Renault Twizy:Zwei Halbe sind kein Ganzes

Der 2,30 Meter lange Twizy ist das lustige Roller-Auto, mit dem Renault ins Elektrozeitalter durchstarten will.

Jörg Reichle

Die Zukunft hat sich gut versteckt. Hinter den mannshohen Mauern, die das Renault-Testgelände Mortefontaine, eine knappe Autostunde nordöstlich von Paris, umsäumen und vor neugierigen Blicken schützen, hat sich an diesem Aprilmorgen eine kleine Schar von Journalisten versammelt.

Im Mittelpunkt des konspirativen Treffs: eine Handvoll etwas seltsam anmutender Gefährte, eine Art Auto-Roller, die aussehen wie Gondeln eines imaginären Riesenrads.

Obwohl ihr Name lustig klingt, stehen sie da in traurig grauem Vorserien-Plastik, alle vier Rädchen etwas verlegen von sich streckend, mit verschämten Kotflügelchen darüber, die Flanken weit geöffnet, als habe das Geld für Türen gefehlt. Und sonst noch für so manches andere.

Derart spartanisch beginnt Renaults Fahrt in das Elektro-Zeitalter. Der Twizy, der an diesem Tag erstmals bewegt werden kann, soll ein völlig neues Fahrzeugkonzept für den Verkehr in Megacitys sein, 2,30 Meter lang und nur 1,2 Meter breit, ein Winzling mit einem Sitz vorne und einem zweiten für (kleine) Beifahrer in der Höhle dahinter.

Und wendig ist er: Bloß 3,40 Meter soll das Ding zum Umdrehen brauchen, dafür ist er auch mehr Motorrad als Auto - zumindest was seine Wetterfestigkeit angeht. Zwar verfügt der Twizy über eine Windschutzscheibe und ein ordentliches Dach, doch ansonsten sind die Insassen ziemlich schutzlos der Witterung ausgesetzt. Wahlweise und gegen Aufpreis soll es später auch türähnliche Planken geben.

Flott voran geht es mit dem Kleinen in jedem Fall. Einfach mittels eines Hebelchens den einzigen Vorwärtsgang eingelegt und der Elektroantrieb mit seinen 15 kW (20 PS) und 57 Newtonmeter Drehmoment schnurrt los wie von der Leine gelassen.

Vierpunkt-Gurte für die Kurvenhatz

Freudig surrend, mit maximal 75 km/h, eilt der Twizy dann dahin, dank der superdirekten Lenkung fast übereifrig mit Richtungswechseln und schnell lernt man so den Vierpunktgurt schätzen. Er schützt nicht nur im Fall des (Un-)falles, sondern verhindert womöglich auch, dass der wagemutige Twizy-Pilot in flotten Kurven aus seinem Wägelchen fällt.

100 Kilometer weit soll das so gehen, im reinen Stadtverkehr wohlgemerkt, ohne die Lithium-Ionen-Batterien nachzuladen. Sagt Renault, doch erst die Praxis wird's wohl weisen. Ist der Saft schließlich verbraucht, wird das Leichtgewicht (400 kg ohne Batterien) jedenfalls in dreieinhalb Stunden an einer normalen Steckdose wieder zu Kräften gebracht.

Wer sich ernsthaft für den französischen Auto-Roller interessiert, muss allerdings noch warten. Produktionsbeginn im spanischen Valladolid ist Ende 2011, in Deutschland soll der Twizy, der hierzulande mit dem Führerschein der Klasse B ab 18 Jahren zu fahren und auch für die Autobahn zugelassen ist, im März 2012 auf den Markt kommen. Eine schwächere Version namens Twizy 45, begrenzt auf 45 km/h und schon ab 16 Jahren zu fahren, ist derzeit nur für den französischen Markt vorgesehen.

Der Twizy 75 soll in Deutschland mindestens 6990 Euro kosten. Dazu kommen noch 45 Euro Monatsmiete für die Batterien bei einer jährlichen Fahrleistung von 7500 Kilometer. Womöglich ist man für dieses Geld dann seiner Zeit weit voraus, denn der Twizy ist nicht nur für junge Menschen prädestiniert, sondern letztlich auch eine Antwort auf Fragen, die sich künftig mit voller Wucht stellen werden.

Beispielsweise dann, wenn einerseits die Benzinpreise ins Unendliche klettern und andererseits immer mehr Innenstädte für den Autoverkehr gesperrt werden. Ganz abgesehen davon, dass die Frage der künftigen Stromgewinnung so offen ist wie das Ergebnis der nächsten Bundestagswahl.

So dürften Fahrzeugkonzepte wie der Twizy vorderhand eher für Carsharing-Projekte, kommunale Flotten oder Hotelbetriebe von Interesse sein. Aber, wer weiß.

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