Rückkehr der Giulia:Lukrative Legenden

Alfa Romeo Giulia Berlina

Die Giulia war Alfa Romeos Mittelklassemodell von 1962 bis 1978.

(Foto: SKI)

Wenn alte Auto-Modelle wiederbelebt werden, hat das einen guten Grund: Die Hersteller setzen auf Legenden und Leidenschaften. Bei Alfa Romeo könnte das sogar funktionieren.

Von Thomas Fromm

Es gibt Autos, von denen zuletzt wenige bis gar keine verkauft wurden, und sie werden oft - vielleicht auch gerade deshalb - so etwas wie Legenden. Und es gibt Autos, die sind Massenware. Autos, von denen ihre Hersteller sagen, sie seien ihr "Brot-und-Butter-Geschäft". Das heißt dann: Man verdient viel Geld damit, aber es ist eben doch nur Butter und Brot und kein San-Daniele-Schinken.

Im Grunde brauchen Hersteller beides. Die Legenden, aber auch die Butterbrote, die jeder kauft und für die jeder zahlt.

Spannend wird es, wenn Autokonzerne versuchen, ihre Mythen noch einmal zu Geld zu machen, indem sie neuen Modellen die alten Namen geben. Einige Hersteller versuchen das derzeit, weil Namen wie "Alfa Romeo Giulia" oder "Ford Mustang" vielleicht doch mehr bei Menschen auslösen als Bezeichnungen wie i3, C-Klasse oder A4. Sie sind emotionaler. Sie standen einmal für ein besonderes Lebensgefühl. Und jetzt wollen die Konzerne testen: Stehen sie auch heute noch für etwas?

Etwas für's Gefühl statt Brot und Butter

Es war ja nicht zufällig, dass der kürzlich zurückgetretene VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch vor ein paar Jahren ein Auge auf die Fiat-Tochter Alfa Romeo geworfen hatte. Brot-und-Butter-Autos hatte er schon genug, was er nun wollte, war etwas für's Gefühl. Er wollte Alfa, im Grunde schon immer, und jetzt war eben die Zeit gekommen, für die alte Marke mit dem Scudetto-Grill zu werben. Als ihm die Chefs in Turin eine Absage erteilten, da drohte der Alte: "Wir sind geduldig, wir können warten."

Warum nur will ein alter Autopatriarch eine Marke kaufen, die zuletzt noch an die 74 000 Fahrzeuge weltweit im Jahr verkauft hat und von der es lange keine wirklichen Erfolgsmodelle mehr gegeben hat? Von der vor allem eines übrig geblieben ist: ihr Mythos, der nach Italien und jener Leichtigkeit des Jahres 1962 klingt, in dem die erste Alfa Romeo Giulia aufgelegt wurde. Warum gehört ausgerechnet die Wiederauflage des Fiat Cinquecento zu den Bestsellern der Turiner? Warum hatte Alfa 2010 ein neues Modell Giulietta genannt - wie in den 50er Jahren? Und warum legt Ford sein altes Prärie-Schlachtross Mustang zum sechsten Mal seit 1964 wieder neu auf und exportiert den Sportwagen erstmals in 120 Länder? Weil die Menschen Sehnsucht haben nach Autos, die Namen haben wie Wildpferde im Wilden Westen? Warum gibt es Männer, die an der Renaissance des alten Bremer Autobauers Borgward arbeiten? Jenem Hersteller von Wirtschaftswunder-Limousinen, seit Jahrzehnten tot, aus der Zeit gefallen, Symbol einer anderen Epoche?

Manche Mythen bleiben in der Vergangenheit

Alfa Romeo Giulia Sprint GTA

Die Sport- und Rennmodelle halfen, den Alfa-Mythos zu zementieren: Alfa Romeo Giulia Coupé 1300 GTA Junior Corsa.

(Foto: SKI)

An die 70 Millionen Autos werden im Jahr gebaut, und es werden immer mehr. Namenlose Autos, funktionale Autos, austauschbare Autos. Kommt daher die Nostalgie? Borgward, Mustang oder Alfa Romeo Giulia haben Namen und Herkunft. Sie stehen für Italien, den Mittleren Westen oder Deutschland. Vielen Menschen ist das wichtig, wenn sonst schon alles sehr unübersichtlich ist. Fiat-Chef Sergio Marchionne weiß das, und deshalb bricht er an diesem Mittwoch von Turin nach Arese bei Mailand auf. Hier, im Alfa-Museum "Museo Storico Alfa Romeo", soll der neue Alfa präsentiert werden: die neue, alte Giulia. Sie stammt aus einer Zeit, in der Alfa Romeo noch nicht zu Fiat gehörte und Italiens Automobilwirtschaft noch boomte.

In Italien ist das Auto, anders als in den meisten anderen Ländern, feminin. Es heißt also "la macchina". Giulia war und ist also per se eine Frau. Ein Sportwagen mit für die damalige Zeit sagenhaften 112 PS. Damals in den 60ern, als Alfa eine Kult-Marke wurde und Dustin Hoffmann mit einem roten Alfa Romeo Spider durch den Film "Die Reifeprüfung" cruiste.

Dann kam die schlechte Qualität, dann die schlechten Autos, Vehikel wie der Alfa Romeo Arna, das der Konzern in den Achtzigerjahren mit dem japanischen Hersteller Nissan baute. Es kam die Übernahme durch Fiat. Alfa Romeo war zwar immer noch eine schöne Marke, aber warum man ein Auto aus Norditalien kaufen sollte, konnte einem keiner so genau sagen.

Acht neue Alfas bis 2018

Es ist ein seltsames Phänomen: Eine Automarke ist, rein wirtschaftlich gesehen, längst am Ende. Die Zahlen sind miserabel, sogar der Ruf ist dahin. Aber der Mythos lebt immer noch. Bisher ging das so: Jeder liebt Alfa. Aber kaum einer will ein solches Auto kaufen. Genau darum geht es, das soll sich nun ändern. Deshalb jetzt der Giulia-Plan. Acht neue Alfa-Romeo-Modelle will Fiat-Chrysler-Chef Marchionne bis 2018 auf den Markt bringen, der Absatz der Marke soll auf 400 000 Autos im Jahr ausgebaut werden. Kann das funktionieren? Es wären mehr als fünfmal so viele Alfas wie heute.

Die Giulia macht den Anfang, wenn Marchionne nun das deutsche Premium-Fach ins Visier nimmt. Also BMW, Audi und Daimler. Konzerne, die längst an die zwei Millionen Autos im Jahr verkaufen. Schafft es Giulia, könnte es Alfa schaffen. Schafft es Alfa, sähe es auch für Fiat besser aus. Von der alten Giulia und ihrem Mythos hängt also eine ganze Menge ab.

Und die anderen? Als sich die Marke Borgward, hinter der heute der chinesische Fahrzeughersteller Beiqi Foton steht, zuletzt beim Genfer Autosalon wieder präsentierte, stand auf der Bühne eine über 50 Jahre alte Isabella in Hellblau. Mehr nicht. Schön natürlich, aber nicht ganz aktuell.

Es gibt aber auch die Mythen, die da bleiben, wo sie sind - in der Vergangenheit. Zum Beispiel die kleine, runde Knutschkugel Isetta, die BMW von 1955 bis 1962 baute. Legendär, aber weit weg von den 5ern, 7ern, SUVs und Elektroautos, die BMW heute im Programm hat. Wenn es um Mythen geht, setzt der Konzern auf den Mini. Eine ziemlich lukrative Legende.

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