Premium-E-Autos aus Deutschland:Tesla im Visier

Audi Q6 e-tron

Audi stellt den Q6 e-tron als Tesla-Gegner auf die Räder.

  • Tesla scheint den deutschen Herstellern beim Elektroantrieb enteilt zu sein. Doch Audi, BMW, Porsche und Mercedes planen zahlreiche Modelle, um den Rückstand aufzuholen.
  • Audi will mit einem Crossover gegen Tesla punkten. Der Q6 e-tron soll in drei unterschiedlichen Ausführungen kommen. BMW setzt neben dem X5 Plug-In-Hybrid auf den Fünfer mit Elektroantrieb.
  • Porsche würde gern Elektroautos entwickeln, wird aber von Konzernmutter VW gebremst. Wahrscheinlich ist eine Kooperation mit Audi, um einen Elektro-Crossover auf den Markt zu bringen.
  • Mercedes scheint im Kampf gegen Tesla die besten Karten zu haben. Bis 2021 bringen die Schwaben eine ganze Reihe Elektroautos und Plug-In-Hybride auf den Markt.

Analyse von Georg Kacher

Die Wunde ist tief, und sie schmerzt. Was den Stolz der deutschen Oberklasse-Marken so nachhaltig verletzt hat, ist das Model S von Tesla, ein neu konzipiertes Premium-Elektroauto, dessen Werte aufhorchen lassen: bis zu 422 PS und 600 Nm, maximal 500 km Reichweite, dazu ein Netz von Schnellladestationen und eine konkurrenzlose Acht-Jahres-Garantie.

Doch das war nur der Anfang. 2015 startet die Produktion des Tesla Model X Crossover, 2016 läuft im großen Stil die Giga-Batteriefertigung mit Panasonic an, 2017 will die Marke mit dem Model III in die 35 000-Euro-Preisklasse vordringen. Obwohl Tesla nach wie vor rote Zahlen schreibt und 2014 keine 40 000 Fahrzeuge absetzen dürfte, bewertet die Börse das Unternehmen mit fantastischen 30 Milliarden Dollar.

Jeder für sich und gegen Tesla

Eigentlich müsste das deutsche Premium-Establishment gemeinsam gegen Tesla mobil machen. Doch Audi, BMW und Mercedes ziehen ihr Ding lieber im Alleingang durch. Dabei fahren fast alle Hersteller zumindest in der ersten Entwicklungsphase zweigleisig. Zum einen wird am E-Auto (BEV) gearbeitet, zum anderen bleibt der Plug-in-Hybrid (PHEV) eine wichtige Option, die sich am Markt früher und schneller durchsetzen dürfte.

Die vier Tesla-Angreifer sollen so aussehen: Audi Q6 E-tron, BEV/PHEV Crossover auf dem modularen Längsbaukasten (MLB evo) des nächsten Q5; BMW i5 oder i7, viertürige BEV/PHEV-Limousine auf Basis des Fünfer mit langem Radstand; Porsche 717, viertüriges BEV Coupé, das auf der verkürzten Architektur des Panamera-Nachfolgers (MSB) basiert; Mercedes Ecoluxe, völlig neue BEV/PHEV-Modellfamilie mit vier Karosserievarianten. Die Bezeichnungen sind vorläufig, doch die entsprechende Technik nimmt immer konkretere Formen an. Schließlich wollen alle Hersteller schon auf der nächsten IAA die ersten Elektro-Katzen aus dem Sack lassen.

Audi: Das CO₂-Thema hat bei Audi ungewöhnlich viele Facetten. Neben diversen E-tron-Versuchsträgern (A1, R8) beschäftigte man sich intensiv mit der Reinkarnation des A2 und mit einem kleinen Elektroauto auf VW-Up-Basis, das ursprünglich auf dem Pariser Salon gezeigt werden sollte. Als Tesla-Angreifer galt jedoch schon immer ein Crossover als erste Wahl. Nachdem der Q8 E-tron als zu teuer verworfen wurde, werden derzeit einem Q6-Derivat auf Basis Q5-Nachfolger die besten Chancen eingeräumt.

