Selbstfahrende Autos:Rollende Rechenzentren

Google, Auto, Automobilindustrie

Im Jahr 2020 könnte das selbstfahrende Auto von Google marktreif sein.

(Foto: dpa)

Einfacher, schneller, sicherer und umweltfreundlicher: Google will ein Fahrzeug herstellen, dass selbst fahren kann. Die Hoffnungen auf diese neue Form der Mobilität sind groß. Doch ausgerechnet die Autobauer könnten davon profitieren.

Von Thomas Fromm

Dieter Zetsche ist ein Automanager alter Schule. In der Welt dieser Manager waren die Dinge stets getrennt: Auf der einen Seite die Autobauer. Auf der anderen Seite diejenigen, die ihnen das zulieferten, was sie selber nicht machen wollten.

Deswegen fand der Daimler-Chef, dass das, was er im Frühjahr sah, nur wenig mit einem Auto zu tun hatte. "Wenn sie mal so ein Google-Fahrzeug gesehen haben, dann sieht das etwa so aus wie eine Mondlandefähre", lästerte Zetsche auf der Internetkonferenz re:publica im Mai über die neuen selbstfahrenden Autos des Internet-Riesen. Diese seltsamen Vehikel mit ihren aufmontierten Sensoren sollten Autos sein?

Was er wohl wirklich meinte, war: IT-Unternehmen sollen Autos vernetzen, sich um Navigationsgeräte kümmern, für die Kommunikation im Straßenverkehr sorgen, Internet und Mobilität verbinden. Kurz: Aus Autos so etwas wie rollende Rechenzentren machen. Aber für das Auto an sich sind andere zuständig.

Schöne, alte Auto-Welt? Von wegen.

Wenn der Automobilzulieferer Continental bei der Frankfurter Automobil-Ausstellung IAA am 10. September zu einer Pressekonferenz lädt, um, so heißt es in der Einladung lapidar, die "nächsten Entwicklungsschritte von Continental in Richtung des automatisierten Fahrens" vorzustellen, wird es wohl auch darum gehen: Wie Google, Conti und der High-Tech-Konzern IBM gemeinsam ihr Projekt eines selbstfahrenden Autos vorantreiben werden. In der Branche wird über ein so genanntes "Robo-Taxi" spekuliert, ein Taxi, das in Städten selbständig Gäste aufnehmen und ans Ziel bringen kann.

Es wäre eine erste große Kooperation, und wohl nur der Anfang. Das fahrerlose Fahren gilt in der Branche - so skurril es auch klingen mag - als Meilenstein. Die Hoffnungen sind groß: weniger Unfälle dank intelligenter Fahrzeugführung, mehr Sicherheit dank vorgegebener Beschleunigung, und vor allem: mehr Zeit für andere Dinge, während das Auto selbständig in Richtung Firmenparkplatz gleitet.

Bislang hat Google bei seinen Forschungsprojekten Toyotas umgebaut, mit Antennen bestückt und auf Reisen in Kalifornien und Nevada geschickt. Jetzt also der Wandel: Anstatt seine Technologie immer nur zu verkaufen und woanders einzubauen, will Google nun selbst in die Entwicklung und den Bau von Fahrzeugen einsteigen. Bis 2020 sollen die neuen Fahrzeuge reif für den Markt sein. Dann wären die Zuständigkeiten im Fahrzeugbau zum ersten Mal seit Jahrzehnten neu sortiert: Conti kümmert sich um das Auto, Google um Kommunikation und Fahrzeugsteuerung, und IBM um die Großrechner im Hintergrund, in denen Daten verarbeitet werden. Nur: Bisher waren es die Autobauer, die den Sound vorgaben. Und jetzt?

Neugier, Respekt, Nervosität

In der Industrie verfolgt man die Pläne des neuen Wettbewerbers genau - mit Neugier, Respekt, aber auch mit Nervosität. Man weiß zwar: Ohne die IT-Firmen geht schon lange nichts mehr. Gleichzeitig aber sind die neuen Spieler Zulieferer der besonderen Art - und so prallen hier Industriewelten aufeinander. Hier die langfristigen Entwicklungszyklen der Automobilindustrie, da die schnell getaktete IT-Industrie. "Wir wären schlecht beraten, einen Konzern mit einem Markenwert wie Google zu unterschätzen", heißt es aus der Autoindustrie. Die Manager kämen nicht umhin, "sich den schnelleren Rhythmen der ITler ein Stück weit anzupassen." Mit anderen Worten: Es wird künftig alles etwas schneller und stressiger im Autobau.

Schon seit langem drängen IT-Firmen ins Auto. Durch die Vernetzung im Verkehr soll die individuelle Mobilität einfacher, schneller, sicherer - und umweltfreundlicher werden. Den neuen Mitspielern winken im Gegenzug Milliardengeschäfte in einer Milliarden-Branche. Alt und Neu, Motoren- und Digitalwelt, im Auto kommen beide zusammen. "Bei Continental glauben wir, dass das Internet nicht nur ins Auto kommt, sondern dass das Auto Teil des Internets wird", sagte Conti-Chef Elmar Degenhart neulich. Da hatte er gerade eine Kooperation mit dem US-amerikanischen Telekommunikationskonzern Cisco publik gemacht. Was der Netzwerkausrüster mit Autos zu tun hat? Die Amerikaner liefern Software, mit der zwischen drahtlosen Netzwerken wie 3G, 4G oder LTE herumgeschaltet werden kann - je nachdem, wohin sich das Fahrzeug bewegt.

Die Autoindustrie ist also längst vorbereitet auf das, was nun auf sie zukommt. "Das erfolgt im engen Schulterschluss mit den Autokonzernen", glaubt Ralf Landmann, Automobilexperte bei der Unternehmensberatung Roland Berger. Eine Allianz mit Google sei durchaus ein kluger Schachzug. "Die Autoindustrie kann viel von den schnellen Prozessen und der Philosophie eines IT-Unternehmens lernen." Im Gegenzug profitiere auch Google. "Denn Conti hat das Know-how im Autobau, das einem IT-Unternehmen fehlt." Dass mit der neuen Allianz aber nun auch sofort ein neues Automobilzeitalter beginnt, glaubt Landmann nicht. "Das wird in Zukunft zwar immer stärker zunehmen, aber es ist eine langfristige Evolution, keine Revolution."

Evolutionen brauchen Zeit und Vorbereitung, und nicht zufällig werden bei der diesjährigen IAA mehr IT-Ausrüster, Breitbandspezialisten, Smartphone- und Chip-Experten herumlaufen, als man dies aus der Vergangenheit gewohnt ist. Microsoft, Apple, IBM, Cisco und Google - Unternehmen, die man bis vor einiger Zeit kaum mit dem Autobau in Verbindung gebracht hatte, interessieren sich fürs Auto.

Eine Automesse wird zur IT-Messe.

"Die Vernetzung des Autos führt in den kommenden Jahren zu dramatischen Veränderungen", heißt es beim Branchenverband VDA. Der Anteil der IT werde "bei den Fahrzeugherstellern und Zulieferern" zunehmen. Mit anderen Worten: Über den Erfolg eines Autos entscheiden jetzt nicht mehr nur Motor, PS und Design allein.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: