Piaggio SKR 125:Mit dem Gute-Laune-Schalter

In der Stadt macht das 14 PS starke Gefährt wirklich Spaß

(SZ vom 28.05.1994) Es bleibt uns auch nach längerem Nachdenken nichts anderes übrig, als diesen Fahrbericht mit heftiger Kritik zu beginnen: Wie kann man ein Stadt- und Spaßfahrzeug nur so nüchtern SKR 125 nennen. Da soll Freude aufkommen? Es bleibt uns nach zweiwöchiger intensiver Beschäftigung mit dem neuesten Produkt der Roller-Traditionsfirma Piaggio (stellt die Vespa her) freilich auch nichts anderes übrig als einzugestehen, daß es sich bei dieser Kritik um (fast) die einzige uns mögliche handelt. Denn das flotte Ding hat nur eine Schwäche - es verbraucht zuviel -, aber dafür ganz offensichtlich ein sonst nicht mal gegen hohe Aufpreise erhältliches Sonderzubehör serienmäßig eingebaut: den 'Gute-Laune-Schalter'. Noch jeder, der während des Testzeitraumes von diesem Roller stieg, tat dies mit breitem, zufriedenem Grinsen . . .

Der SKR 125 von Piaggio ist einer der modernsten Vertreter seiner Gattung: Er weist alles auf, was momentan up to date ist: Automatikgetriebe, Elektrostarter, Getrenntschmierung, Scheibenbremse vorne. So nüchtern die Typenbezeichnung ist, so spaßig ist der Umgang mit dem 125er-Roller für diejenigen, die im Besitz eines Motorradführerscheins sind: Draufsetzen, anlassen, Gas geben - up and away! Der SKR zieht nach einer von der Fliehkraftkupplung verursachten Gedenksekunde an der Ampel davon, daß sich selbst engagierte GTI-Treiber wundern. Bei Bedarf verzögert der SKR ähnlich vehement: Die Bremsen, von zwei Handhebeln bedient, greifen wirksam und leichtgängig.

Zwischen Tempo Null und 100 löst die Automatik dank der Leistung von 14 PS jedes Problem, der Kaltstart des Einzylinder-Zweitaktmotors funktioniert tadellos (auf den ersten fünfhundert Metern ruckelt der Motor aber ein wenig), der Fahrbetrieb geht genauso vonstatten wie das Aufbocken, nämlich kinderleicht. Eine häufige Affäre ist leider das Tanken: Alle 100 Kilometer sind fünf Liter Super bleifrei fällig, wenn man das SKR-Potential nutzt; auf 'Sparflamme' verbrennt man gut vier Liter - in beiden Fällen zuviel. Ansonsten gelegentlich Öl nachfüllen, den Luftdruck prüfen - das wär's. Das Fahrwerk macht seine Sache gut, auch bei Besetzung mit zwei Personen. Die Sitzbank hält genügend Platz bereit.

Die Ausstattung des SKR ist vollständig: Es gibt genügend Kontrolleuchten, ein Helmablagefach unterm Sitz und ein abschließbares Fach in der Frontverkleidung, Lenk- und Zündschloß sind kombiniert. Selbst der Scheinwerfer verstrahlt Halogenlicht. Auch ein zusätzlicher Kickstarter ist vorhanden. Im praktischen Betrieb fällt nur negativ auf, daß die Spiegel ziemlich viel Oberarm abbilden.

Das geringe Gewicht von 105 Kilogramm macht den SKR immens handlich: Wer flugs reagiert, ist in städtischen Regionen unschlagbar schnell unterwegs. Und schmal ist so ein Roller ja glücklicherweise auch - was sich in Stausituationen auszahlt. Die Ansprüche an einen Parkplatz sind denkbar bescheiden. Wenn man ein Topcase auf dem Gepäckträger montiert, ist genügend Stauraum für (fast) alle städtischen und regionalen Transportaufgaben gegeben. Abgesehen von den unmäßigen Trinksitten kann Einwände gegen ein Vehikel dieser Art eigentlich nur noch erheben, wer die öffentlichen Verkehrsmittel aus grundsätzlichen Überlegungen über alles andere stellt. Und weil Steuer und Versicherung nicht ins Gewicht fallen (Festkosten monatlich 15 Mark), ist mit dem Kaufpreis von 4650 Mark praktisch alles erledigt - und gute Laune fast schon garantiert.

Nur eines sollte man trotz der steten Gute-Laune-Dosis nicht: übermütig werden. Denn wir gestehen es: Das Ding macht so verflixt viel Spaß und läßt einen allfälligen Stau so gründlich vergessen, daß die im Verkehr gebotene Zurückhaltung immer wieder in Gefahr gerät.

Von Ulf Böhringer

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