Praxistest BMW 7er:BMW 7er: Nicht immer tut er das, was er soll

Connectivity im 7er-BMW

Der Innenraum des BMW 740 ist rundum vernetzt. E-Mails können während der Fahrt vom Auto vorgelesen werden.

(Foto: Fabian Kirchbauer; BMW)

Sprach- und Gestensteuerung sollen den Alltag im Auto komfortabler und sicherer machen. Wie gut funktionieren die neuen Technologien im BMW 7er wirklich?

Test von Helmut Martin-Jung

Der Hinweis kommt einfach so während der Fahrt. Für das Navigationssystem stehe eine Aktualisierung bereit, heißt es auf dem großen Bildschirm über der Mittelkonsole. Schneller als man "Moment mal" sagen kann, hat der Sohn auf dem Beifahrersitz schon mit "Ja" bestätigt. Und man wundert sich: Das Navigationssystem nimmt die Aktualisierung nicht etwa im Hintergrund vor. Nein, es muss dazu neu starten. Nach einigen Minuten erwacht es wieder zum Leben. Und kennt nun tatsächlich die neue Streckenführung an der Ausfahrt Aschheim/Ismaning der A99. Noch auf der Hinfahrt hatte die sündteure Zusatzausstattung in dem BMW 740 nichts als wirre Anweisungen gegeben.

In dieser kleinen Episode steckt mehr, als man zunächst denken könnte. Sie ist ein Sinnbild dafür, wie sich Autofahren im Zeitalter allumfassender Vernetzung verändert. Aber auch dafür, was das der Fahrerin oder dem Fahrer abverlangt.

Autobauer haben Angst vor Computerindustrie

Lange Zeit war das Auto einer der letzten Orte, zu denen das Internet noch nicht vorgedrungen war. Mochten auch Computer längst schon berechnen, wann sich ein Rad drehen sollte und wann nicht - an die Nutzeroberfläche gelangte das nicht. Doch jetzt, wo binnen weniger Jahre das Verhalten der industrialisierten Menschheit quasi umprogrammiert wurde und alle ständig auf ihr Smartphone gucken, jetzt gilt das nicht mehr. Die Autohersteller sehen sich vor neuen Herausforderungen, haben plötzlich Angst vor Google und Apple.

Die IT-Konzerne arbeiten an selbstfahrenden Autos, das beunruhigt die etablierten Hersteller. Doch ihr näherliegendes Problem ist eher dieses: Was die kleinen Supercomputer können, die Smartphones, das sollen auch Autos leisten - aber bitte so, dass das Fahren komfortabler wird und sicherer. Doch geht das überhaupt?

An der Bedienung hapert es noch

"Spiele Musik von Miles Davis!" Das vernetzte Infotainment-System des BMW soll gesprochene Anweisungen auch dann verstehen und ausführen, wenn man die Anweisungen einfach als ganzen Satz erteilt. Bei der Navigation funktioniert das auch erstaunlich gut. In Sachen Musik aber hat es erst einmal eine Nachfrage: "Geben Sie eine Quelle an", verlangt es. Auf dem iPhone ist eigentlich jede Menge Musik von Miles Davis gespeichert. Das Handy wurde auch schon per Bluetooth-Funk mit dem Auto-System verbunden. Per Spracheingabe lässt es sich trotzdem nicht als Quelle nennen. Bleibt der Drehrücksteller auf der Mittelkonsole.

Der hat neuerdings eine berührungsempfindliche Oberfläche. Und das bedeutet nicht nur, dass sich jede Berührung als hässlicher Fingerabdruck verewigt. Damit malt man Buchstaben, was viel schneller geht als mit dem Drehknopf das Alphabet zu durchstreifen. Ungünstig nur, dass der Unterschied zwischen einem "Z" und einer "2" ein sehr feiner ist. Und wie unterscheidet man ein "O" und eine "0"? Oh Drehknopf, hilf!

Features mit Tücken

An (fast) nichts soll es einem fehlen, was man aus der Smartphone-Welt gewohnt ist. Mail-Empfang? Na klar, wegen Ablenkungsgefahr kann man sich die auch vorlesen lassen. Was durch die Computerstimme aber eher etwas für Digital-Masochisten ist. Vor allem dann, wenn die Stimme sich stoisch der Mail-Signatur widmet.

Das sind die Momente, in denen man gerne die Gestensteuerung nutzen würde, die BMW in diesen 740i auch eingebaut hat. Über eine Kamera im Dachhimmel werden Handbewegungen erfasst, die vor dem Bildschirm ausgeführt werden. So steht es auch in der Anleitung. Doch alles Wedeln, Winken und Wischen bleibt vergeblich. Da heißt es erst einmal üben.

Schlüssel gibt zuverlässig Auskunft

Der Schlüssel mit Bildschirm tut dagegen, was er soll. Wie viel Benzin ist noch im Tank? Ist der Wagen abgesperrt? Fragen wie diese werden auf einen Blick beantwortet, auch ganz ohne Smartphone. Geladen wird der schlaue Schlüssel übrigens induktiv, also ohne Kabelgefummel, in einer Halterung in der Ablage der Mittelkonsole.

Bei anspruchsvolleren Aufgaben muss dann aber doch das Alleskönnerhandy oder der PC ran, dann zum Beispiel, wenn eine neue Route fürs Navigationssystem festgelegt werden soll. Denn das geht: Route bequem am Handy austüfteln und dann aufs Navi übertragen. Umgekehrt wird übrigens auch ein Schuh draus, will heißen, auf der letzten Meile übernimmt das Smartphone die Navigation (und führt anschließend auch wieder dorthin, wo das Auto geparkt wurde).

Navigationsdienstleister haben den Verkehr im Blick

Seit mehr und mehr vernetzte Fahrzeuge auf den Straßen unterwegs sind, von Flotten mit professionellen Navigationslösungen bis hin zu Smartphones, die natürlich auch Navigation beherrschen, seitdem wissen die Navigationsdienstleister immer genauer, wo der Verkehr fließt und wo nicht. Auf die Tipps - Ausweichroute nehmen oder auf der Autobahn bleiben etwa - ist daher meist Verlass. Hilft einem das Auto wie bei dem BMW noch mit einem großen Bildschirm und dem formidablen Head-up-Display, ist das eine sehr willkommene Unterstützung. Sinnvoller als viele der Apps, die im Auto genau genommen ziemlich verzichtbar sind.

Auch ob das Auto unbedingt einen Browser braucht, der aus Sicherheitsgründen ohnehin bloß im Stand funktioniert, ist zweifelhaft. Und eines muss auch klar sein: Die vernetzten Autos speichern jede Menge Daten, vom Fahrverhalten über die gefahrenen Routen bis hin zum digitalen Adressbuch des verbundenen Smartphones. Wer sein Auto weitergibt, sollte vorher also Tabula rasa machen.

Der vielleicht interessanteste Hinweis in der Bedienungsanleitung ist daher der zum Löschen des Fahrerprofils. Nach dem Eingeben des Löschbefehls solle man das Fahrzeug ausschalten. Und dann warten. Bis alle Daten getilgt seien, könne es eine Zeit lang dauern.

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