Sicherheit auf See:Schwachstelle Mensch

Nach dem Untergang des Kreuzfahrtschiffs "Sea Diamond" vor Santorin ist erneut die Diskussion um Sicherheit in der Seefahrt entbrannt.

Frank Behling

Stahl schwimmt nicht. Es sei denn, man walzt ihn auf eine Dicke von 15 bis 20 Millimeter und verschweißt ihn zu einer runden Rumpfform. Baut man Spanten als Verstärkung und einen Kiel zur Stabilisierung sowie wasserdichte Wände ein, erhält der Schiffbauer einen schwimmfähigen Stahlrumpf. Ein Schiff schwimmt aber nur so lange, so lange das Wasser außerhalb des Rumpfes bleibt.

Nach dem Untergang des Kreuzfahrtschiffs "Sea Diamond" vor Santorin ist erneut die Diskussion um Sicherheit in der Seefahrt entbrannt

Obwohl die Sea Diamond erstklassig ausgestattet war und alle erdenklichen Warnsysteme besaß, sank das Kreuzfahrtschiff 15 Stunden nach der Kollision mit einem Riff auf den Grund der Ägäis.

(Foto: Foto: Reuters)

Dringen große Mengen Wasser in einen Schiffsrumpf ein, dann ist das Schicksal des Schiffes schnell besiegelt. Das war zuletzt beim Kreuzfahrtschiff Sea Diamond vor Santorin so, wie auch 1956 bei der Andrea Doria und der Titanic im Jahr 1912. Hat sich in den 95 Jahren seit dem Untergang der Titanic denn wirklich nichts verändert?

"Schiffe sind heute wesentlich besser ausgerüstet als früher. Es gibt viel mehr Technik an Bord", weiß Jürgen Albers, stellvertretender Leiter der Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg. Auf seinem Schreibtisch landen pro Jahr Hunderte Havarien - von der Grundberührung bis zum Untergang.

Albers und die BSU-Ermittler gehen der Frage nach der Ursache eines Unglücks nach. "Meist ist es eine Verkettung unglücklicher Umstände, bei denen der Mensch die Fehler macht", so Albers. Regeln und Vorschriften gibt es an sich genug. Modernste Technik und stabile Rümpfe können ein Schiff aber nicht automatisch vor dem Untergang schützen.

Die UN-Schifffahrtsorganisation IMO hat die Sicherheitsvorschriften unter der Abkürzung Solas zusammengeführt. Solas steht für Safety of Lives at Sea und wurde bereits nach dem Titanic-Desaster ins Leben gerufen. Unter Solas Chapter II-1 ist die Lecksicherheit und die Leckstabilität durch wasserdichte Abteilungen vorgeschrieben.

Die Sea Diamond war erstklassig ausgestattet. Sie hatte einen für die Eisfahrt verstärkten Rumpf und alle erdenklichen Warnsysteme - vom Echolot bis zur elektronischen Seekarte. Ihr Rumpf war in ein Dutzend wasserdichte Abteilungen unterteilt, die alle mit automatischen Stahlschotts verschließbar waren.

Dennoch sank das Kreuzfahrtschiff 15 Stunden nach der Kollision mit einem Riff auf den Grund der Ägäis. Schiffe wie die Sea Diamond sind sogenannte Zweiabteilungsschiffe, bei denen im Fall einer Havarie auch beim Fluten von zwei Abteilungen eine Schwimmfähigkeit gewährleistet sein muss.

Schwachstelle Mensch

Doch die Sea Diamond hatte es schlimmer erwischt. Der Wassereinbruch hat sich auf mehrere Abteilungen ausgebreitet und die Leckstabilität gefährdet. Vermutlich war ein Drittel der Bordwand aufgerissen. Mindestens drei Abteilungen waren direkt betroffen. "So ein Schaden ist selbst für ein modernes Schiff zu viel", so Albers.

Nach dem Untergang des Kreuzfahrtschiffs "Sea Diamond" vor Santorin ist erneut die Diskussion um Sicherheit in der Seefahrt entbrannt

Das Riff hatte den Rumpf auf einer Länge von etwa 20 Meter aufgerissen, drei der zwölf mit Schotts getrennten Abteilungen wurden daraufhin geflutet. Das Schiff war verloren.

(Foto: Foto: Reuters)

Das Leck an der Steuerbordseite der 143 Meter langen Sea Diamond hatte bei der Kollision mit dem Riff nach bisherigen Erkenntnissen eine Länge von mehr als 20 Meter. Damit muss dem Kapitän bereits wenige Minuten nach der Kollision klar gewesen sein, dass seine Sea Diamond verloren war. Wie Kapitän Edward John Smith von der Titanic konnte der Kapitän der Sea Diamond nur noch auf Schadensbegrenzung setzen und alles versuchen, wenigstens die Passagiere in Sicherheit zu bringen.

Die Zahl der Havarien nimmt nicht ab

Schadensbegrenzung ist auch das Ziel von Versuchen bei der Hamburgischen Schiffbauversuchsanstalt. Dort hat Günter Steen, geschäftsführender Gesellschafter der Lindenau Werft, seinen Entwurf getestet, der Sollbruchstellen für Doppelhüllentanker enthält. Durch den Bruch der äußeren Rumpfhülle wird bei der Sollbruchstelle die innere Hülle gelöst und notfalls dicht gehalten. Ein Prinzip, das zunächst bei Doppelhüllentankern verwendet wird. "Dabei geht es auch um den Schutz der Umwelt, damit kein Öl ausläuft", so Steen.

Dennoch muss nicht jedes Passagierschiff nach einer Kollision mit einem Riff zwangsläufig auch untergehen. Entscheidend für die Rettung ist neben der schnellen Verfügbarkeit von Schleppern und Pumpenkapazität auch ein seichtes Gewässer. Zusätzlich bieten Klassifikationsgesellschaften wie der Germanische Lloyd eine Havariebetreuung. Dabei wird per Computersimulationen die Wirkung des Schadens auf das Schiff durchgespielt und nach Möglichkeiten für eine Rettung gesucht.

So kann unter anderem das vorsätzliche Aufgrundsetzen den Untergang verhindern. Doch auch in dieser Beziehung waren die Umstände für die Sea Diamond ungünstig, die Havarie fand am falschen Ort statt. Santorin ist eine Insel mit steil abfallenden Küstenlinien. Der vulkanische Ursprung schuf eine schroffe Küste, die im Falle einer Havarie fatale Auswirkungen hat. Für den Seeunfallermittler steht damit fest: "Meist kommt in so einem Fall eins zum anderen. Es ist eine Verkettung von unglücklichen Umständen", so Albers.

Und die Zahl der Havarien nimmt nicht ab, im Gegenteil. Allein 2005 wurden der Bundesstelle 548 Vorkommnisse mit deutschen Fahrzeugen sowie auf deutschen Seewasserstraße gemeldet, das sind 37 Prozent mehr als 2004. In vier Fällen mussten Untergänge untersucht werden.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: