Saab 9-5:Das Wunder der fliegenden Tonne

Erstaunlich: In Trollhättan werden noch gute Autos gebaut: Unterwegs mit der großen Saab-Limousine 9-5.

Thomas Steinfeld

Der Automobilhersteller Saab rühmt sich gern seiner gemeinsamen Vergangenheit mit der Flugzeugfabrik gleichen Namens. Und es stimmt - es gibt hier eine traditionsreiche Verbindungslinie, die, angefangen bei der Rennkugel Saab 96 mit ihrem Zweitaktmotor, immer auch in die Form der Fahrzeuge einging. Deutlich sichtbar ist sie noch beim jüngsten Auto der Firma, dem schon im Herbst 2009 vorgestellten, aber erst jetzt allmählich auf den Markt geratenden Modell 9-5.

Da ist die sehr runde Schnauze, die schräge, analog geformte Windschutzscheibe, das nach vorne gezogene, ebenfalls sehr runde Dach, das die Passagiere auf den Vordersitzen in Piloten verwandelt, die lang abfallende und nach hinten sich verjüngende Linie der gesamten Karosserie.

An das berühmteste Jagdflugzeug dieses Herstellers erinnert dieser Bau, an den Jäger J-29 aus dem Jahr 1948, auch "fliegende Tonne" genannt - oder auch, weil Flugzeuge oft wie Fische aussehen, an den Steinbeißer mit seinem ballförmigen Kopf und seinem gestreckten Körper. Das Auto ist nicht unbedingt schön, aber es steht tief und breitbeinig auf der Straße.

Es ist groß, auch für die Passagiere auf den hinteren Sitzen, es trägt die Gürtellinie hoch und die Seitenfenster niedrig, was es beständig aussehen lässt. Es wirkt kräftig und, ja, elegant, und weniger aggressiv als die Konkurrenz, die immer auch das ebenso verletzliche wie stets auf Sieg gestimmte Selbstbewusstsein des gewöhnlichen Abteilungsleiters in der Mitte seiner Laufbahn bedienen zu wollen scheint.

Wer auch nur von Ferne die vielen Krisen wahrgenommen hat, die dieser Hersteller in den vergangenen Jahren hat erfahren müssen und die keinesfalls ausgestanden sind, der muss darüber erstaunen, dass es dieses Auto überhaupt gibt. Und viel mehr noch: dass es so gut ist.

Ein Saab unterscheidet sich immer

Schwer und stabil liegt es auf der Straße, aber es lenkt sich leicht und präzise wie ein Sportwagen. Lange dauert es, bis kleine Straßen mit engen Kurven zu einer Anstrengung werden, und wenn es fix geradeaus gehen soll, reagiert das Auto gelassener auf Unebenheiten als die meisten Herrenmenschenschleudern auf der linken Spur.

Das Fahrzeug ist leise, so leise, dass man immer wieder die Geschwindigkeit unterschätzt, man sitzt auf festen, aber bequemen Polstern, überall ist Platz, aber nichts ist weich, ungeordnet oder ausschweifend. Schnell ist das Auto sowieso, immerhin hat es 220 PS, wobei der Turbolader ein besonderes Vergnügen bereitet - was man dann allerdings beim Verbrauch merkt.

Frühere Modelle von Saab machten, wenn sie auf den Markt kamen, gelegentlich einen nicht ganz fertigen Eindruck. Beim zweiten 900 zum Beispiel hoben, wenn das Auto schneller als 150 km/h fuhr, zuweilen die Scheibenwischer ab, der frühe 9-5 bockte gern, wenn er zu oft auf kurzen Strecken bewegt wurde, und überhaupt gehörte das Zerren der immer zu starken Motoren an der Lenkung zu den elementaren Eigenschaften eines Saab.

All diese Mängel sind verschwunden, letzterer vielleicht auch wegen des Vierradantriebs. Und es ist ein Rätsel, wie Saab, eine Firma, die sich vermutlich deutlich mehr um ihre Finanzierungslücken kümmern muss, als es sich um Qualitätskontrollen bemühen kann, ein so reifes, fertiges Auto auf die Straße bringen kann. Aber es haben offenbar nicht alle guten Ingenieure die kleine Fabrik in Trollhättan verlassen, und der Ehrgeiz erscheint wie nicht gebrochen.

Es ist seltsam, wie leicht sich innerhalb einer Gruppe von Fahrzeugen ähnlicher Größe, ähnlicher Bauart, ähnlicher technischer Ausstattung ein Saab unterscheiden lässt. Vielleicht gibt es dafür Maßstäbe, die sich nach den gängigen Mustern gar nicht erfassen lassen: Gewiss, auf die formalen Anleihen beim Flugzeug und auf das skandinavische Design, auf das Aufgeräumte und Sachliche der Inneneinrichtung, kommt man leicht. Und auch das leise Röcheln des Vierzylinders ist typisch für die Marke.

Zähigkeit, Geschmack und Können sollten belohnt werden

Aber da sind noch andere Eigenschaften, die der Fahrer wahrnimmt, an die er aber nicht denkt: Zum Beispiel, dass man deutlich merkt, wann der Turbolader einsetzt. Dass man Technik als solche wahrnimmt, ist dabei nur das eine. Das andere ist, dass ein solches Gerät plötzlich wie etwas luxurierend Erfinderisches wirkt, wie der virtuose Trick eines überlegenen Konstrukteurs.

Und irgend einer muss sehr genau gemessen und gedacht haben, als er die Armauflage genau dort platzierte, wo bei einem Fahrer mittlerer Größe der Ellbogen sitzt, als er den inneren Türgriff wie eine große Öse gestaltete, in die zwei sich krümmende Finger genau hineinpassen - und als er diesem Auto das nach vorne gezogene Dach gab, das sich über Fahrer und Beifahrer wölbt wie ein schützender Schirm, auf dass man sich geborgen fühlt und doch forsch nach vorne blickt.

Vielleicht ist es Einbildung: Wohlstand, Rücksicht und ein verhalten enthusiastisches Verhältnis zur technischen Moderne scheinen sich in diesem Auto in Balance zu bewegen, und es mag sogar sein, dass sich diese Verhältnisse auch in der Art spiegeln, wie man einen solchen Wagen fährt, zügig, aber nie unvernünftig - nun gut, das geht jetzt vermutlich zu tief in die ästhetische Spekulation. Aber dass der Fahrer immer das Gefühl hat, er sei es selbst, der fährt, und ihm sei dabei die Verantwortung für etwas Seltenes übertragen, das wird man dennoch sagen können.

Es bleibt ein Hindernis: der Verbrauch. Unter zehn Liter auf hundert Kilometer lässt sich das Auto kaum bewegen - und wenn, dann wäre es ihm nicht angemessen. Das liegt an der Technik mit eben jenem Turbolader. Aber es soll ja noch einen Dieselmotor mit einem zweistufigen Turbolader geben, der kaum mehr als die Hälfte verbrennt, auch dieser mit Vierradantrieb - und war da nicht auch noch ein Kombi angekündigt, einer, der den ohnehin schon großen Kofferraum (mit den nach vorne klappbaren Rücksitzen) noch einmal erweitert, in die Höhe, sodass zwei Kontrabässe auf der Ladefläche gar kein Problem mehr darstellen dürften?

Ja, gewiss, im Augenblick scheint man in Trollhättan wieder einmal gar kein Geld mehr zu haben - aber sollten so viel Zähigkeit, so viel Geschmack und so viel Können nicht doch eines Tages belohnt werden müssen?

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