zum Beruf zu machen. Jedenfalls dann, wenn es um Porsche geht. Der Mann mit Rauschebart, ebenfalls ein nach Kalifornien ausgewanderter Brite, verdient sein Geld in der Modebranche und hat Spaß daran, alte Porsches zu kaufen, zu sammeln und umzubauen. Originalität ist dabei nicht wichtig. Hauptsache, das Auto macht Spaß und ist schnell genug, um seine umfangreichen Strafzettel-Sammlung stetig zu erweitern.

Walker, der sich als "Urban Outlaw", als Gesetzloser der Stadt, inszeniert, ist inzwischen eine Kultfigur in der Porsche-Szene. Er tritt sogar hin und wieder als offiziell von Porsche bestellter Botschafter auf. Je bekannter Walker wird, desto höher steigt der Marktwert seiner Autos. Doch um das Geschäft geht es ihm dabei nicht - behauptet er jedenfalls: "Ich verkaufe ein Auto nur, wenn es jemand aus ganzem Herzen will", sagte er im Gespräch mit der SZ. Wenn er einen seiner Elfer abgibt, lohnt es sich für Walker allerdings auch in finanzieller Hinsicht. Interessenten dürfen sich jedenfalls auf harte Preisverhandlungen einstellen.

Ruf bittet zur Leistungsschau

Wer aber glaubt, dass solche Autos nur in Amerika gebaut werden, irrt. In Bayern gibt es eine traditionsreiche Firma, die genau solche Porsche 911 schon lange anbietet. Wenn es um originalgetreue Restaurationen oder den Aufbau solcher sogenannter "Modern Classics" ging, galt Ruf Automobile, sonst eher als Porsche-Tuner bekannt, bislang jedoch höchstens als Geheimtipp. Aber auf dem kürzlich zu Ende gegangenen Genfer Autosalon riefen die Allgäuer mit gleich drei Neuerscheinungen in klassischer Optik genau diese Kernkompetenz ins Gedächtnis der Porsche-Enthusiasten zurück.

Ein Auto aus diesem Trio ist der SCR 4.2. Wie bei Singer handelt es sich dabei um einen 964er, aber mit modernstem Innenleben. 525 PS leistet der wassergekühlte Sechszylinder-Boxermotor, obwohl er komplett ohne Aufladung auskommt. Auf gar 590 PS bringt es der zweite Porsche 964, den Ruf in Genf präsentierte. Der heißt nun Ultimate und wird von einem luftgekühlten und turbogeladenen 3,6-Liter-Boxer angetrieben. Mit höchstens 339 km/h genauso schnell, aber mit 620 PS noch etwas stärker ist der Turbo R Limited. Im Heck eines 993er Porsches arbeitet ein luftgekühlter 3,6-Liter-Motor, allerdings von zwei Turboladern zwangsbeatmet. Zum Vergleich: Der aktuell stärkste ab Werk angebotene Porsche 911, der Turbo S, leistet "nur" 580 PS und schafft "nur" eine Höchstgeschwindigkeit von 330 km/h.

Ruf, Singer, Magnus Walker: Das sind inzwischen große Namen im Porsche-Universum. Obwohl Roger Kaege in Stetten in Rheinland-Pfalz einen Autohandel und eine Werkstatt betreibt und Porsche-Tuning einer seiner Haupt-Geschäftszweige ist, fehlt zu deren Status noch ein ganzes Stück. Vielleicht hilft ja das aktuelle Projekt, das er schlicht "Retro" nennt, dabei, den eigenen Bekanntheitsgrad zu steigern. Inspiriert von Singer, das gibt er unumwunden zu, wollte Kaege jenen Porsche-Geist nach außen kehren, nach dem derzeit so viele zahlungskräftige Fans der Marke suchen. Allerdings, das ist ja klar, "wollten wir es besser machen".

Ein 993 in der Optik der frühen Siebziger

Also ging Roger Kaege die Sache anders an. Statt den modernen Antrieb mit der alten Karosserie zu verheiraten, gestalten seine Mitarbeiter das 993-Design so lange um, bis das Auto einem Porsche 911 aus den frühen Siebzigern zum Verwechseln ähnlich sieht. Das Innenleben des gar nicht mal so alten Porsches bleibt in komplett überholter Form erhalten, weshalb dessen Besitzer weder auf die Klimaanlage noch den Airbag, die Bremsen oder das Getriebe des 993 verzichten muss. "In unserem Auto ist vieles serienmäßig, das Singer erst nachrüsten muss", sagt Roger Kaege. Dazu gehört der von Grund auf revidierte luftgekühlte 3,6-Liter-Motor im Heck, der mit 300 PS nur wenig mehr leistet als in den Originalautos aus den Neunzigerjahren.

Zwischen 2000 und 2500 Arbeitsstunden stecken im Kaege Retro, sagt der Firmenchef. "Und jedes Auto ist ein Unikat." Diese Art der Exklusivität ist wohl eine der Bedingungen dafür, dass ein Kunde bereit ist, 300 000 Euro plus Mehrwertsteuer dafür zu bezahlen. Damit ist Kaege aber immer noch günstiger als Ruf. 430 000 Euro kostet der Ultimate, 480 000 Euro der SCR 4.2, gar 545 000 Euro der Turbo R Limited. Alles netto, versteht sich.

Dann vielleicht doch lieber einen frühen und gut erhaltenen Porsche 911 im Originalzustand? Solche Autos werden derzeit zu Preisen zwischen 100 000 und 200 000 Euro gehandelt - und dürften ab sofort als echte Schnäppchen gelten.

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