Pedelecs und E-Bikes:Mit E-Motor in die Zukunft

Nur was für Senioren? Von wegen - Pedelecs könnten das sinnvollste urbane Verkehrsmittel der Zukunft werden. Eine Testfahrt.

Birgit Lutz-Temsch

Der Mountainbiker wundert sich. Unter vollem Einsatz seiner Muskelkraft strampelt er die städtische Anhöhe hinauf - als Erster von allen, die an der Ampel unten gestartet waren. Er tritt, als ginge es um sein Leben. Und dann überholt ihn eine Frau, die entspannt und aufrecht auf ihrem Rad sitzt und kein bisschen angestrengt ist. Sie tritt in einem ziemlich hohen Gang nur leicht in die Pedale und es scheint, als würde sie den Berg hinaufgezogen. Wie Zauberei.

Zauberei sind sie auch fast, die Pedelecs. Pedelecs - Pedal Electric Cycles - sind die Fahrräder, die die Muskelkraft beim Treten bei Bedarf durch einen kleinen Elektromotor unterstützen. Und diese Bikes sind mit Macht dabei, aus dem Image des Rads für Senioren kurz vor dem Umstieg auf den Rollator herauszurollen - erstens, weil es sie mittlerweile auch in wesentlich schnittigeren Modellen gibt als noch vor einigen Jahren, und zweitens, weil man nicht einfach faul auf ihnen herumlungernd durch die Stadt summen kann, sondern sehr wohl treten muss. Denn ohne angemessenen Druck auf die Pedale springt der Elektromotor gar nicht erst an.

Die Pedelecs gehören damit zur Übergruppe der E-Bike genannten elektroangetriebenen Fahrräder - und als solche vereinen sie alle Vorteile des Radfahrens in sich. Der Radler bewegt sich an der Luft, verpestet selbige zwar sekundär durch die ursächliche Stromerzeugung, aber in wesentlich geringerem Umfang als mit Roller oder Auto. Man kann entspannt auf Radwegen an den im Stau wartenden Autos vorbeiziehen, braucht keinen Parkplatz und ist auf fast allen Stadtstrecken wesentlich schneller als mit dem Auto oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und das alles, ohne zu schwitzen.

Dementsprechend wenden sich die Hersteller der Elektroräder längst nicht mehr nur an Senioren, denen langsam die Puste ausgeht. In den Fokus der Industrie sind die urbanen Arbeitnehmer gerückt, die es satthaben, im Stau zu stehen oder sich nach Busabfahrtszeiten zu richten, und die trotzdem einigermaßen gepflegt an ihrem Arbeitsplatz ankommen wollen. Zu der wachsenden Zielgruppe gehören auch Eltern, die man morgens und abends in Städten beobachten kann, wenn sie ihren Nachwuchs mit Anhängern in die Kindertagesstätten bringen oder wieder abholen.

Fahren und gefahren werden

Im Mutterland des Radfahrens, den Niederlanden, hat man diese Vorteile schon länger erkannt, obwohl dort kaum jemand mit Steigungen zu kämpfen hat - schon jedes zehnte verkaufte Rad hat einen Elektroantrieb. In Deutschland bieten rund 20 Hersteller E-Bikes an; etwa 100.000 Exemplare wurden 2008 verkauft. Dabei gibt es eine ganze Reihe unterschiedlicher Modelle mit stark variierender Elektro-Power.

Die langsamen Pedelecs haben Motoren bis zu einer Leistung von 250 Watt. Bei dem von uns in der Praxis gefahrenen Kalkhoff Agattu (1799 Euro) reicht das, um beim ersten unvorbereiteten Antritt in der höchsten Stufe einen erstaunlich schwungvollen Satz nach vorne zu machen. Dieses Aha-Erlebnis wiederholt sich: Beim Fahren auf langen Geraden in der Stadt erreicht man mühelos Tempo 35 - und ist in Großstädten wie München damit endgültig schneller als jedes andere Verkehrsmittel am Ziel.

Nach spätestens fünf Kilometern versteht man nicht mehr, wie man diese Art Räder jemals als Luschen-Fortbewegungsmittel abtun konnte, denn: Man ist derart rasant unterwegs, dass man hochkonzentriert fahren muss. An Steigungen zieht man souverän an allen schnaufenden Radlern vorbei, die Ausfahrten aus Unterführungen verlangsamen die Fahrt nicht mehr und beim Anfahren an der Ampel erhöht sich der Herzschlag kein bisschen.

Unbegrenzt kann man die Geschwindigkeit allerdings nicht steigern: Der Motor steigt zum Beispiel aus, wenn man im siebten Gang schneller als 24 km/h fährt. Der Akku war im Test für etwa siebzig Kilometer gut; geladen wird er an einem Netzteil, das es auch als leichtes Reiseladegerät gibt.

Nur langsam macht's wirklich Spaß

Mit den schnellen Pedelecs ruft man dann mitunter schon Entsetzen bei Autofahrern hervor. Bei dem getesteten Kalkhoff Pro Connect (2199 Euro) unterstützt der Motor die Tretleistung bis zu einer Geschwindigkeit von 40 km/h; wer dazu kräftig in die Pedale tritt, wird noch um einiges schneller. Das klingt gut.

Es fühlt sich jedoch nicht mehr so an wie das gute Laune machende Gleiten des langsameren Modells, sondern eher bedrohlich. Denn wie holprig Fahrradwege und Straßen sind, stellt man erst fest, wenn man mit schmalen Radreifen über sie hinwegzischt und den Lenker dabei so fest halten muss, dass die Knöchel weiß werden. Der vorschriftsmäßige Rückspiegel bringt überhaupt nichts, weil er durch die Unebenheiten so vibriert, dass ohnehin nichts darin zu erkennen ist.

Vor allem aber: Viele Autofahrer unterschätzen den Radler eines schnellen E-Bikes, weil der sich in scheinbar entspannter Körperhaltung und ohne Helm nähert und dem deswegen auch nur ein verhaltenes Tempo zugedacht wird. Tatsächlich aber steht der Radler schon in der nächsten Sekunde vor der Kühlerhaube. Das Mofa-Nummernschild und der Rückspiegel ändern dabei wenig - für Autofahrer ist man schlicht ein Radfahrer.

Fazit: Die langsamen Pedelecs sind auf dem besten Weg, wegen ihrer Vorteile zu einem neuen umweltfreundlichen urbanen Verkehrsmittel zu werden. Für die schnellen Modelle sind bis jetzt aber weder Radwege noch andere Verkehrsteilnehmer bereit.

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