Renault Latitude:Irgendwie und sowieso

Mit dem Latitude versucht Renault ein weiteres Mal, in höhere Fahrzeugklassen vorzudringen und dort auch zu bestehen. Ein etwas anders geartetes Verkaufsmodell soll dazu beitragen.

Günther Fischer

Eines muss man loben: die Hartnäckigkeit, mit der Renault immer wieder versucht, in der automobilen Oberklasse Fuß zu fassen. Nur leider: Der französische Autohersteller schießt immer wieder übers Ziel hinaus. Das war beim optisch ambitionierten Latitude-Vorgänger Vel Satis so (gut, der war ein wenig höher positioniert - aber erinnert sich noch jemand an den?) oder beim sich über Gebühr konservativ gebenden Vel-Satis-Vorgänger, der Fließheck-Limousine Safrane.

Jedenfalls scheint Renault allen Gestaltungsmut beim Vel Satis (2009 eingestellt) aufgebraucht zu haben, für den Latitude blieb da wohl nichts mehr übrig. Der kommt so irgendwie daher: zum Verwechseln unscheinbar.

Was vielleicht auch die Folge einer internationalen Kooperation ist: Der Latitude wird im Werk Pusan in Südkorea gebaut - und dort ist er auch als Samsung SM5 auf der Straße unterwegs. Die Hinterachse stammt vom Allianz-Partner Nissan, die Vorderachse wiederum entspricht der des Renault Laguna.

Auch das gereicht dem Latitude eher zum Nachteil. Er ist bei nahezu gleichem Radstand nur 20 Zentimeter länger als ein Laguna, der zu allem Überfluss optisch auch noch deutlich jünger wirkt.

Das betrifft auch den Innenraum: Zwar ist hinten und vorne üppig Platz für die Passagiere, der Kofferraum zudem ein echter Schluckspecht, aber edle Materialien oder gar etwas Pep sucht man vergebens.

Nette Kleinigkeiten wie eine aufgepeppte Klimaanlage helfen dem Latitude auch nicht wirklich weiter: Ein Ionisator produziert negativ geladene Ionen, die die Raumluft von Sporen, Bakterien und allergieaulösendem Blütenstaub reinigen sollen. Darüber hinaus hat nun auch bei Renault ein Parfümzerstäuber Einzug gehalten - und das gleich in zwei Duftnoten.

Französischer Charme? Fehlanzeige!

Petitessen. Denn der Latitude schleppt ein anderes Problem mit sich herum: eine Fahrwerksabstimmung, made in Korea und nicht für Europa gedacht. Irgendwie ist es immer zu weich, nie wirklich komfortabel und sowieso nicht sportlich. Es reicht nur zum betont defensiven Dahingleiten.

Immerhin sorgt ein kräftiges Drehmoment für einen schönen Antritt, der Topspeed ist auch für deutsche Autobahnen ausreichend, die Sechsgang-Automatik arbeitet im guten Sinn unauffällig. Beim Verbrauch kamen wir allerdings nie auch nur annähernd in den von Renault angegebenen Bereich: Rund neun Liter waren es immer. Für einen Dieselmotor dieser Leistungsklasse doch ein wenig zu viel.

Das Fazit macht melancholisch: Der Latitude ist, obwohl er auch mit sinnvollen Assistenzsystemen wirklich gut ausgestattet ist, ein über Gebühr durchschnittliches Auto - was für die gehobeneren Ansprüche der oberen Mittelklasse definitv nicht reicht. C'est bien dommage!

Wahrscheinlich weiß Renault, wie wenig Charme der Latitude versprüht - und bietet ihn in Deutschland deswegen offiziell auch gar nicht zum Kauf an: Ab 399 Euro kann man ihn leasen, Garantieverlängerung, Wartung und Verschleiß sind da im Preis schon mit drin. Und das auch ganz ohne Anzahlung.

Renault Latitude dCi 175 FAP Automatik: Reihenvierzylinder; 127 kW / 173 PS; max. Drehmoment 360 Nm bei 2000 U/min; 0-100 km/h: 9,9 sec.; Vmax 205 km/h; Normverbrauch 6,5 l; CO2: 170 g/km; Euro 5; Testverbrauch: 9,2 l; Leergewicht incl. Fahrer und Tank: 1695 Kilogramm

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