Roboter auf dem Vormarsch:Terminators Erben

Tisch decken, Geschirr spülen, Abfall wegtragen: Blech-Butler liegen im Trend und Assistenzsysteme aus der Autoindustrie könnten ihnen die Orientierung erleichtern.

Klaus C. Koch

Mehr als eine Million Industrieroboter verrichten täglich weltweit Schwerarbeit. Laut einer Studie des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) kommen etwa 50.000 Blechhelfer pro Jahr hinzu, die im häuslichen Bereich Serviceaufgaben verrichten, der Unterhaltung oder als Spielzeug dienen. Und es könnten noch viel mehr Roboter sein, die den Tisch decken, das Geschirr spülen und den Abfall wegtragen. Aber bis es so weit ist, sind noch ein paar Fragen zu klären.

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Laufroboter Lola soll allen davonjoggen - sie verfügt über ein zusätzliches Gelenk im großen Zeh.

(Foto: Foto: Lehrstuhl für angewandte Mechanik/TU München)

Monroe heißt einer der Blechkerle, der von der Tohoku-Universität in Japan stammt und einfach nur aussieht, wie ein Dutzend übereinander gestapelter Sixpacks. Tron X, der schon mal den Türsteher zu einer Ausstellung des Nixdorf-Museums in Paderborn mimte, hätte mit seinen 300 Kilogramm das Zeug zur "Couch Potatoe", würde er nicht von 200 Servos und Pneumatikzylindern getrieben. Hubo, gerade mal so groß wie ein Zwerg, ist immerhin schon mit halber Schrittgeschwindigkeit unterwegs. Komisch nur, dass uns dieser Blechzirkus ständig an Tom Hanks erinnert, als er in dem Film "Forrest Gump" das erste Mal seine Beinprothese anlegt.

Eines der Hauptprobleme der Robotik besteht nach wie vor darin, den Automaten auf die Beine zu helfen, sprich: sie das Laufen zu lehren. Ein wichtiger Faktor in diesem Bemühen lautet "Total DoF". Was keineswegs abfällig gemeint ist, sondern in der Sprache der Ingenieure für die "Total Degrees of Freedom" steht. Es ist die Zahl der Freiheitsgrade, mit denen die Scharniere, Gelenke und Servos arbeiten müssen, um die Blechbüchsenkompanie vom Fleck zu kriegen, damit sie dem Menschen zur Hand gehen kann.

Zusätzliches Gelenk im Zeh

Johnny, die zweibeinige, autonome Laufmaschine vom Lehrstuhl für Angewandte Mechanik der TU München, braucht immerhin 17 Gelenke, entsprechend derselben Anzahl von Freiheitsgraden, damit er auf einem Hindernisparcours die Kurve bekommt. Damit er nicht vom Laufsteg taumelt, müssen die Arme den Drall ausgleichen, der durch das Anheben der künstlichen Gliedmaßen entsteht. Beschleunigungs- und Kreiselsensoren teilen ihm mit, in welcher räumlichen Lage sich sein Oberkörper gerade befindet, damit er sich wieder aufrichten kann. Jede Bewegung muss in einem Bordcomputer vorausberechnet werden, den die Maschine mit sich herumschleppt. Mit 25 Gelenken soll Johnnys Nachfolgerin Lola, die über ein zusätzliches Gelenk im großen Zeh sogar ihren Fuß abrollen lassen kann, dann allen davonjoggen. Um die zehn Kilometer pro Stunde, sagt Lehrstuhlinhaber Heinz Ulbrich, werden wohl drin sein.

Terminator im Haus

Doch ob gerannt oder gerollt wird, interessiert eigentlich nur, wenn menschenähnliches Verhalten vorgetäuscht werden soll. Von den 150.000 Industrierobotern, die zurzeit in Deutschland vor allem in der Autoindustrie ackern, ist hingegen der größere Teil fest installiert, um mit Tentakeln und Saugnäpfen in Kisten zu greifen, an Deckeln zu schrauben oder Löcher zu bohren. Eine ganze Heerschar rollt auch auf Rädern, um Fließbänder mit Nachschub zu versorgen; sie verschieben Paletten oder rasen zwischen Regalreihen umher, die der Mensch nicht betreten darf, wenn nicht zuvor der Hauptschalter auf "Aus" gedreht wurde. Die Sicherheitsvorschriften sind streng. Noch schärfer sind sie, wenn der Automat im direkten Umfeld des Menschen agiert. Denn die Verletzungsgefahr, und damit das Risiko, dass die Maschinen während ihrer Arbeit jemand verletzen, ist groß. Wer will schon einen Terminator im Haus haben.

