Praxistest: Mitsubishi L200 Double Cab:Angriff der Ameise

Während sich Pick-Ups in den USA großer Beliebtheit erfreuen, haben es die praktischen All-Radler bei uns unverändert schwer. Der neue Mitsubishi L200 soll nun den Nissan Navara vom Platz an der Sonne verdrängen.

Von Stefan Zaumseil

In Deutschland sind es die Japaner, die das Pick-Up-Segment fast vollständig in der Hand haben - Mitsubishi, Nissan, Toyota und Mazda teilen den Absatz von knapp 30.000 Fahrzeugen jährlich weitgehend unter sich auf. Dabei war Mitsubishi mit dem L200 bis zum Erscheinen des neuen Nissan Navara im vergangenen Jahr unangefochten Marktführer. Mit dem neuen L200 will sich Mitsubishi diesen Platz zurückerobern.

Praxistest: Mitsubishi L200 Double Cab: Mit doppelter (oben) und einfacher Kabine: Mitsubishi-Pick-Ups

Mit doppelter (oben) und einfacher Kabine: Mitsubishi-Pick-Ups

(Foto: Foto: Mitsubishi)

Das Konzept dafür sieht die Firma in der Vermarktung des neuen L200 als Sports Utility Truck (SUT). Reine Arbeitsgeräte waren gestern - heute sollen "Lifestyle-Laster" mit Allradantrieb und optimierter Sicherheitstechnik auf Kundenfang gehen.

Nach rund zehn Jahren fast unveränderter Bauweise hat Mitsubishi den neuen L200 nun mächtig aufgerüstet: Motor, Antrieb, Design, Pkw-Komfort und ein im Segment einmalig kleiner Wendekreis von 11,8 Metern sollen neue Kunden locken - und alte zurückholen.

Alter Laster und frischer Wind

Dabei ist der Neue deutlich gewachsen: stolze 18 Zentimeter länger, fast fünf Zentimeter breiter und mit um vier Zentimeter längerem Radstand. Die Ladefläche ist dagegen zu Gunsten der Doppelkabine (= "Double Cab") auf "nur" 1325 Zentimeter Länge geschrumpft. Trotzdem ist dort immer noch Platz genug für ein Quad (bei offener Heckklappe) oder, wenn es denn sein muss, fast achtzehn Säcke Zement - macht zusammen 900 Kilogramm Nutzlast.

Die Doppelkabine ist - im Gegensatz zum Vorgänger - wirklich ein Blickfang und wirkt mit den dicken Kotflügeln und dem nach oben geschwungenen hinteren Teil bullig und gleichzeitig dynamisch-flüssig. Dazu kommen 17-Zoll-Leichtmetallräder, Kotflügelverbreiterungen, getönte Seitenscheiben und ein deutlich gerundetes Heck - weniger Lkw, mehr Lifestyle eben. Im Innenraum gibt es viel Platz für vier Erwachsene und jede Menge Ablagen.

Ob sich die zugelassenen fünf Personen wohl fühlen, sei dahingestellt: Der mittlere Fondsitz stellt eher eine Notgelegenheit dar und ist allenfalls als Mittelarmlehne mit Getränkehalter geeignet.

Das Interieur wirkt mit den fließenden Formen modern. Angenehm die Haptik mit sauber verarbeiteten Materialien und einer hochwertigen Lederausstattung - plus einiger Ledernachbildungen. Das Cockpit im grau-schwarzen Design und die Mittelkonsole im Aluminium-Look erscheinen richtig schick. Deutlich zu trendig sind jedoch die Armaturen mit Metallrand und die blauen Zifferblätter.

Munter unterwegs

Alle Anzeigen und Bedienelemente sind hingegen am richtigen Platz. Kein Schalter wirkt wie nachträglich gebastelt - sonst eine im Pick-Up-Segment weit verbreitete Unsitte.

Die Mitsubishi-Ingenieure haben ihrem Pick-Up gleich auch noch einen neuen Motor spendiert - einen 136 PS starken 2,5-Liter-Common-Rail-Direkteinspritzer-Turbodiesel mit einem Drehmoment von 314 Nm bei 2000 U/min, der als einziger laut Mitsubishi im Segment die Abgasnorm Euro-4 erfüllt. Dieser Vierzylinder hängt erheblich kerniger am Gas, und da der aktuelle L200 trotz verbesserter Sicherheitsdetails kaum schwerer geworden ist, ist man nun munterer denn je unterwegs.

Angriff der Ameise

Obwohl er mit 14,6 Sekunden von Null auf Tempo 100 wahrlich keine Rakete ist, bietet der L200 für einen Zweitonner respektable Fahrleistungen - ein Testverbrauch von durchschnittlich neun Litern pro 100 Kilometer unterstreicht den positiven Eindruck deutlich.

Mehr Aufwand als beim Vorgänger haben die Entwickler diesmal in die Geräuschdämmung gesteckt. Waren längere Autobahnfahrten bisher akustische Torturen, so sind sie nun kein Problem mehr - lediglich die Höchstgeschwindigkeit von knapp 170 km/h stellt eine Geduldsprobe dar. Da wird schnell der Ruf nach einem Tempomaten laut, der jedoch weder auf der Austattungs- noch auf der Optionsliste steht.

Gelände-Applikationen

Der Nutzlast geschuldet ist die ungeteilte Banjo-Achse mit Blattfederung. Trotzdem wurden Fahrkomfort und Handling gegenüber dem Vorgänger verbessert - Lenkung, Fahrwerk und Bremsen sind durchaus auf Pkw-Niveau, obwohl man sich eine etwas direktere Steuerung und weniger Seitenneigung in den Kurven wünscht.

Der permanente Allradantrieb "SuperSelect" mit abschaltbarer Vorderachse stammt aus dem Pajero. Die sperrbare Visco-Kupplung variiert die Antriebskraft je nach Anforderung zwischen Vorder- und Hinterachse. Geländereduktion, Bodenfreiheit, Böschungswinkel sind unverändert auf hohem Niveau. Ergänzt wird der Allradantrieb durch eine elektronische Stabilitätskontrolle (MASC) und eine Traktionskontrolle, die ein Ausbrechen des Hecks wirksam unterbindet - gerade im unbeladenen Zustand.

Leider verfügt nur die geringerwertige Ausstattungslinie "Invite" über ein 100 Prozent sperrbares Hinterachsdifferential im Zusammenhang mit dem klassischen Allradantrieb "EasySelect" und zuschaltbarer Vorderachse. Echte Offroad-Fans werden also wohl auf Komfort verzichten müssen. Auf nützlichen Komfort zudem, wie Lederausstattung, elektrisch einstellbare Außenspiegel, Klimaautomatik. Aber auch auf Sicherheitselemente wie Nebelscheinwerfer und elektronische Fahrhilfen. Der in diesem Segment einmalige Clou, die elektrisch versenkbare Heckscheibe beim Double Cab, bleibt wiederum den Käufern der Ausstattungslinie "Intense" vorbehalten.

Der Mitsubishi L200 Intense Double Cab kostet mindestens 29.490 Euro und lässt sich lediglich mit dem Premium-Paket für 1.900 Euro (Leder, Sitzheizung vorn, elektrisch verstellbarer Fahrersitz), Metallic-Lackierung (540 Euro), Partikelfilter (690 Euro) und Automatikgetriebe (1450 Euro) aufrüsten. Langer Laster, kurze Aufpreisliste.

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