Schraube für Schraube:Neues Leben für alte Maschinen

Schweres Gerät wird komplett zerlegt und wieder aufgebaut: Rebuilding kann viel Geld sparen. Gerade schwere Spezialapparate sind zu teuer, als dass man sie einfach entsorgt. Dabei ist das Prinzip der Wiederverwendung alles andere als neu.

Jens Höhner

Der Motor liegt bloß, ohne Haube ragt er aus dem aufgebockten Stahlgerippe. Frische Farbe ist immerhin schon aufgetragen. Die Fahrerkabine ist ebenfalls abgebaut, auf die Seite gekippt liegt sie neben dem Kraftprotz, der in wenigen Wochen als Schürffahrzeug im Tagebau erneut seinen Dienst versehen soll. Rebuilding heißt diese Operation: Schweres Gerät wird komplett zerlegt und Schraube für Schraube wieder aufgebaut. Die Werkstatt gehört der Zeppelin Baumaschinen GmbH, sie steht im Kölner Vorort Porz. "Das Rebuilding hat sich bewährt", sagt Andreas Gärmer, Leiter des Zeppelin-Servicezentrums NRW, vor allem in den USA: "Da sind Baumaschinen und Spezialfahrzeuge viel länger im Einsatz als hier in Deutschland."

Liegen die Kosten unter 60 bis 65 Prozent des Anschaffungspreises, lohnt sich das Rebuilding. Viele dieser Fahrzeuge sind teure Spezialanfertigungen. "Zwei Aufträge dieser Art wickeln wir gewöhnlich pro Jahr ab", sagt Gärmer. Eigenen Angaben zufolge ist Zeppelin, seit 1994 in Garching bei München beheimatet, Weltmarktführer im Baumaschinenhandel und in der Service-Organisation. Hersteller und Zulieferer der Maschinen und Fahrzeuge ist die US-Firma Caterpillar. Von dort wurde das Rebuilding-Prinzip 2004 übernommen und ausgebaut.

Neben der Zugmaschine parkt das immer noch mannshohe Stahlskelett eines Rohrlegers mit Raupenantrieb aus dem Maschinenpark eines Energieversorgers. Auf einem Tisch liegt ein Steuerpult, bunte Drähte führen ins Nichts. "So hat das Fahrzeug ausgesehen, als wir es bekommen haben", sagt Thomas Daniels, Leiter des Servicezentrums Rhein-Ruhr, und holt ein Foto auf den PC-Bildschirm, das ein schäbiges Gerät mit etlichen Mängeln zeigt. Stets gibt ein Plan des Herstellers vor, welche Bauteile ausgetauscht und repariert werden dürfen und welche Elemente neu eingesetzt werden, Kühler und Lüfter etwa müssen immer ausgewechselt werden. 16 bis 18 Wochen dauert so ein Eingriff.

Seit 150 Jahren werden Maschinen im Bergbau überholt

"Nach diesem Prinzip arbeiten wir seit bald 150 Jahren", berichtet Paul Rheinländer, Vorsitzender des Fachverbandes Bergbaumaschinen im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau und Geschäftsführer der Gebrüder Eickhoff Maschinenfabrik und Eisengießerei in Bochum. "Ertüchtigung" heißt dieses Vorgehen im Bergbau: Auch dort werden stark belastete Maschinen immer wieder demontiert und auf Vordermann gebracht. Rheinländers Unternehmen führt nach eigenen Angaben weltweit zehn Tochterfirmen, die nur Rebuilding-Aufträge übernehmen. "Eine Bergbaumaschine wird in fünf Jahren drei- bis viermal auseinandergenommen und wieder zusammengesetzt", sagt der Geschäftsführer.

Ähnlich arbeitet Deutz in Köln, einer von Deutschlands ältesten Motorenbauern. "Nachdem die Produktion in den späten Vierzigerjahren wieder angelaufen ist, bieten wir das an", so Servicechef Georg Hohnsen. Motoren aller Art werden zerlegt und wieder aufgebaut, Verschleißkomponenten ersetzt. Wer einen Antrieb zur Generalüberholung abgibt, erhält umgehend einen neu aufgebauten aus dem Deutz-Bestand, 5000 Deutz-Motoren sind nach Hohnsens Angaben jährlich in Bewegung, "erst nach sechs bis sieben Aufarbeitungen werden sie ausrangiert".

Motorenbranche war der Ursprung

Die Motorenbranche gilt als Ursprung des heutigen Rebuildings, das mehr und mehr auf das Fahrzeug im Ganzen ausgeweitet wurde. Zumindest wenn es um große Maschinen mit viel Stahl in der Karosserie gehe, könnte sich das Rebuilding in anderen Branchen ebenfalls durchsetzen, vermutet Joachim Schmid, Geschäftsführer der Fachverbände Bau- und Baustoffmaschinen und Bergbaumaschinen. Doch verbiete die technische Evolution der Maschinen die Komplettzerlegung: "Ständig ändern sich die gesetzlichen Vorgaben im Lärmschutz und beim Ausstoß von Schadstoffen", erklärt er. So benötige heute fast jede Baumaschine etwa ein kleines Chemie-Werk als Abgasanlage, das sich nicht ohne Weiteres auswechseln lasse. Gleichwohl sei das Rebuilding bei älteren Fabrikaten eine lohnende Sache.

So auch in Bonn. Dort ziehen die Stadtwerke derzeit 25 Straßenbahnzüge mit Baujahren zwischen 1974 und 1977 aus dem Verkehr, runderneuert sollen sie bis zum Jahr 2018 wieder auf die Schiene gesetzt werden. "Zweiterstellung" heißt das. "Damit sparen wir 47 Millionen Euro", sagt Sprecherin Veronika John. Die Stadtwerke verzichten auf die Anschaffung neuer Straßenbahnen, für deren Kauf rund 75 Millionen Euro kalkuliert worden waren. Die alte Flotte stammt aus der Produktion der Düsseldorfer Waggonfabrik AG (Düwag). "Diese Bahnen sind solide und robust gebaut, die Luftfederung ist kaum zu übertreffen", sagt John. Jeder der Oldtimer wird für jeweils 1,12 Millionen Euro eine Verjüngungskur an etwa 20.000 Bauteilen erhalten. Einst hat der Hersteller seinen Fahrzeugen eine Laufzeit von 35 Jahren eingeräumt, jetzt rollen sie weitere 25 Jahre über die Schienen. An Bord fährt nun die neueste Sicherheits- und Überwachungstechnik mit, die Sitze entsprechen dem heutigen Standard.

Rückläufig sind dagegen die Rebuilding-Aufträge im Maschinenbau, zum Beispiel in der Hochfrequenz-Schweißtechnik. "Oftmals lohnt sich die Instandsetzung nicht mehr, weil sich die Werkstoffe drastisch verändert werden", nennt Norbert Laca, Inhaber von Laca Systems in Rellingen (Kreis Pinneberg), eine Ursache mit Blick auf den Einsatz von Polyurethanen oder Kokosfasern. Er wartet Schweißanlagen, die etwa in der Automobilbranche eingesetzt werden. "Aber da viele Fahrzeugbauteile heute eher aus einem Stück gepresst als geschweißt werden, braucht man die meist 30 bis 40 Jahre alten Maschinen nicht mehr."

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