Porsche 911 Cabrio im Fahrbericht:Der beste Elfer, den es je gab

Das neue Porsche 911 Carrera S Cabrio.

Ob auf festem Untergrund oder im Schnee: Eine kurvenreiche Bergstraße macht im Porsche 911 besonders viel Spaß.

(Foto: Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG)

Im offenen Porsche 911 auf 3000 Meter Höhe: Es gibt kaum eine schönere Art, den Winter zu verabschieden.

Test von Jörg Reichle

Offen fahren ist eine Offenbarung. Menschen, die Autos ohne Dach überm Kopf schätzen, wissen das. Und Motorradfahrer natürlich. Aber das ist ja wieder eine ganz andere Geschichte. Wir lieben eben dieses Gefühl: vier Räder, der Himmel in Sicht, Natur in der Nase, Wind im Genick und Motorenklang im Ohr.

Natürlich sind Offenfahrer auch ein ganz klein bisschen harte Kerle, es sei denn, sie missbrauchten ihr Vehikel bloß zum Schaulaufen in Sun City - als geschniegelte Warmwetter-Cabrioten mit diesem Sieht-mich-auch-jede(r)-Blick. Die Hartgesottenen jedenfalls pfeifen auf die Sonnenprognose fürs Wochenende. Mütze auf, Schal um den Hals, Dach runter. Und dem Winter hinterher.

Was gar nicht so einfach war in diesem Jahr. Fast wäre unser Vorhaben, die angeblich weiße Jahreszeit gebührend zu verabschieden, am Ende gescheitert. Kaum schneebedeckte Straßen selbst im Hochgebirge, und wenn, dann nur für ein paar Tage. Und die meisten Pässe ohnehin gesperrt zu dieser Jahreszeit. Termine? Ständig umgeschmissen, der Fotograf nervös, der Fahrer ungeduldig. Nur das Auto blieb gelassen. Vermutlich, weil das seiner Art entspricht. Ist schließlich keine große Sache für einen offenen Porsche Carrera S, so eine Tour in die Alpen.

Der Motor ist auch für Dreitausender gerüstet

Dafür spricht schon die Papierform. 420 PS bei 6000 Umdrehungen liefert der inzwischen nur noch drei Liter große Sechszylinder, zwangsbeatmet von zwei Turboladern mit geänderten Verdichtern, geschärft von einer speziell abgestimmten Motorsteuerung und perfektioniert von einer neuen Abgasanlage. Damit sollten sich auch Dreitausender anstandslos bewältigen lassen.

Genervt zwischen Schneemangel und dem nahenden Frühling fiel unsere Streckenwahl am Ende auf die Kaunertaler Gletscherstraße in Tirol, die sich vom kleinen Dörflein Feichten aus vorbei an Gepatschhaus (1928 Meter) und Ochsenalm (2150 Meter) bis zum Restaurant am Fuß des Gletschers auf 2750 Meter Höhe windet. Schneebedeckt, serpetinenbestückt, fahrerisch eine Herausforderung.

Und schon auf dem Weg dorthin wird klar, was man hier am allerwenigsten braucht: Höchstleistung. Die Route über Füssen, den Fernpass ins Österreichische hinein, dann über Landeck weiter in Richtung Reschenpass lässt nicht mehr zu als Bummeltempo. 308 km/h schafft der Carrera S, sagen die Daten, wir brauchen nicht mal ein Drittel davon. Und dass er in 3,9 Sekunden von null auf 100 km/h erreicht? Geschenkt.

Fahrgenuss geht auch langsam

Der Porsche ist gelangweilt und offenbart doch eine seiner stärksten Seiten: Nie konnte er schöner langsam fahren. Kein Aufmucken des Doppelkupplungsgetriebes, die Lenkung ruhig und präzise, kein nervöses Getue, stattdessen zufrieden-sonorer Wohlklang des Dreiliter-Boxers, untermalt vom Rauschen des Fahrtwinds. Und der Bordcomputer signalisiert nicht mal acht Liter Verbrauch.

Auch das ist ja das Schöne am Offenfahren: Fahrgenuss geht auch langsam. Zeit jedenfalls, sich dem neuesten Carrera zu widmen. Schöner ist er geworden, vor allem das Cabrio. Die schärfere Linienführung am Heck hat ihm den bislang störenden Buckel genommen und drinnen ist das Infotainment endlich auf der Höhe der Zeit angekommen. Allerdings behält der Elfer auch Schwächen. Zu wenige Ablagen zum Beispiel, da bringt einen schon ein zweites iPhone in Verlegenheit. Oder den zu kleinen Tank, der einen, wenn's mal flott vorangeht, schon nach 200, 250 Kilometern wieder zum Nachfüllen zwingt.

Gefühlt herrschen hundert Grad unter Null

An der Mautstelle der Gletscherstraße ist alles vergessen. Von hier an schraubt sich der schrundige Asphalt, kaum mehr als wagenbreit, Kilometer um Kilometer nach oben. Und in eisige Kälte. Gefühlt herrschen hier hundert Grad unter null. Also Kragen hoch, die Mütze ins Gesicht und die dicken Handschuhe übergestreift, dazu die Sitzheizung auf volle Kraft und das Klima auf Glühtemperatur. Der Rest ist purer Genuss. Das nochmals verbesserte Fahrwerk beherrscht den Spagat zwischen Federverhalten und sportlicher Präzision perfekt, der Aufbau hält mustergültig still und die Hinterachslenkung macht den Elfer wendig wie einen Kleinwagen. Mit einem kleinen Gaspedal-Schlenzer gehen die Kehren in sauberem Drift. Eine wie die andere. Die reine Lust.

Am Ende der Straße, am Fuß des Gletschers, im Blick die Dreitausender von Weissseespitze, Weisskugel und Karlesspitze, in der Ferne Ortler und Piz Palü, ist klar: Der neueste Carrera ist der Sportwagen, der sich dem real existierenden Verkehr perfekt angepasst hat. Der beste Elfer, den es je gab. Was man von diesem Winter nicht behaupten kann. Gut, dass er vorbei ist.

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