Warum keine Limousine wie das Model S? Weil eine Hochbodenplattform besser geeignet ist, um Batterien, E-Motoren und Leistungselektronik zu verstauen. Zu den im Lastenheft festgeschriebenen Eckdaten gehören eine Reichweite von 350 bis 500 Kilometer, eine weitgehend konstante Leistung selbst bei Autobahntempo und die Dynamiktalente eines SUV mit Benzinmotor. Flankiert wird der Q6 E-tron von PHEV-Ablegern des nächsten Q5, Q7, A8 und A6.

Audi Q6 e-tron in drei Ausführungen

Im Idealfall würde Audi den Tesla-Angreifer von Grund auf neu entwickeln, denn nur so kommen die Vorteile der Elektromobilität voll zum Tragen. Gegen diesen Ansatz sprechen freilich der höhere Zeitaufwand, die Mehrkosten und das Vermarktungsrisiko einer solitären Architektur. Schneller, günstiger und vielseitiger einsetzbar ist das Derivat einer etablierten Baureihe.

Der Q6 E-tron ist ein Crossover Coupé - sportlich und dynamisch, aber auch windschnittig und relativ leicht. Das bedeutet fast zwangsläufig eine Abkehr vom klassischen Markengesicht mit hohem Grill und großer Stirnfläche. Geplant sind zunächst zwei Ausführungen mit 300 PS/450 Nm und 400 PS/650 Nm. Mittelfristig soll ein RS mit 500 PS/750 Nm die Palette abrunden.

Klar - dem stärksten Tesla mit Allradantrieb wird der neue Audi nicht so ohne Weiteres davonfahren können. Dafür setzt Audi auf eine nachhaltigere Betriebsstrategie mit deutlich langsamerem Leistungsabfall, höherem Antriebskomfort und schnellerem Induktionsladen (diesbezüglich werden BMW, Mercedes und der VW-Konzern wohl gemeinsame Sache machen). Anders als die PHEV-Audis vertraut der Q6 BEV auf einen rein elektrisch ausgelegten Allradantrieb ohne mechanische Verbindung zwischen den Achsen. Der Preis dürfte zwischen 80 000 und 100 000 Euro liegen.

Die Elektropläne von BMW

BMW mit Elektroantrieb

BMW plant ein Elektroauto, das auf dem Fünfer mit langem Radstand basiert.

BMW: Der Anteil von BEVs am Gesamtverkauf soll in Kalifornien und weiteren US-Bundesstaaten zwischen 2018 und 2025 von 4,5 auf 22 Prozent steigen. Anbieter, die dieses Ziel verfehlen, müssen die nötigen Zulassungszertifikate zukaufen - zum Beispiel von Tesla, das damit glänzend verdient. Weil sich kein deutscher Premiumhersteller dieser Schmach aussetzen will, wird beizeiten gegengesteuert.

Das gilt auch für BMW, wo ein Tesla-Angreifer auf Basis der langen Fünfer-Limousine im Entstehen ist, die aktuell nur in China hergestellt wird. Obwohl kaum Kohlefaser verbaut wird und keine strikte Trennung in Aufbau (Life Modul) und Chassis (Drive Modul) nach i3-Vorbild geplant ist, könnte der Saubermann als i5 oder i7 auf den Markt kommen. Als i-Qualifikation dient unter anderem der von 250 bis 700 PS skalierbare Power-eDrive-Antrieb, der nur dann vom E-Motor auf den als Range Extender ausgelegten Verbrenner umschaltet, wenn die Batterien während der Fahrt nachgeladen werden müssen.

Eine klassische Limousine

Weil das Projekt vor allem in China und Nordamerika das Geschäft absichern soll, hat man sich in München ganz bewusst für die dort so beliebte viertürige Stufenhecklimousine entschieden. Der längere Radstand schafft mehr Beinfreiheit und genug Platz für die miteinander vernetzten Akku-Module. Anders als der Tesla, der seine Energieladung in einer monolithisch (blockförmig) aufgebauten Bodengruppe unterbringt, setzt BMW auf ein Packageing in Form eines Batteriegebirges.

Die Nähe zum Großserien-Fünfer vereinfacht die Produktion, optimiert die Wirtschaftlichkeit und verspricht hohe Stückzahlen von 30 000 Einheiten pro Jahr und mehr. Das Design verknüpft dem Vernehmen nach Stilelemente des neuen Siebeners mit den Proportionen des Sechser Grand Coupés. Hinter der hübschen Fassade versteckt sich eine neue Matrix mit dem Decknamen CLAR (Cluster Architektur).

