Risiko Cabrio:"Kaum Platz zum Überleben"

Aktuelle Crashtests von Dekra und Axa Winterthur ergeben: Die Konzepte zum Insassenschutz zeigen sich nicht durchdacht - manche Kompakt-Roadster haben ernste Sicherheitsmängel.

Anatol Munz

Offenfahren ist längst keine Frage des Geldbeutels mehr. Kleine Cabrios wie der Daihatsu Copen sind für weniger als 18.000 Euro zu haben; ältere Modelle wie der Street Ka von Ford kosten gebraucht sogar nur wenige tausend Euro. Da können viele nicht widerstehen: Im vergangenen Jahr rollten mit 1,76 Millionen so viele Cabrios wie noch nie über deutsche Straßen.

Crashtest Mazda MX-5 der ersten Generation

Ein Mazda MX-5 der ersten Generation bietet bei einem Überschlag ...

(Foto: Foto:)

Kopf durchschlägt Kopfstütze

Grund genug für die Dekra und den Versicherer Axa Winterthur, drei ältere und ein aktuelles Kompaktcabrio einem Crashtest zu unterziehen. Simuliert wurden vier Unfallszenarien: Heck- und Frontalkollision, Seitenaufprall, Überschlag. Die Ergebnisse sind ernüchternd.

Bei der Heckkollision prallte ein Suzuki Vitara mit 60 km/h auf einen stehenden Daihatsu Copen mit im Kofferraum versenktem Klappdach. Der Copen, einziger Neuwagen im Test, ist mit knapp 3,4 Meter rund 50 Zentimeter kürzer als ein VW Polo. Die Überrollbügel befinden sich daher dicht hinter den Kopfstützen.

Das Problem: Bei einem Heckaufprall schieben die Aluminium-Dachteile im Kofferraum die Überrollbügel noch näher an die Kopfstützen heran, sodass die Köpfe der Insassen bei einem starken Heckaufprall die Polsterung der Kopfstützen durchschlagen und auf die Überrollbügel prallen. Enorme 92 g Verzögerung hat die Dekra dabei gemessen. Das entspricht etwa dem Vierfachen dessen, was in einer Limousine zu erwarten gewesen wäre und kann zu lebensgefährlichen Verletzungen führen.

Was sonst noch passieren kann, lesen Sie auf der nächsten Seite.

"Kaum Platz zum Überleben"

Schwere Verletzungen im Beckenbereich

Crashtest Mazda MX-5 der ersten Generation

... geringen Überlebensraum, denn der ...

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"Bei diesen Überrollbügeln hat man sich offenbar nur Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn sich das Auto überschlägt. Aber nicht, was passiert, wenn einer hinten draufkracht", urteilt Jörg Ahlgrimm, Leiter der Dekra-Unfallforschung.

Die im Vergleich zu einer Limousine steifere Bodengruppe von Cabrios, die Stabilitätsverluste durch das fehlende feste Dach ausgleichen soll, brachte nur bei der Frontalkollision eines Fiat Punto Cabrios mit einer Limousine gleichen Typs Vorteile. Während sich bei der Limousine durch den Aufprall mit 50,7 km/h die Fahrgastzelle durch knickende Schweller bedrohlich zusammenschiebt, bleibt der Fahrgastraum des Punto Cabrios fast unversehrt. Die dickeren Bleche im Unterboden absorbieren deutlich mehr Energie und minimieren so wirkungsvoll das Verletzungsrisiko.

Beim Seitenaufprall rammte die Dekra einen Ford Street Ka mit einer Limousine gleichen Typs seitlich in Höhe der Fahrertüre. Bei 60,4 km/h hält der in der Türe verbaute Seitenaufprallschutz zwar stand, die Türe selbst jedoch wird aus ihrer Verankerung gerissen und weit in den Fahrgastraum gedrückt. Schwere Verletzungen im Beckenbereich können die Folge sein.

Im Ernstfall schlägt der Kopf auf die Straße

Das Problem sei, so Ahlgrimm, dass die Türen von Cabriolets oft länger seien als in der vergleichbaren Limousine und dementsprechend höhere Kräfte auszuhalten hätten. Dafür jedoch sei die Verankerung an den Schlosssäulen nicht ausgelegt.

Ebenso ernüchternd sind die Ergebnisse des Überschlagtests. Ein Mazda MX-5 der ersten Generation, gebaut bis 1998, wurde mit moderaten 40 km/h um seine Längsachse gerollt.

Der Scheibenrahmen, eigentlich als Überrollschutz gedacht, knickt dabei vollständig ein - die Köpfe der Insassen schlagen im Ernstfall auf die Straße auf. "Hier hätten die Insassen kaum Platz zum Überleben gehabt", urteilt Ahlgrimm.

Mazda verspricht Besserung

Die Dekra fordert nun für die nächste Generation an Kompaktcabrios mehr Sicherheit: Ausfahrbare Überrollbügel, ESP, hochfeste Stähle im Scheibenrahmen und eine bessere Verankerung der Türen müssten Standard werden.

Beim aktuellen MX-5 wurden nach Angaben von Mazda die geforderten Hightech-Stähle im Scheibenrahmen bereits verbaut. Wie überschlagsicher der Wagen jetzt ist, muss abgewartet werden; der erste offizielle Test steht noch aus. Daihatsu hingegen war überrascht - man sei zu den Tests nicht eingeladen worden und werde die Ergebnisse aber selbstverständlich auswerten - sobald sie vorliegen.

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