Porsche Carrera RSR:Tage des Donners

Ein Porsche Carrera RSR in den USA oder: nach fast 30 Jahren ein Rendezvous mit einem alten Freund.

Eckhard Schimpf

Die Nadel des Drehzahlmessers zittert bei 8000, der Sechszylinder im Heck brüllt kraftstrotzend wie eine Büffelherde. Magie der Mechanik, zumal, wenn der Sound so aufregend tönt wie bei diesem Porsche.

30 Stück gab's für Privatfahrer

Vor mehr als drei Jahrzehnten war der Carrera RSR einer der erfolgreichsten Rennsportwagen seiner Epoche. 1974 baute Porsche etwa 30 Exemplare für Privatfahrer. Ich war einer davon. 84 Rennen habe ich von 1974 bis 1978 im Carrera gefahren. Nun, an einem Sommertag im kalifornischen Laguna Seca, sitze ich wieder im Cockpit. Nicht in irgendeinem, sondern in meinem ehemaligen Jägermeister-Rennwagen von 1974. Heute ist er im Besitz von John Byrne, 65, aus Oakland/USA.

Es sind oft winzige Details, die aus einem Meer von Bildern herausglitzern, die jeder von uns in seinem Gedächtnis bewahrt. Hier ist es ein gelber Isolierbandstreifen auf dem Lenkrad. Genau dort, wo bei einer Uhr die Zwölf sitzt.

Die amerikanischen Restauratoren haben jedes Detail des alten Renngeräts zu erfahren versucht. Und so ist auch der gelbe Streifen wieder da. Er erinnert mich an jenen Tag, als ich im italienischen Bergrennen Trento-Bondone gegen eine Felswand knallte. Der Grund: Ich war in einer Spitzkehre zu früh aufs Gas gestiegen, obwohl die Vorderräder noch nicht wieder geradeaus zeigten. Das sollte mir nie wieder passieren. Seitdem hatte der Carrera eine gelbe Markierung am Lenkrad.

Auch der rechts am Getriebetunnel fixierte Alu-Bügel und die breite Fußstütze sind noch da. Ich ließ beides 1976 am Nürburgring anschrauben, um mich besser abstützen zu können; denn die Fliehkräfte auf der alten Nordschleife waren enorm. Es war übrigens jenes heiße 1000-Kilometer-Rennen, in dem ich zusammen mit Edgar Dören einen Sieg herausfahren konnte.

Tage des Donners

Hier steht er nun wie ein alter Freund: mein Jägermeister-Carrera mit seinem pausbäckigen Heck. Daneben der Vasek-Pollak-Carrera, den einst George Follmer pilotierte. Ein paar Meter entfernt die ehemaligen Porsche von John Fitzpatrick, Bob Wollek und Hurley Haywood.

"It's your Car", ermuntert mich dröhnend der heutige Besitzer John Byrne. "Es ist dein Auto. Steig ein. Du kannst es fahren, wann immer du willst." Die Szene ist nicht frei von Sentimentalität, obwohl es nun schon mein drittes Treffen mit meinem RSR in Laguna Seca ist.

Über die Querverstrebung des Sicherheitskäfigs schlängele ich mich - mühsamer als früher - ins Cockpit. Alles ist merkwürdig vertraut. Nicht nur der Anblick von außen, auch das Gefühl innen. Das Lenkrad fasst sich griffig an wie einst, die Sitzschale passt, die Instrumente scheinen mir zuzublinzeln.

Wie selbstverständlich sich das Auto nach all der Zeit anfühlt

Und - wie erstaunlich - völlig verschüttet geglaubte Mechanismen kehren zurück: Die Hand führt die Gänge, als lägen nicht 30 Jahre zwischen heute und einem der letzten Starts, als ich in Hockenheim 1978 eingangs Motodrom nach einem schleichenden Plattfuß, von der Piste kreiselte. Das bullige Auto hat seinen Charakter nicht verändert: sympathisch, handlich, aber auch leicht unruhig beim Geradeauslauf mit Full Speed und mit nervösem Heck im Grenzbereich.

