Porsche und der VW-Konzern:Zukunft aus dem Baukasten

Der Sportwagenbauer Porsche steht als VW-Konzernmarke vor einer spannenden Entwicklung - und vor der Frage: Kooperation oder Konfrontation?

Georg Kacher

Noch ist Porsche offiziell nicht Teil von Europas größtem Automobilkonzern, doch der Integrationsprozess läuft bereits auf vollen Touren, frei nach dem Motto "neue Besen kehren gut".

Der neue Vorstandsvorsitzende Matthias Müller ist ein VW-Audi-Eigengewächs, der neue Entwicklungsvorstand Wolfgang Hatz war zuvor in Wolfsburg Leiter der Motorenentwicklung für alle Marken und der neue Einkaufschef Uwe-Karsten Städter kümmerte sich bei Volkswagen um die Konzernbeschaffung Elektrik/Elektronik.

VW und Porsche haben als Team ja ohnehin eine lange Historie - wir erinnern uns an Ferdinand Piëchs zweisitzigen so genannten Volks-Porsche 914, den einst für VW im Lohnauftrag entwickelten 924 mit Vierzylindermotor, die heutigen Schwestermodelle Cayenne und Touareg, sowie die nach Hannover zur Nutzfahrzeugsparte ausgegliederte Panamera-Rohbaufertigung.

Porsche hat den Audi RS2 Avant entwickelt und die Motoren des Seat Ibiza I, doch die heiße Phase der Annäherung begann erst 2002 mit der SUV-Kooperation, die VW den Touareg und Audi den Q7 bescherte.

Ex-Chef Wendelin Wiedeking, der zumindest bis 2009 mit Zahlen besser umgehen konnte als mit Produkten, war ein großer Freund von Synergieeffekten. Die Entwicklungskosten des Panamera wollten die Schwaben deshalb ursprünglich auf ein nie realisiertes VW-Derivat abwälzen und der kleine Einstiegs-Porsche wäre damals nur dann ein Thema gewesen, wenn Wolfsburg die Zeche gezahlt hätte.

Kooperation oder Konfrontation?

Auch die neue Führung sucht im Spannungsfeld aus Kooperation und Konfrontation nach Kostenspareffekten als gesunde Basis für die nächste Produktoffensive. Kooperation, weil der früher im Konzern für die strategische Produktplanung zuständige Matthias Müller mit den Befindlichkeiten aller Marken bestens vertraut ist. Konfrontation, weil die Systemführerschaft für den komplexesten der drei großen Modulbaukästen, auf denen die künftigen Modelle beruhen, neu ausgelobt wird.

Damit ergibt sich fast zwangsweise eine Polarisierung zwischen Audi und Porsche, den zwei führenden Premiumanbietern im VW-Konzern. In direkter Konsequenz geht es dabei auch um Bentley und Lamborghini, die sich an eine starke Schulter anlehnen müssen, um den steigenden Kostendruck abzufedern.

Der Zeitplan spielt bei der Verzahnung zwischen Porsche und dem Konzern eine wichtige Rolle. Die neuen Sportwagen sind beispielsweise fast fertig: Noch in diesem Jahr startet der Nachfolger des 911 (Code 991), 2012 folgt die zweite Generation von Boxster und Cayman (Code 981).

Mit diesen drei Modellreihen beginnt die Karriere einer neuen Fahrzeugarchitektur, die langfristig viel mehr können muss, als knackige Zweisitzer mit überdurchschnittlichen Fahrleistungen. Schließlich geht es unter dem Strich um einen ungeahnt komplexen Sportwagen-Baukasten, der vom knallhart kalkulierten künftigen Vierzylinder-Roadster bis zum Supercoupé mit V12-Motor eine bislang unerreichte Bandbreite abdecken soll.

Wunschdenken oder strategische Meisterleistung? Es ist noch zu früh, um diese Frage zu beantworten, denn als der Elfer auf Kiel gelegt wurde, war sein Gen-Reservoir noch für einen Ein-Marken-Höhenflug ausgelegt. Aber dabei bleibt es nicht. Im Gegenteil: VW und Audi müssen mit ins Boot, Bentley und Lamborghini brauchen verlässliche Partner, höchstens Bugatti darf mit seinen superteuren W16-Boliden bis auf Weiteres noch außen vor bleiben.

Ein Technikbaukasten als Allheilmittel?

Als Porsche Anfang 2010 versuchte, mit einem Modularen Standardantrieb-Baukasten (MSB) eine gemeinsame Basis für drei verschiedene Fahrzeugklassen zu schaffen, schepperte es im Gebälk der Zuffenhausener Zentrale.

Vor allem Audi wollte sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen und die Nachfolger von Q7 und A8 sowie den projektierten A9 an die zehnte Konzernmarke in Zuffenhausen verlieren. Porsche-Chef Müller reagierte prompt, akzeptierte Ingolstadt als übergeordnete Instanz für sämtliche Crossovermodelle und war bereit, beim Aufbau seiner MSB-Matrix auf die Audi-Flaggschiffe A8/A9 zu verzichten.

