Piaggio Ape Calessino:Süße Biene

Die Ape von Vespa prägt seit den fünfziger Jahren unser Bild vom italienischen Verkehr. Jetzt lebt die Calessino wieder auf.

Theo Koczik

Man kommt sich vor wie in einem nachcolorierten Fünfziger-Jahre-Film, mit Weißwandreifen, Holzboden, echten Leisten an den Seiten und strahlend blauem Himmel. Irgendwie würde man sich auch nicht wundern, wenn die jugendliche Sophia Loren ihre Hand galant aus dem Flitzer streckt, damit man ihr beim Aussteigen helfen kann. Sonnenverwöhnte Träume vom italienischen Dolce Vita gehören beim Ape-Sondermodell Calessino zur Serienausstattung.

Piaggio Ape Calessino: CiaoBella: die Ape Calessino mit charmanten zehn zu allem entschlossenen Diesel-PS.

CiaoBella: die Ape Calessino mit charmanten zehn zu allem entschlossenen Diesel-PS.

(Foto: Foto: Piaggio)

Eine dreirädrige Zeitmaschine

1948 produzierte Vespa das erste Dreirad namens Ape und begründete damit eine typisch italienische Erfolgsstory. Die fleißige Biene, so die Übersetzung, war als günstiger Kleinsttransporter für die vielen Familienunternehmen und Bauern in der Nachkriegszeit konzipiert. Ihr Erfolg war so durchschlagend, dass die Ape bis heute das germanische Bild vom Verkehr im Stiefel prägt.

Als Hommage an dieses einzigartige Gefährt legt der Piaggio-Konzern nun die Calessino auf. Damals wie heute passen hinter dem Fahrer drei Passagiere auf die weiße Ledersitzbank, dahinter gibt's sogar noch einen kleinen Kofferraum. Chromgriffe und -lampenringe veredeln die Calessino ebenso wie ihre Weißwandreifen, das abnehmbare Baumwoll-Cabriodach und die hemdsärmelige Innenausstattung. Dass sie Beckengurte hat, muss man wohl oder übel als Zugeständnis an heutige Sicherheitsnormen abhaken.

Beim Kommandostand erinnert alles an frühe Vespa-Roller: Statt an ein Lenkrad greift der Fahrer greift zu einem Lenker mit Viergang-Handschaltung und Dreh-Gasgriff. Die Rundinstrumente sind so übersichtlich wie die Ausstattung dürftig. Und um den Rückwärtsgang einlegen zu können, muss erst ein kleiner Hebel unter dem Lenker arretiert werden; dann erst kann der Schalthebel am Lenker sorgsam auf "R" gelegt werden. Überhaupt lassen sich Gangwechsel nur mit Ruhe, Nachdruck und manchmal sogar mit gutem Zureden erledigen, womit gleichzeitig der Charakter der Calessino hinreichend beschrieben ist.

Süße Biene

Zeit ist nicht alles im Leben. Angesichts einer Leistung von nicht einmal zehn PS bei einem stattlichen Gewicht von rund 615 Kilo hält sich die Dynamik verständlicherweise in engen Grenzen, unter Aufbietung aller Kräfte flitzt das Dreirad mit 56 km/h durch die City, auch wenn der Tacho knapp Siebzig erreicht. Ein bisschen Macho halt.

Dennoch hat antriebsseitig die Jetztzeit Einzug gehalten: Statt eines Jahrzehnte gewohnten knatternden Zweitakters sorgt nun ein kleiner flüssigkeitsgekühlter Dieselmotor für den gemächlichen Vortrieb. Analog zum Fahren gilt es auch bei jeder Startprozedur, die Ruhe zu bewahren, denn der Selbstzünder genehmigt sich - und der Besatzung - vor dem Anlassen stets eine längere Vorglühphase. Zum Anfahren braucht's dann etwas Drehzahl, damit der weiß-blaue Hingucker in die Puschen kommt. Danach ist alles himmelblau: Das Motörchen turnt laufruhig und vibrationsarm durch das das breite Drehzahlband.

Angenehm klein fällt der Wendekreis aus, man merkt der Calessino an, dass sie in engen Altstadtgässchen aufgewachsen ist. Im Gegenzug pariert sie Lenkbefehle eher nonchalant, bisweilen sogar kapriziös - in schnell gefahrenen Kurven tendiert das mit hohem Schwerpunkt geschlagene Dreirad tückisch zum Straßenrand hin. Dafür bremst die Vespa wie ein Straßenköter vorm Mülleimer: Der Tritt aufs Fußpedal aktiviert alle drei Trommelbremsen gleichzeitig.

Eilige Piloten kuriert die Calessino ohnehin schnell. Tempo, Hektik und Betriebsamkeit sind nicht ihr Ding, Zeitgeister erst recht nicht. Südländische Heiterkeit macht sich breit, wo immer sie auftaucht. Kinder winken, Große staunen. Autofahrer verlangsamen ihr Tempo, um einen Blick zu erhaschen. Bei soviel Beachtung wäre es doch jammerschade, wenn man mit Höchsttempo einfach so vorbei rauschen würde.

Zumal der Calessino-Auftritt ein seltenes Vergnügen bleiben wird - weltweit werden nur 999 Stück zum Einzelpreis von 8999 Euro gefertigt. Wer bei der großen Verlosung der seltenen Exemplare leer ausgeht, oder wer sich den Traum in Blau und Weiß nur für ein paar Stunden gönnen möchte, kein Problem: Einige Besitzer und Piaggio-Händler bieten die Calessino auch zur Tagesmiete von zirka 150 Euro an - gar nicht so viel für eine Reise weit zurück ins Dolce Vita der Fünfziger Jahre.

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