Pick-ups im Vergleich:Nutzfahrzeug gegen Lifestyle-Laster

Pick-ups machen sich in Europa breit. Sogar Mercedes bietet jetzt einen an. Kann er mit dem Ford Ranger mithalten? Ein Test.

Von Thomas Harloff

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Pick-up-Vergleich: Mercedes X-Klasse vs. Ford Ranger

Quelle: SZ

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Felix braucht viel Geduld und Geschick, bis er sein Sportgerät endlich im Fiat 500 verstaut hat. Er ist einer jener Menschen, die gerne auf Münchens Eisbach-Welle surfen. Bevor jemand fragt, wer so ein Auto wie die hier verglichenen Pick-ups braucht, sollte mit Felix reden. Als Felix die Mercedes X-Klasse erblickt, glänzen seine Augen. So einen Pick-up, den hätte er schon gerne, deutlich lieber jedenfalls als seinen italienischen Kleinwagen. Denn auf der Ladefläche wäre das Surfbrett schnell verstaut.

Ford Ranger Heck Seite Standbild

Quelle: Daimler AG und Ford-Werke GmbH

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Pick-ups kennen die meisten aus Nordamerika. Mittlerweils machen sie sich überall breit in der Autolandschaft. Sogar in Europa ist der Trend zum Pick-up zu spüren. Ford bietet den Ranger schon lange in Deutschland an, Mercedes ist mit seiner X-Klasse der Newcomer im Ladeflächensegment. Was zur Frage führt: Baut Mercedes, die Hightech-Marke, aus dem Stand den besseren Lademeister als der US-Hersteller mit jahrzehntelanger Pick-up-Tradition?

Mercedes X-Klasse Heck Seite Standbild

Quelle: Daimler AG

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Mercedes mag mag ein Neuling in dieser Klasse sein, startet aber ohne großes Risiko in sein Pick-up-Abenteuer. Praktischerweise kooperiert Daimler mit dem Renault-Nissan-Konzern, in dessen Portfolio sich der seit mehr als 30 Jahren gebaute Nissan Navara befindet. Oberflächlich betrachtet, reichen kleine Anpassungen, um aus ihm die X-Klasse zu machen: Andere Leuchten, etwas Chrom, natürlich je ein Stern an Front und Heck, viel mehr bedurfte es nicht für die äußerliche Transformation vom Nissan zum Mercedes.

Ford Ranger Heck Seite Standbild

Quelle: Daimler AG und Ford-Werke GmbH

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Wer dem Ford gegenübertritt, mit seinen grobstolligen Reifen und der weit nach oben ragenden Karosserie, überprüft lieber doppelt, ob er vielleicht doch einen Lkw-Führerschein benötigt. Aber so bedrohlich er mit seinen 5,30 Meter Länge und seiner Höhe von bis zu 1,84 Meter wirkt, so beschwerlich die Kletterei hinters Lenkrad manchmal ist, Klasse B reicht aus, um den 2,2-Tonner regelgerecht über europäische Straßen zu bewegen. Der X 250 d macht einen zierlicheren Eindruck, dabei ist er nur zwei Zentimeter niedriger und sogar vier Zentimeter länger als der Ford.

Ford Ranger Innenraum Interieur Cockpit

Quelle: Daimler AG und Ford-Werke GmbH

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Ein dezenter Hang zum Grobschlächtigen hilft schon, um sich mit dem Ranger anzufreunden. Gar nicht mal wegen des Innenraumambientes. Natürlich verwendet Ford vorrangig Kunststoff, aber der ist gut verarbeitet und die Materialien sind ordentlich. Das Touchscreen-Infotainmentsystem gibt keine Rätsel auf. Auch sonst gibt es nur wenige Bedienschwächen. Allerdings gehört die Spiegelverstellung nun wirklich nicht hinter das Lenkrad und dieses sollte sich nicht nur in der Höhe, sondern auch in der Länge justieren lassen.

Ford Ranger Front Seite Fahrbild

Quelle: Daimler AG und Ford-Werke GmbH

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Nutzfahrzeug-Charme entfaltet der Ford beim Fahren. Der Motor nagelt beim Starten wie ein Diesel der ganz alten Schule, wobei das Phänomen abnimmt, je näher er seiner optimalen Betriebstemperatur kommt. Der Vierzylinder-Turbo bündelt seine Kraft im niedrigen Drehzahlbereich und verliert schnell die Kondition, je weiter sich die Drehzahlmessernadel über das Skalenblatt bewegt. Wer in der Stadt und über Land spritzig unterwegs sein möchte, muss viel schalten. Man greift oft zum langen Schalthebel mit dickem Knauf, um weite Wege durch die Schaltgassen zu absolvieren. Aber so mühsam, um je nach Ausstattungsvariante 1500 oder 1800 Euro für eine Sechsgang-Automatik zu zahlen, ist diese Arbeit auch wieder nicht.

Mercedes X-Klasse Front Seite Fahrbild

Quelle: Daimler AG

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Nach dem Umstieg in den Mercedes zeigt sich, welchen Komfortgewinn ein Schaltautomat bringt. Das optionale Sieben-Gang-Getriebe, das es derzeit nur in Verbindung mit dem Sonder- und Topmodell Power Edition gibt, harmoniert gut mit dem 190 PS und 450 Newtonmeter starken, von Nissan stammenden 2,3-Liter-Diesel. Der ist nicht nur kräftiger als das Ford-Triebwerk mit 160 PS und 385 Newtonmetern, sondern auch etwas leiser und drehfreudiger. Damit ist die X-Klasse absolut autobahntauglich und bewegt sich mit 150 km/h souverän vorwärts. Im Ranger fühlt sich dieses Tempo zäh an, bereits bei 130 km/h merkt man, wie der 2,2-Liter-Vierzylinder gegen den Windwiderstand und das Fahrzeuggewicht kämpft. Dafür ist er sparsamer als der Mercedes. Er verbraucht auf 100 Kilometern 8,4 Liter und damit 1,3 weniger als der X 250 d.