Ohne Öl

Bevor der Apparat startet, muss er erstmal seine Umgebung erfassen, um nicht versehentlich Kleinholz aus ihr zu machen. Günter Ulrich, Experte für fahrerlose Transportsysteme beim Verein deutscher Ingenieure (VDI), rempelt überraschte Gesprächspartnern gerne an, um zu demonstrieren, wie heftig zu früheren Zeiten ein Zusammenstoß sein musste, um einen Roboter überhaupt merken zu lassen, dass er mit einem Hindernis kollidiert. Noch in den sechziger Jahren wurden mechanische Fühler verwendet, oft nicht mehr als an einer Art Besenstiel montierte Druckschalter, die beim Auftreffen auf ein Hindernis die Stromzufuhr unterbrachen.

In den Siebzigern und Achtzigern kam die Navigation entlang eines Kabels in Mode, das - im Boden verlegt - statt einer Schiene der Spurführung diente. Heute tasten Systeme mit Lasernavigation ihre Umgebung ab: Sie scannen sie ein, um Hindernisse zu erkennen, ihnen auszuweichen oder rechtzeitig bremsen zu können. Dafür gibt es sogar eine europäische Norm (EN 1525). Per Sprachausgabe werden Fußgänger höflich gebeten, zur Seite zu gehen. Pech, wenn es dann doch nur ein Putzeimer ist, der die Weiterfahrt blockiert, weil er die Anweisung zum "Wegtreten" nicht versteht.

Die rechnergestützte Bildverarbeitung soll die Sache vorantreiben. Optische Sensoren, wie sie heute millionenfach in Digitalkameras verwendet werden, kommen der menschlichen Wahrnehmung am nächsten und helfen dem System, in Umgebungen klarzukommen, die nun mal auf den Homo sapiens ausgelegt sind. Der nächste Schritt ist die sogenannte stehende Peilung. Wie bei Schiffen, die auf hoher See ihren Annäherungskurs berechnen, um einander rechtzeitig ausweichen zu können, müssen autonome Systeme in Zukunft Schnittpunkte mit anderen Systemen im Voraus berechnen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Fahrerassistenzsysteme, wie sie von der Autoindustrie entwickelt werden, könnten hier nützlich sein.

Kein Hexenwerk mehr

Schließlich ist auch das automatische Einparken mit dem Auto inzwischen kein Hexenwerk mehr. Rundumsicht-Monitore und 180-Grad-Kameras werden von Radarsensoren unterstützt, die das Fahrzeugumfeld analysieren. Aus der Summe der Daten erstellt ein Bordcomputer ein Monitorbild, das das Fahrzeugumfeld aus der Vogelperspektive zeigt. Das ist genau das, was ein Roboter braucht, um sich zurechtzufinden. Dass das auch in komplexerem Umfeld funktioniert, bewies Stanley, der selbstfahrende Volkswagen, als er sich 2007 bei der Urban Challenge auf einem ehemaligen Luftwaffenstützpunkt bei Los Angeles erfolgreich durch die Kulisse einer Kleinstadt kämpfte. Die Lage zu peilen übt alljährlich auch ein Heer von Informatikern bei den Weltmeisterschaften im Roboter-Fußball, an denen dieser Tage in Graz 400 Teams mit 2000 Robotern teilnahmen. Die Kicker sind im Vergleich zu einem Pkw mit moderatem Tempo unterwegs.

Der Klügere gibt nach

Sollte es anlässlich der Verrichtung ernsthafter Aufgaben außerhalb der Arena doch mal zu einer handfesten Begegnung kommen, wäre es gut, wenn die Blech-Butler nicht zu massiv gebaut wären. "Der klügere gibt nach", fordert Oskar von Stryk vom Lehrstuhl für Simulation und Systemoptimierung der TU Darmstadt. Deshalb wird die Entwicklung neuartiger Gliedmaßen vorangetrieben, die in ihrer Funktionsweise Muskeln und Sehnen des Menschen nachahmen und somit auch elastisch sind. Inzwischen gibt es sogar einen Roboter-Baukasten. Die verwendeten Kunststoffe sind leichter als Stahl, hoch verschleißfest und benötigen keine Schmiermittel mehr. Das Bild vom Golem, der sich selbst seine Gelenke ölen muss, dürfte somit endgültig der Vergangenheit angehören.

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