Produktionsüberschuss:Schleuderpreise für Neuwagen

Die Industrie hat mehr Autos gebaut als der Markt braucht. Nun will sie den Absatz mit massiven Preisnachlässen neu beleben - und lässt sich dabei auf eine ruinöse Rabattschlacht ein.

Von Karl-Heinz Büschemann

Die Vergünstigung heißt "Jubiläumsangebot", was zunächst ganz harmlos klingt. Weil der VW Golf 30 Jahre alt wird, bekommen die Käufer dieses Klassikers jetzt eine Klimaanlage umsonst dazu.

Doch diese Ankündigung hatte es dermaßen in sich, dass sofort die VW-Aktie fiel. Der Konzern gibt damit erstmals auf ein neues Modell - der Golf V kam erst im Herbst auf den Markt - einen Nachlass von 1225 Euro. Bisher bot Europas größter Autobauer nur auf ältere Modelle Rabatt.

Die Wolfsburger mussten auf ein aggressives Angebot von Opel reagieren, das ebenfalls ein Novum ist: Das Rüsselsheimer Unternehmen bietet für ein Auto, das es noch nicht einmal gibt, einen Nachlass: Wer den Astra, der erst im März kommt, schon jetzt bestellt, erhält einen Frühbucherabatt von etwa 1000 Euro.

Andere Hersteller machen es ähnlich. Citroën lässt für einige Modelle den Preis um 3000 Euro nach und spendiert noch einen Gratiskredit. Ford übernimmt beim Kauf eines Ka ein Jahr lang die Haftpflicht und Vollkasko-Versicherung. Selbst bei Porsche, Mercedes oder BMW sind Nachlässe drin.

Die Autopreise befinden sich im freien Fall. "Es gibt eine völlig neue Preiskultur," meint Opel-Chef Carl-Peter Forster. "Die Kunden sind heute auf Schnäppchenjagd." Die Pkw-Preise liegen nach Schätzungen des Autowirtschaftlers Ferdinand Dudenhöffer im Schnitt bei 1700 Euro unter Listenpreis. Trotzdem greifen die Kunden nur zögernd zu. In Deutschland gingen im Januar die Zulassungen um neun Prozent auf etwa 207000 Autos zurück.

Käufer sind von der Regierungspolitik verunsichert

Die Hersteller klagen darüber, dass die Käufer von der Regierungspolitik verunsichert sind und deshalb zögern, ein Auto zu kaufen. Doch auch im Ausland bleiben die Kassen der Autohändler leer. In den USA werden inzwischen gar schon durchschnittlich 4000 Dollar Rabatt gewährt.

Die Industrie hat wesentlich mehr Autos gebaut als der Markt braucht. Will sie ihre überdimensionierten Werke auslasten, muss sie den Absatz ankurbeln. Die Überkapazitäten der Branche betragen etwa 30 Prozent. "Die Rabattschlachten sind Symptome der strukturellen Probleme der Automobilindustrie", sagt Peter Solimann von der Beratungsgesellschaft Booz Allen Hamilton. Nur starke Marken mit Imagewert können sich diesem Trend entziehen.

Daher werden die Hersteller immer kreativer, um den Absatz zu beleben. Vielfach verhökern sie neue Autos als Gebrauchtwagen - über so genannte Tageszulassungen: Ein Auto wird vom Händler für ein paar Tage angemeldet und geht dann als Vorführwagen vom Hof. So lässt sich der Absatz nach oben frisieren und der Preis drücken. Jeder vierte neue Renault wurde in Deutschland 2003 als Tageszulassung verkauft und jeder siebte Nissan.

Die Autoindustrie hofft, dass die Konjunktur bald anzieht und damit die ruinöse Rabattschlacht ein Ende hat. Die Hoffnung ist aber gering. In den USA merken jetzt viele Autobesitzer, dass mit steigenden Rabatten auch die Preise für Gebrauchtwagen fallen. Viele Amerikaner stellen fest, dass ihr Auto inzwischen weniger wert ist als der laufende Kredit, der für die Finanzierung aufgenommen wurde.

Die Folgen sind für die Hersteller unerfreulich: Mancher Interessent muss auf einen Neukauf verzichten und den alten Wagen weiterfahren.

Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: