Praxistest: Alfa Romeo 159 1.9 JTS:Schwache Schönheit

Das Design ist meisterlich. Was unter der Haube des 1.9 JTS schlummert, weckt dagegen wenig Begeisterung.

Von Jürgen Wolff

Zu Alfa Romeo hat man entweder ein besonderes Verhältnis. Oder gar keines. Ich gehöre zur ersten Gruppe. Tief hinten im Gehörgang schlummert noch der Klang der legendären Giulia.

Praxistest: Alfa Romeo 159 1.9 JTS: Eine imposante Erscheinung: der Alfa Romeo 159 1.9 JTS

Eine imposante Erscheinung: der Alfa Romeo 159 1.9 JTS

(Foto: Foto: Pressinform)

Und deren wunderbare Formen haben sich unauslöschlich irgendwo tief im Sehzentrum eingebrannt.

Gerne erinnere ich mich noch an die Kollegin, die sich von ihrem ersten Gehalt eine fast 25 Jahre alte Giulia kaufte.

Kurz: Alfa hat mächtig viel Vorschuss an Sympathie. Und mit dem "kleinen" 159 einen Teil davon leider auch verspielt.

Wunderschön, atemberaubend - das ist der Alfa auch als 159er. Aber Sound hat sein Motor genauso wenig wie Charakter oder italienische Leichtigkeit. Zumindest beim 1.9 JTS, den die Italiener als Einstiegs-Benziner in die 159er-Reihe anbieten.

Klassisches Design

Schwärmen wir aber noch ein wenig, bevor der Verriss beginnt. Das von Giorgetto Giugiaro verantwortete Design ist, ja, so, wie es nur Alfa kann. Und es der Name des Designers verspricht.

Der V-förmige Chrom-Kühlergrill ist so klassisch schön, dass er selbst deutsche Zulassungsbeamte dazu gebracht hat, das Kennzeichen bei allen Alfas nicht zentral (und verschandelnd), sondern links von der Mitte zu erlauben.

Darüber die schmalen Augenschlitze mit den jeweils drei pupillenartigen Rundscheinwerfern links und rechts. Alfa-Fans bekommen bei diesem Anblick weiche Knie. Dann die lang gestreckten, pfeilförmigen Flanken und das hohe Heck mit den mandelförmigen Rückleuchten, die das Motiv der Scheinwerferfront wieder aufnehmen.

Innen das Gleiche. Sportliches Flair. Geriffelte Aluminiumblenden, in die alle Rundinstrumente geschnitten sind. Edel wirkende Ledersitze, die dank ihrer Verstellbarkeit auch größeren Fahrern ausreichend Platz bieten.

Zumal auch das Lenkrad in Höhe und Tiefe verstellbar ist. Auch hinten gibt es genügend Platz - allerdings sind die Sitze dort nicht ganz so perfekt und bequem ausgeformt.

Die Bedienung ist weitgehend logisch, die Schalter und Anzeigeinstrumente fast alle übersichtlich angeordnet - wenn auch teilweise etwas schlecht abzulesen, da sie meist in tiefen Röhren liegen.

Kleine Schalter

Diskussionswürdig sind vor allem die eng nebeneinander stehenden Pedale, die beiden Hebel für Licht und Tempomat, die sich so nahe liegen, dass man unbeabsichtigt schon mal den falschen erwischt. Und die ebenfalls fummelig kleinen Fernbedientasten am Lenkrad selbst.

Suchen muss man auch nach den Schaltern für die Sitzheizung. Ablagen für Krimskrams sind Mangelware (Alfa selbst hat 14 Stück davon gezählt - wo auch immer), das Handschuhfach etwas arg klein. Verarbeitung und Materialien waren zumindest im Testwagen tadellos.