Wie im i8 - nur umgedreht

Fahrwerk, Lenkung, Bremse und Aufbau stammen aus dem CLAR-Baukasten, doch der Antrieb ist eine seitenverkehrt eingebaute Leihgabe aus dem i8 mit dem Verbrenner in Fahrtrichtung vorne. Auch hier gibt es keinen mechanischen Durchtrieb zwischen den Achsen. Der Wagen funktioniert im Prinzip als PHEV-taugliches BEV, wobei der Benziner nach Möglichkeit mit konstanten Drehzahlen stets im optimalen Verbrauchsfenster unterwegs ist.

Um den ehrgeizigen Emissionsambitionen gerecht zu werden, kommen zwei E-Maschinen zum Einsatz. Die vordere leistet rund 150 PS, die hintere etwa 272 PS. Das bedeutet freie Wahl zwischen Frontantrieb, Hinterradantrieb und Allradantrieb. Dem aufgeladenen Dreizylinderbenziner werden 218 PS nachgesagt, was auf eine Systemleistung von mehr als 600 PS schließen lässt. Den Sprint von null auf 100 km/h absolviert die potente Limousine in rund vier Sekunden.

Mittelfristig wollen die Münchner dem Vernehmen nach die elektrische Reichweite Zug um Zug auf 125 Kilometer erweitern. Der umweltfreundliche Fünfsitzer ist nach Möglichkeit im E-Modus unterwegs, kann elektrisch boosten, bei Bedarf segeln und sämtliche Nebenaggregate zuverlässig mit Energie versorgen. Der Preis ist auch hier ein Politikum, doch unter 100 000 Euro dürfte ein solcher Fünfer, gut ausgestattet, kaum zu haben sein.

Die Elektropläne von Porsche

Porsche 717

Die Finanzierung des Porsche 717 steht auf wackeligen Beinen.

Porsche: Mit Cayenne, Panamera und 918 haben die Schwaben bereits drei PHEVs im Portfolio. Der logische nächste Schritt wäre ein BEV, doch seit Porsche zum VW-Konzern gehört, braucht es für solche Grundsatzentscheidungen das Plazet aus Wolfsburg. Weil der Sportwagenhersteller nicht immer darf, wie er möchte, liegen Projekte wie das Macan Coupé, der 960 (Ferrari-Gegner mit Achtzylinder-Boxer) und der kleine Bruder des Panamera (Pajun) aktuell auf Eis. Auch die Finanzierung des 717 steht noch auf wackligen Beinen. Entweder Porsche darf sein eigenes Elektroautoprojekt durchziehen - oder es kommt zur Kooperation mit Audi, was wohl einen weiteren Crossover mit E-Antrieb zur Folge hätte.

Der von Weissach ins Auge gefasste Stromer soll sich dem Vernehmen nach im modularen Standardantrieb-Baukasten (MSB) bedienen, der für den nächsten Panamera und den Nachfolger des Bentley Continental entwickelt wird. Insider erwarten ein viersitziges Coupé mit Sportwagenschnauze und rundem Kurzheck - mehr viertüriger 911 als konventionelle Limousine, relativ kompakt, mit langem Radstand und flacher Dachlinie. Insgesamt wollen die Techniker mehr als 100 Akkus in der entsprechend modifizierten Rohkarosse unterbringen. Der 717, der 2019 kommen soll, ist ein reines BEV ohne Range Extender, das mithilfe des US-Spezialisten Quantumspace auch kabellos aufgeladen werden kann.

Die Rede ist momentan von drei Leistungsstufen mit 400, 500 und 600 PS. Die Reichweite soll bis zu 500 km betragen. Der stärkere E-Motor treibt die Hinterräder an, der schwächere sitzt vorne. Die MSB-Architektur dürfte trotz des Stahl-Alu-Materialmix in Verbindung mit den Batterie-Kits relativ schwer sein. Trotzdem lassen die umfassenden Synergien einen hochgerechneten Absatz von 10 000 E-Porsche pro Jahr erwarten.

Die Elektropläne von Mercedes

Mercedes Ecoluxe

Mercedes plant eine komplette Ecoluxe-Familie, zu der auch diverse Crossover gehören.