Diese Zugeständnisse brachten freilich nur kurzzeitige Entspannung. Denn im Bereich der Sportwagen verfolgt die Porsche-Fraktion - wohl mit Rückendeckung von VW-Oberaufseher Piëch und Konzernchef Martin Winterkorn - den für die Marke unverzichtbaren Anspruch, die Ausprägung der modularen Architektur und die wesentlichen technischen Inhalte selbst zu bestimmen.

Das klingt logisch, denn sonst hätte sich der Volkswagen-Konzern bei Porsche gar nicht erst engagieren müssen. Doch für Audi paart sich dieses pragmatische Muss mit der bitteren Erkenntnis, dass irgendwann ein neuer R8, ein möglicher R5 und das komplette Lamborghini-Portfolio nicht mehr in Bayern, sondern in Baden-Württemberg definiert werden.

Trotz diverser Unstimmigkeiten macht die MSB-Allianz gute Fortschritte. So bekommt der Audi Q5, der eine Rekordrunde nach den anderen dreht, von 2013 an mit dem Porsche Cajun (Arbeitstitel für Cayenne Junior) einen stärker motorisierten Zwillingsbruder, den es mittelfristig auch als zweitüriges Coupé geben soll. Der nächste Q7, der von 2014 an dank Alu-Aufbau mindestens 250 Kilo leichter wird, reicht seine aufgefrischten Gene zwei Jahre später an den Porsche Cayenne III weiter.

Das Ringen um die Sportwagen-Kernkompetenz

Und auch der neue A8, der erst 2016 auf den Markt kommt, darf sich wie das geplante noble A9 Coupé/Cabrio im MLB (Modularer Längsbaukasten) bedienen, für dessen Ausprägung die Marke mit den vier Ringen zuständig ist. Porsche dürfte es relativ leicht fallen, die Softroader an die MLB-Allianz abzugeben, denn mit der Sportwagen-Kernkompetenz haben diese Autos ohnehin wenig zu tun.

In Sachen R8/Gallardo sind die Würfel für den Augenblick gefallen. Der neue Lamborghini kommt 2013 auf gleicher Alu-Basis wie die zweite Auflage des Audi R8, die allerdings erst 2015 startklar ist. Auch hier schützt das Timing vor frühen Verwerfungen.

Doch die werden sich einstellen, sobald die Eingliederung in das MSB-Raster einen Wechsel der Verantwortlichkeit in Aussicht stellt. Schon heute ist es daher für manchen VW-Manager nur noch eine Frage der Zeit, bis Lamborghini aus Ingolstadt aus- und bei Porsche einzieht.

Ähnliches steht Bentley bevor. Die Engländer könnten unter Regie des Ex-Porsche-Manns Wolfgang Dürheimer ihre Continental-Baureihe zwar auch mit dem A8/A9 zusammenspannen, aber nur MSB - und damit Porsche - bietet die freie Wahl zwischen Allrad- und Heckantrieb.

Besser noch: Dem Panamera II, der schon 2014 eine neue Chance erhalten könnte, soll in Form des Pajun (Panamera Junior) ein kleiner Bruder zur Seite gestellt werden, aus dem sich trefflich jener kompakte Bentley schmieden ließe, den man in Crewe bislang so beharrlich verhindert hat.

Ein Vierzylinder-Boxermotor kommt

In diese DNS passen auch der wiederbelebte Lamborghini Estoque, der Panamera-Nachfolger als Coupé und Cabrio, neue Bentley-Variationen wie ein Shooting Brake oder ein viertüriges Coupé sowie irgendwann einmal der Ersatz des Mulsanne.

Das Durchdeklinieren einer flexiblen Matrix funktioniert natürlich auch im Bereich der Sportwagen, wo der totgesagte Mittelmotor-Zweisitzer auf einer um zwei Jahre nach hinten versetzten Zeitschiene munter weiterlebt. Dieses Auto funktioniert nicht nur als Porsche 550, sondern auch als VW BlueSport und als Audi R5, der mit seinem bulligen Fünfzylinder ideal in die Lücke zwischen TT und R8 passen würde.

Weitere Mitglieder der MSB-Mittelmotor-Familie sind der spektakuläre 918 Spyder, der auf verwandter Basis aufgebaute Porsche V8-Hochleistungssportwagen und eines Tages der nächste Lamborghini Aventador. Die Modularität dieses Baukastens ermöglicht es, über Konstruktion und Materialverbund die Unterschiede zwischen Modellen und Marken deutlich herauszuarbeiten.

Das gleiche Ziel verfolgt Porsche mit den Motoren. Der Boxer kommt deshalb endlich auch als Vierzylinder und wird als Sechszylinder weiter optimiert, für V6 und V8 sind modular aufgebaute Nachfolger in Arbeit, Plug-in-Hybrid und leistungsstarke Diesel decken das alternative Antriebsszenario ab.

Bis 2020 schließlich müsste es mit dann sieben Baureihen gelingen, den Porsche-Absatz rasant hochzufahren. Und zwar nicht auf die von Martin Winterkorn in den Raum gestellten 150.000 Einheiten - 200.000 Autos und mehr sind dann wohl durchaus drin.

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