Rekordversuch mit Biodiesel-Boot:"Es war wie im Horrorfilm"

Zerstörte Propeller, Getriebeschaden und ein tödlicher Unfall: Der versuchte Rekord mit der "Earthrace", einem mit Biodiesel betriebenen Rennboot, steht vor dem Aus.

Stephan Bernhard

"Was habe ich nur verbrochen, dass mir das Schicksal so böse mitspielt" - das hat sich Pete Bethune, 42, in den letzten Tage immer wieder gefragt.

Earthrace Weltrekord Erdumrundung Schnellboot Biodiesel

Das Rennboot vor seinem Schaden.

(Foto: Foto: Earthrace)

Denn schließlich war der Neuseeländer am 10. März mit seiner dreiköpfigen Crew in Barbados aufgebrochen, um die Welt in neuer Rekordzeit mit seinem Motorboot Earthrace zu umrunden: 65 Tage sollte die Fahrt dauern und den neun Jahre alten Rekord des britischen Bootes Cable & Wireless von 75 Tagen deutlich unterbieten.

Doch Ende der Woche saß Bethune noch immer in San Diego an der amerikanischen Westküste fest und wartete sehnsüchtig darauf, wieder in See zu stechen.

Eigentlich wollte Bethune Anfang April den Pazifik schon weit hinter sich haben, doch immer wieder musste das Earthrace-Team den Zeitplan auf ihrer Internetseite aktualisieren.

Im Moment liegt Bethune mehr als 5000 Kilometer hinter dem Zeitplan zurück, ans Aufgeben denkt er aber nicht. Der Skipper übt sich dennoch in Optimismus, obwohl die Probleme schon wenige Stunden nach dem Startschuss begannen - und seitdem immer schlimmer wurden.

Mit halber Kraft nach Panama

"Gleich in der ersten Nacht spürte ich, dass etwas nicht stimmt, weil sich die Vibrationen im Boot plötzlich veränderten", erzählt Bethune. Den Grund entdeckte er bei einem kurzen Tauchgang: "Die Propeller aus Carbon schienen sich regelrecht aufzulösen."

Mit halber Kraft rettete sich die Crew nach Panama, um neue Schrauben zu installieren. Aber das Pech schien der Earthrace weiterhin an den Fersen zu kleben.

"Als ich hörte, wie Holzbalken unter dem Rumpf zermalmt wurden und das ganze Boot erzitterte, war ich im Bruchteil einer Sekunde hellwach", schildert der Skipper den bisher schwersten Zwischenfall.

Bethune lag schlafend in seiner Koje, als die mit zwei jeweils 540 PS starken Dieselmotoren bestückte Rennyacht mitten in der Nacht ein kleines Fischerboot rammte. Sofort sprang der Neuseeländer auf und rannte an Deck.

"Es war wie im Horrorfilm"

"Eine Szene wie aus einem Horrorfilm", beschreibt Bethune den Anblick im Pazifik. "Überall trieben Trümmer im Wasser und die verzweifelten Schreie der Fischer drangen zu uns durch die Nacht." Die 24 Meter lange Yacht muss praktisch über den nur fünf Meter kurzen Fischerkahn gefahren sein.

Earthrace Weltrekord Erdumrundung Schnellboot Biodiesel

Ketten-Reaktion: Bereits kurz nach dem Start auf Barbados lösten sich die Carbon-Propeller auf (1); vor Guatemala (2) dann die Kollision, die den Getriebewechsel in San Diego nach sich zog. Klicken Sie auf das Lupensymbol und sehen Sie den gesamten geplanten Routenverlauf.

(Foto: Grafik: SZ)

Kaum ist der Skipper nach der Kollision an Deck, erkennt er drei Menschen im schwarzen Wasser. Ohne zu zögern, hechtet er in die Fluten und kommt den Schiffbrüchigen zu Hilfe. Zwei Fischer kann die Crew aus dem Wasser ziehen, aber der dritte Mann ist nicht mehr zu sehen.

"Ich bin 15 Minuten um das Boot geschwommen, aber der Mann blieb verschwunden", berichtet Bethune. Schließlich starteten sie die Maschinen, kreisten in dem Gebiet und setzten Notrufsignale ab, um Hilfe herbeizuholen.

Aber niemand antwortet - selbst als sie drei weitere Fischerboote in der Nähe entdecken, bekommt die Earthrace-Crew keine Unterstützung. "Die Fischer haben sich sogar geweigert, ihre verletzten Landsleute in den nächsten Hafen zu bringen", zeigt sich Bethune erschüttert, "die haben nicht einmal reagiert, als wir ihnen 300 Dollar angeboten haben - mehr Geld hatten wir nicht."

Schlagzeilen in Guatemala - aber nicht wegen des Toten

Bethune und seiner Mannschaft blieb keine andere Möglichkeit, als die Suche abzubrechen und die Verletzten an Land in ein Krankenhaus zu bringen. Die Earthrace nahm Kurs auf die etwa 75 Kilometer entfernte Stadt Puerto Quetzal an der Küste Guatemalas.

Der schwere Unfall am frühen Morgen des 18. März sollte den Rekordversuch elf Tage verzögern - so lange wurde Bethune in Guatemala festgehalten, bis die Behörden ihre Nachforschungen abgeschlossen hatten und der Skipper freigesprochen wurde.

Grund für den Unfall war wohl die nicht vorschriftsmäßige Beleuchtung des Fischerkahns. Das Crewmitglied Anthony Distefano war am Steuer, als er ein kleines Blinklicht vor dem Bug ausmachte und das Signal fälschlicherweise als Markierung einer Landmarke in weiter Ferne interpretierte. Als er den Irrtum realisierte, war es bereits zu spät.

Obwohl es bei dem Crash einen Toten und einen Schwerverletzten gab, machte der Unfall in Guatemala aber wegen der Hilfsbereitschaft der Crew Schlagzeilen.

"Solche Unfälle passieren hier immer wieder", sagte ein Marineoffizier zu Earthrace-Techniker Scott Fratcher, "besonders macht diesen Fall nur, dass Sie gestoppt haben, um zu helfen."

Auf der dritten Etappe in Richtung USA folgte dann prompt das dritte Problem für Bethune. Bei der Kollision war das Getriebe schwer beschädigt worden und musste deshalb in San Diego ausgewechselt werden: "Um das Teil zu ersetzen, mussten wir ein Loch in die Wand des Maschinenraums schneiden", schildert Pete Bethune die Reparatur, "kaum war das geschafft, bemerkten wir, dass die Motorblockaufhängung ebenfalls stark beschädigt ist. Es nimmt einfach kein Ende."

Ironie des Schicksals: Vor dem Rekordversuch legte die Earthrace weit über 40.000 Test-Kilometer nahezu problemlos zurück.

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