Mercedes: Wer hätte das gedacht? Keine Premiummarke plant eine umfassendere Elektroautopalette als Mercedes. Noch vor Jahresfrist beschränkten sich die Überlegungen in Sachen Tesla-Angreifer auf ein BEV auf GLC-Basis (GLK-Nachfolger). Doch inzwischen steht Daimler wohl kurz davor, ein ambitioniertes rund zwei Milliarden Euro teures Alternativprojekt abzusegnen.

Dabei geht es um eine völlig neue BEV-Architektur, die in ihrem modularen Aufbau deutlich fokussierter und fortschrittlicher erscheint als die DNA der bestehenden Baureihen. Natürlich ist auch die Ecoluxe-Palette (Arbeitstitel) in Länge, Breite, Höhe und Radstand skalierbar. Grundsätzlich mit an Bord sind Hinterradantrieb und Vierradlenkung. Allradantrieb ist ein wichtiges Extra. Vorgesehen sind zwei verschiedene Größen und vier verschiedene Karosserievarianten. Damit hätte Mercedes als einzige deutsche Premiummarke eine Antwort auf das Model S und auf das kompaktere Model X.

Mercedes will sich nicht festlegen

Weil wesentliche Elemente des Batteriepakets in der Bodengruppe untergebracht sind, sitzt man in allen Varianten etwa sieben Zentimeter höher als in einem klassischen SUV. Die Bodenfreiheit entspricht dagegen mit 15 Zentimetern im Prinzip der E-Klasse. In Planung sind zwei Radstände: 2,7 Meter für die zwei kleineren Fahrzeuge (zwischen C- und E-Klasse), 3,0 Meter für die beiden größeren (zwischen E- und S-Klasse).

Im Gegensatz zu Audi, BMW und Porsche möchte sich Mercedes nicht zwischen Crossover und Limousine entscheiden müssen. Stattdessen wollen die Stuttgarter beides machen: ein Stufenheck mit SUV-Anklängen und einen Crossover mit Coupé-Silhouette. Beide Modelle sollen in zwei verschiedenen Größen verfügbar sein.

Aufgrund des Gewichtshandicaps der Batterien - der Satz wiegt komplett rund 400 Kilo - kommen Faktoren wie der Aerodynamik und der Materialität des Aufbaus besondere Bedeutung zu. Im Werkstoffmix dominieren Leichtmetalle und hochfeste Stähle sowie diverse Kunststoffe. Als erstes Ecoluxe-Modell soll Ende 2019 oder Anfang 2020 der große SUC (Sport Utility Coupé) in Serie gehen, der als Fünf- und Siebensitzer geplant ist. Wenig später folgt der entsprechende SUS (Sport Utility Sedan), ebenfalls mit drei Sitzreihen. Beide Modelle sind rund fünf Meter lang und sehr geräumig.

Preisspanne von 70 000 bis 120 000 Euro

Die kompakteren Gegenstücke sind rund 4,70 Meter lang und reine Fünfsitzer. Das Stufenheck hat einen klassischen Kofferraumdeckel, der Crossover eine große Klappe. Wenn alles nach Plan läuft, dürfte die letzte Variante Mitte 2021 Premiere feiern. Die Preisspanne reicht dem Vernehmen nach von knapp 70 000 bis über 120 000 Euro.

Entsprechend ambitioniert sind die Antriebsoptionen. Für den Ecoluxe S stehen 544 PS Systemleistung im vorläufigen Lastenheft, die GT-Ausführung soll es auf 612 PS bringen. Die Reichweite lässt sich über die Batterie definieren, wobei als Minimum bei scharfer Fahrweise zwischen 450 km und 560 km kolportiert werden.

Ein echtes Highlight ist das e-Fahrwerk mit variabler Bodenfreiheit, automatischer Wankstabilisierung, adaptiver Federung sowie Bremsnick- und Anfahrtauch-Ausgleich. Die Drehmomentverteilung und die Energierückgewinnung erfolgen radselektiv. Gebaut werden soll die Ecoluxe-Familie in einem neuen Werk, das in Deutschland oder Nordamerika entstehen dürfte. Die Kapazität beträgt circa 80 000 Einheiten pro Jahr - auch damit übernimmt Mercedes im Kampf gegen Tesla die Vorreiterrolle.

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