Schwache Schönheit

Wer schön unterwegs sein will, muss nun mal leiden. Das war bei Alfa immer schon so - und ist Teil des Charakters, nicht der Mängelliste. Die Türausschnitte beispielsweise sind aufgrund der schnittigen Karosserie nicht sonderlich hoch - das macht den Einstieg wenig komfortabel.

Und die gute Passform der Sitze wird mit hohen Seitenwangen erkauft, über die man seinen Hintern erst einmal wuchten muss. Der Laderaum geht zwar vom Volumen her mit 405 Litern in Ordnung. Aber die Luke, die der Kofferraumdeckel freigibt, ist reichlich schmal bemessen.

Und die Ladekante kräftezehrend hoch. Dass man sich an Schmuddeltagen die Finger beim Schließen der Klappe schmutzig macht, sei nur am Rande erwähnt - es fehlen schlicht Griffe.

Dürftige Akkustik

Unter der langen Haube werkelt beim 1.9 JTS ein Allerweltsmotor. Eigentlich eines Alfas unwürdig. Das fängt beim Sound an - er hat keinen. Nichts röhrt. Nichts brabbelt im Leerlauf vor sich hin. Nichts kündet akustisch von der italienischen Freude am Fahren.

Und genau so lustlos fährt er sich auch. Der Start-Knopf täuscht Sportlichkeit nur vor. Behäbig und widerwillig setzt sich der 1,9-Liter-159er in Bewegung. Bergfahrt ist Mühe - man kann das Gaspedal gar nicht so tief durchtreten, wie man es vom Gefühl her möchte. Und mediterrane Leichtigkeit beim Überholen fühlt sich anders an.

Bei niederen Drehzahlen kommt der Vierzylinder einfach nicht in die Puschen, bei hoher Drehzahl geht ihm schnell die Puste aus. Von den 118 kW/160 PS aus den 1859cm³ Hubraum merkt man wenig, ebenso wie von den 190 Nm maximalem Drehmoment, das bei 4500 U/min anliegt.

Für den Spurt aus dem Stand auf 100 km/h braucht er fast zehn Sekunden. Bei 212 km/h ist Schluss. Als Verbrauch gibt Alfa selbst 8,7 Liter Super auf 100 km an - da der müde Viertakter aber zum Gasfuß verführt, liegt der reale Verbrauch eher in der Gegend von zwölf Litern. Fazit: Mit dem "kleinen" Benziner ist der Alfa 159 schlicht untermotorisiert.

Dafür ist das Fahrwerk des frontgetriebenen Alfa 159 mit Doppellenker vorne und Mehrlenkeraufhängung hinten von der angenehm sportlichen Art. Straff abgestimmt, mit wenig Tendenz zur Seitenneigung. Man spürt im Hintern, wie die Beschaffenheit der Straße ist - ohne dabei durchgerüttelt zu werden.

Genaue Lenkung

Die Komfortreserven sind dabei aber auch noch groß genug, um selbst auf schlechteren Straßen angenehm unterwegs zu sein. Auch in schnell gefahrenen Kurven bleibt der fast 4,7 Meter lange 159 präzise und agil in der Spur. Zur Not greift die Elektronik regelnd ein.

Die Lenkung ist wie bei Alfa gewohnt sehr genau und reaktionsschnell, die Bremsen sind gut dosierbar und reagieren schnell und kraftvoll. Die Handschaltung war bei Alfa immer schon ein Genuss - auch hier klacken die Gänge nach kurzen Wegen präzise ein. Die Abstufung der sechs Gänge passt so gut, wie es bei diesem kraftlosen Motor nun mal möglich ist.

Mit einem Einstiegspreis von 26.700 Euro ist der Alfa 159 1.9 JTS durchaus angemessen bezahlt. Und wahre Alfisti lassen sich ohnehin durch nichts vom Kauf abhalten. Sie werden aber mehr Spaß an ihrem schönen Italiener haben, wenn sie 1400 Euro mehr investieren und gleich den 185 PS starken 2,2-Liter Benziner ordern.

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