Der Carrera RSR von 1974 wog 950 Kilo, mobilisierte 300 PS aus drei Liter Hubraum und sechs Zylindern und lief (etwa in Le Mans) 280 km/h. Aber wie das so ist im Motorsport: Bald gab es von Kremer und Max Moritz Motoren mit 330 PS und später sogar mit 348 PS.

In der DRM (der Deutschen Rennsportmeisterschaft) war der RSR eine starke Waffe gegen BMW CSL und Ford Capri. In den WM-Langstreckenrennen balgten sich ganze Rudel von Carrera und beherrschten nicht nur die GT-Klassements, sondern fuhren auch in der Gesamtwertung immer wieder unter die ersten zehn - gegen reinrassige Rennwagen wie Alfa Tipo 33, Lola, Gulf-Mirage.

Wer damals in den Carreras saß? Spitzenleute wie Rolf Stommelen, Tim Schenken, John Fitzpatrick, Clemens Schickentanz, Helmut Kelleners, Claude Haldi, Toni Fischhaber, Sepp Greger. Die Reihe ist lang. Subjektiv betrachtet waren es der Franzose Bob Wollek und der Münchner Reinhardt Stenzel die schnellsten auf diesen Heckmotor-Geräten.

Tage des Donners

Wie sich die Zeiten ändern: Heute sind Rennwagen nach einer Saison altes Eisen. Damals fuhr solch ein GT-Carrera sechs, acht Jahre. Natürlich wurden derartige Schlachtrösser gelegentlich zerbeult, aber auch permanent weiterentwickelt. Mein Carrera lief 1974, 1975, 1976 äußerlich unverändert.

1977 ließ ich den RSR auf Imsa-Spezifikationen umbauen, weil ich in den USA starten wollte. Ein mächtiger Flügel thronte nun auf dem Heck. Für 1978 wurde noch eine flache 935-Schnauze installiert und das Wagengewicht durch Kunststoffteile auf 870 Kilo abgestrippt. Bei 350 PS war das ein echter Kraftprotz speziell für Bergrennen, aber auf der Rundstrecke inzwischen chancenlos gegen den neuen Porsche 935 Turbo.

Der Preis heute: 500.000 Dollar

Anfang 1979 wurde der treue Carrera mit der Fahrgestellnummer 911 460 9073 an Erich Schiebler verkauft. Der Münchner fuhr zwei Jahre damit und gab dann den inzwischen weiß lackierten Wagen an Helmut Greiner ab, einen Rennfahrer in Hongkong. Der siegte mit diesem Porsche in Macau und pfefferte ihn aber auf dem gleichen Stadtkurs ein Jahr später derb in die Leitplanken.

Daraufhin holte sich 1984 der Amerikaner John Byrne das RSR-Wrack nach Kalifornien und trimmte es wieder rennfit. Nach ein paar Jahren hatte der neue Besitzer eine gute Idee: Er ließ den Carrera in den Originalzustand zurückbauen. Nun steht der orangefarbene RSR wieder genauso da, wie er im März 1974 vom Werk für 78.000 Mark ausgeliefert worden ist.

Exakt so rollte er von 1974 bis 1976 an den Start: in der gleichen Motorisierung und in der gleichen Jägermeister-Lackierung. John Byrne, ein ehemaliger Chemiker, fährt nun schon seit Jahren historische Rennen damit. Allmählich ist Byrne ein wenig rennmüde. "Wenn ich diesen Carrera mal verkaufe, dann nur an dich." Leicht gesagt: Woher nehme ich die 500.000 Dollar, die diese echten RSR-Werksrenner heute kosten?

Der Autor ist Verfasser des Buches "Jägermeister Racing 1972 bis 2000", das jetzt bei Delius-Klasing erschienen ist und 29,90 Euro kostet.

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