Mercedes X-Klasse Front Seite Fahrbild Slalom

Quelle: Daimler AG

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Einen fortwährenden Kampf führt der Ford gegen Schlaglöcher. Er ist zwar nicht so unbequem, wie es seine martialische Erscheinung vermuten lässt. Dennoch verwindet sich die Karosserie auf unebenen Straßen immer wieder derart heftig, dass die Passagiere in ihren Sitzen auf und ab hüpfen. Solche Unzulänglichkeiten sind dem Mercedes fremd. Dass die schwäbischen Ingenieure Feinschliff am Navara-Fahrwerk betrieben haben, ist sowohl auf Schlaglochpisten als auch auf toll ausgebauten Landstraßen zu spüren. Die X-Klasse lenkt präziser und fährt stabiler als der Ranger. Sie neigt sich in Kurven weniger und ist damit sowohl dynamischer als auch sicherer unterwegs.

Mercedes X-Klasse Innenraum Interieur Cockpit

Quelle: Daimler AG

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Wer von seinem Pick-up eine Pkw-Anmutung erwartet, fühlt sich im Mercedes ohnehin wohler. Im Interieur deutet kaum etwas auf die japanische Abstammung hin, höchstens der klobige Automatik-Wählhebel im Hartplastik-Bett. Stattdessen gibt es echtes Leder für die Sitze und künstliches am Armaturenbrett, dazu ein Infotainmentsystem mit freistehendem zentralen Bildschirm. Das konfrontiert den Fahrer mit viel weniger Funktionen als andere Mercedes-Modelle, bietet aber die bekannte Grafik und lässt sich nach Art des Hauses per Dreh-Rückstellknopf auf dem Mitteltunnel kommandieren.

Die ausschließlich mit viertüriger Doppelkabine erhältliche X-Klasse bietet Platz genug für vier Erwachsene. Nicht so der Ranger, der in seiner Extrakabine im Fond lediglich Notsitze bereithält. Zwei richtige Rücksitze hat die ebenfalls erhältliche Variante mit Doppelkabine, obendrein ist der Ford-Pick-up mit Einzelkabine erhältlich.

Ford Ranger Bildschirm Monitor Infotainment Rückfahrkamera

Quelle: Rob Till Photographic; Daimler AG und Ford-Werke GmbH

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Menschen, die ihr Auto vorrangig nach Sicherheitsaspekten auswählen, sollten um die Pick-up-Klasse einen Bogen machen. Sowohl Ford als auch Mercedes knausern bei den Assistenzsystemen. Es müssen ja nicht gleich Stauassistenten oder halbautonome Funktionen sein. Aber die bei so großen, höhergelegten Autos sehr hilfreichen Totwinkelwarner zum Beispiel vermisst man hier wie dort. Die X-Klasse hat immerhin einen Notbremsassistenten serienmäßig an Bord. Der fehlt dem Ranger selbst im knapp 1000 Euro teuren Assistenzpaket, das um einen Abstandsregeltempomaten einige Sicherheitsfunktionen gruppiert.

Mercedes X-Klasse Heck Seite Standbild Quad Ladefläche

Quelle: Daimler AG

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Der Mangel fällt beim Mercedes schwerer ins Gewicht. Die Marke orientiert sich schließlich an ganz anderen Ansprüchen als Ford und bietet den ersten Pick-up ihrer Geschichte zu deutlich teureren Preisen an. Egal wie man mit Antriebsvarianten und Ausstattungsdetails jongliert, die X-Klasse ist stets zwischen 4000 und 6000 Euro teurer als der Ranger. Interessenten stehen damit vor einer schwierigen Entscheidung: Lieber das komfortablere, fahraktivere und hochwertigere Auto wählen oder den Ford und noch ein bis zwei Sportgeräte zusätzlich kaufen? Die Ladefläche muss schließlich mit irgendetwas gefüllt werden - für den Alltag eines normalen Autofahrers ergibt so ein großer, unhandlicher Pick-up nämlich nicht den geringsten Sinn.

Technische Daten Mercedes X 250 d 4Matic:

R4-Dieselmotor mit 2,3 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 140 kW (190 PS); max. Drehmoment: 450 Nm bei 1500 - 2500/min; Leergewicht: 2234 kg; Ladefläche: 2,48 m²; Zuladung: 1016 kg; 0 - 100 km/h: 11,8 s; Vmax: 176 km/h; Testverbrauch: 9,7 l / 100 km (lt. Werk: 7,9; CO₂-Ausstoß: 207 g/km); Euro 6; Grundpreis: 40 115 Euro (47 190 Euro mit Automatik; Testwagenpreis: 49 707 Euro)

Technische Daten Ford Ranger 2,2-l TDCI 4x4 Limited mit Extrakabine:

R4-Dieselmotor mit 2,2 Litern Hubraum und Turboaufladung; Leistung 118 kW (160 PS); max. Drehmoment: 385 Nm bei 1500 - 2500/min; Leergewicht: 2133 - 2196 kg; Ladefläche: zwischen 2,10 und 2,88 m²; Zuladung: 1074 - 1137 kg; 0 - 100 km/h: 11,8 s; Vmax: 175 km/h; Testverbrauch: 8,4 l / 100 km (lt. Werk: 7,0; CO₂-Ausstoß: 184 g/km); Euro 6; Grundpreis: 40 591 Euro (Testwagenpreis: 46 418 Euro)

Die Testfahrzeuge wurden von den Herstellern zur Verfügung gestellt.

© SZ.de/harl/reek/rus
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