Risikogruppe Junge Fahrer:Mit der zweiten fährt man besser

Demnächst können Führerschein-Neulinge freiwillig eine zusätzliche Ausbildung absolvieren.

Von Marion Zellner

Vom Alkohol enthemmt, von Drogen umnebelt, von ungestümer Risikobereitschaft getrieben: Viele junge Autofahrer haben in Deutschland ein ausgesprochen schlechtes Image.

Risikogruppe Junge Fahrer: Ein EU-Führerschein

Ein EU-Führerschein

(Foto: Foto: dpa)

Dieser Ruf gründet sich vor allem auf erschreckende Unfallzahlen. So starben im vergangenen Jahr laut Statistischem Bundesamt 1261 junge Frauen und Männer bei einem Autounfall; das sind rund 31,5 Prozent der bei Pkw-Unfällen Getöteten. Fahranfänger zwischen 18 und 24 Jahren unterliegen einem dreimal höheren Risiko, im Straßenverkehr tödlich zu verunglücken, als ältere Verkehrsteilnehmer.

Kein Schonraum für Neulinge

Die Novizen gelten vor allem aufgrund ihrer Unerfahrenheit als besonders gefährdet. "Nach der Führerscheinprüfung sollen junge Leute perfekte Fahrer sein. Es gibt aber keinen Schonraum für sie", so der Verkehrspsychologe Bernhard Schlag von der TU Dresden. "In Wahrheit sind sie verunsichert."

Ein viel diskutierter Ansatz, die Unfallzahlen zu senken, ist die so genannte zweite Fahrausbildungsphase. Sie wird Anfang kommenden Jahres in 14 deutschen Bundesländern auf freiwilliger Basis eingeführt. Ein halbes Jahr nach der Führerscheinprüfung können Fahranfänger damit beginnen.

Die Ausbildung enthält in einem Zeitraum von zwei bis acht Wochen drei Gruppentreffen von jeweils 90 Minuten. Dabei wird über die persönlichen Erfahrungen im Straßenverkehr, die Einschätzung eigener Stärken, Schwächen und Ängste gesprochen.

250 Euro für die zweite Prüfung

Zudem gibt es zwei praktische Elemente: eine einstündige Übungsfahrt und ein Sicherheitstraining. Begleitet werden die Führerscheinneulinge von speziell dafür ausgebildeten Fahrlehrern. "Im Schnitt kostet die zweite Phase 250 Euro", so Kay Schulte vom Deutschen Verkehrssicherheitsrat (DVR).

In Österreich ist das System bereits seit Anfang dieses Jahres obligatorisch. "Die Erfolge in anderen Ländern wie Finnland oder Luxemburg waren groß und eindeutig", begründet Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV) in Wien die Einführung. Dass die zweite Fahrausbildung nicht auch in Deutschland Pflicht für alle wird, hält Kaltenegger für "einen politischen Kompromiss".

Laut Bundesverkehrsministerium will man mit der Freiwilligkeit einen "Aha-Effekt" erzielen. Man erwarte, dass freiwillige Teilnehmer "intensiver und interessierter" seien. Dafür spreche auch, dass man zwar bei der zweiten Phase nicht durchfallen könne, allerdings durchaus "rausgeworfen werden kann", so Kay Schulte.

Mit Anreiz

Als Anreiz verkürzt sich nach absolvierter zweiter Phase die zweijährige Führerschein-Probezeit auf ein Jahr. Von der Freiwilligkeit allerdings hält Armin Kaltenegger nicht viel. Zum einem würden seiner Meinung nach nur junge Fahrer kommen, die sich sowieso für Fortbildung interessieren, oder solche, die sich einen Vorteil verschaffen wollen.

Zum anderen würden Ergebnisse einer begleitenden Studie, wie sie in Deutschland von der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) geplant ist, verfälscht. Das Projekt läuft bis 2009, dann sollen Ergebnisse vorliegen, die "eine tragfähige Grundlage für eine Entscheidung über eine obligatorische zweite Ausbildungsphase" liefern, so das Ministerium.

Bis zur Führerscheinprüfung werden gerade einmal 800 bis 1000 Kilometer im Auto zurückgelegt. Danach handelten die jungen Fahrer nach dem Prinzip "Versuch und Irrtum", so Bernhard Schlag.

Zudem unterlägen sie einem hohen sozialen Druck. Denn sie erlebten, dass sie zum Verkehrshindernis werden, wenn sie sich beim Autofahren an die formalen Regeln halten, beschreibt der Psychologe die Situaton. "Die zweite Phase ist sozusagen eine Entdeckungsreise in die Vielfältigkeit des Straßenverkehrs", erklärt es Kay Schulte. Und ist optimistisch: "Wir erwarten eine deutliche Senkung der Unfallzahlen."

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