Oldtimertreffen Concorso d'Eleganza:Villa Kunterbunt

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Am Comer See versammeln sich alljährlich noble Karossen und illustre Auto-Sammler zum Wettbewerb. Eine Tradition, die bis ins Jahr 1929 zurückreicht.

Thomas Wirth

Seine Leidenschaft wiegt mehr als dreieinhalb Tonnen. Auch die Länge erreicht die Dimension eines Lastwagens, doch wenn der Wagen rollt, säuseln zwölf Zylinder sanft von reichlich sieben Liter Hubraum. J. W. Millegans Passion sprengt übliche Dimensionen. Abseits des Wagens sitzt er im Schatten eines Baumes. Der Aktienmakler aus Oregon trägt dezentes Grau, korrekt mit Weste und Krawatte. Am Auto liegen Faltblätter zum Mitnehmen bereit, die von der wechselhaften Geschichte seines Rolls-Royce Phantom III berichten, eines von nur 710 Exemplaren, das die englische Automobilmanufaktur zwischen 1935 und 1939 gefertigt hatte.

Den Mercedes SSK schickte Ralph Lauren ins Rennen. Im Hintergrund ist die Villa d'Este zu sehen. (Foto: Foto: Gudrun Muschalla)

Damals trug der Wagen eine Karosserie von Hooper, deren Format mühelos das eines kleinen Cottages erreichte. 1950 hatte der Wagen einen neuen Besitzer gefunden, so ist zu lesen, der das Offenfahren bevorzugte. Er ließ den Wagen beim Aufbauspezialisten H. J. Mulliner in ein Four Door Convertible umkarossieren.

Tradition seit 1929

Jeder Atemzug des Riesen ist belegt. Auch lässt Mr. Millegan nicht unerwähnt, dass sein Rolls-Royce ein Pebble-Beach-Sieger ist. Ehrungen dieses Gewichts gibt es eine Menge, und dennoch genießt ein Preis bei der Veranstaltung in Pebble Beach unter Sammlern einen ähnlich noblen Ruf wie dem englischen Adel ein Abschluss in Eton. Doch die Konkurrenz wächst. Auch in Kalifornien feiert man hauptsächlich Werte aus der alten Welt, weil die größten Zauberer der Form stets in Europa arbeiteten. So wundert es nicht, dass die Idee zu Schönheitskonkurrenzen hier entstanden war.

Die Tradition des Concorso d'Eleganza auf dem Gelände des Nobelhotels Villa d'Este reicht bis ins Jahr 1929 zurück. Etwas stotternd war er ab 1995 wiederbelebt worden, bis vor neun Jahren BMW die Schirmherrschaft übernahm. Seit Geld aus München fließt, wächst der internationale Ruf der Veranstaltung: "Inzwischen können wir aus einem Angebot passende Autos auswählen", sagt Urs Paul Ramseier, der als Selecting Adviser die Qualität der Fahrzeuge garantiert. Seine Kontakte in die diskrete Welt der großen Sammler gelten als legendär.

So brachte er jenen Alfa Romeo 1750 GS nach Cernobbio, der hier vor 76 Jahren bereits Geschichte schrieb. Eine gewisse Josette Pozzo hatte den blendend weißen Zweisitzer damals der Jury präsentiert - und siegte. Als Flying Star ging das damenhafte Unikat der Carrozzeria Touring in die Automobilgeschichte ein, stand in Sammlungen hier und da, bis sich der mexikanische Sammler Arturo Keller vor Jahren in den Kopf gesetzt hatte, den Wagen zu kaufen.

Schönheitspreis für Flying Star

"Ich habe lange nach ihm gesucht", sagt Keller. Er ließ nun das Auto um die halbe Welt speditieren, um ihm den zweiten Auftritt vor der Villa d'Este zu gewähren. Das Publikum goutiert die Heimkehr und wählt den Flying Star zum Schönsten aller Teilnehmer. Gewinner jedoch gibt es einige.

In aseptischer Reinheit tritt ein Bugatti 57 C an, präsentiert vom amerikanischen Sammler James A. Patterson. Die exaltierte Karosserie hatte Voll & Ruhrbeck in Berlin entworfen, die den Wagen im Kriegsjahr 1939 an einen vermögenden Kunden auslieferten. "Bisher wissen wir nicht, wem der Wagen einst gehörte", sagt Patterson. Sicher ist nur, dass der norwegische Eiskunstlauf-Star Sonja Henie den Avantgarde-Bugatti fuhr, bevor er in Polen strandete.

Als Patterson den Bugatti kaufte, war eine falsche Karosserie auf dem inzwischen verkürzten Chassis montiert. "Den Voll & Ruhrbeck-Aufbau habe ich in Deutschland gefunden", sagt Patterson, "doch es hat lange gedauert, den Besitzer zum Verkauf zu bewegen." Im Jahr 2002 konnte er schließlich die Fragmente übernehmen und ließ mit viel Einsatz zusammenfügen, was zusammengehörte.

Auch Bugatti-Eigner Patterson freut sich über einen Gesamtsieg. Er erhält am Ende die Coppa d'Oro, jenen klangvollen ersten Preis von einst, den heute allerdings nicht mehr die Jury, sondern ein Kreis auserlesener Gäste vergibt. Nur Best of Show war damit nicht, denn der Sponsor hatte vor einigen Jahren kurzerhand noch einen weiteren Preis obenauf gelegt, um das eigene Engagement zu unterstreichen. Das kann jedoch nicht verhindern, dass diese Trofeo BMW Group ausgerechnet einem Mercedes-Benz verliehen wird, wie es dieses Jahr geschieht.

Ralph Laurens "Schwarzer Prinz"

Modemacher Ralph Lauren, zu dessen Sammlung der 1930 gebaute SSK heute gehört, lässt das Unikat von seinem Restaurierer in Cernobbio zeigen. Er selbst ist nicht angereist, Probleme mit der Expansion in der Ukraine hätten ihn abgehalten, wie man hört. Doch sein "Schwarzer Prinz", den einst Gentleman-Racer Graf Trossi bei dem weitgehend unbekannten Karosseriebauer Willie White in Auftrag gegeben hatte, versetzt nicht nur die Fachjury mit seinem spektakulären Design in Verzückung, bei dem der Wind die Form bestimmt zu haben scheint. Dabei war es Graf Trossi selbst, der den Entwurf mit eigener Hand skizziert hat, wie Chroniken berichten.

Etwas weniger Einfluss nahm 1955 Filmregisseur Roberto Rossellini. Doch auch für ihn zählte die Form, und so ließ er die Spider-Karosserie seines Ferrari 375 Mille Miglia von Carrozziere Sergio Scaglietti in Modena zu einem außergewöhnlichen Coupé umbauen. Später kam das Einzelstück nach Palermo und Paris, und heute steht es in der Sammlung des ehemaligen Microsoft-Chefs Jon Shirley. Der Ferrari-Enthusiast freut sich nicht nur über den Design-Preis für seinen 375 Mille Miglia, sondern trifft auch auf den hochbetagten Altmeister Sergio Scaglietti, der eigens nach Cernobbio gekommen war.

Von Norwegen nach Italien

Doch die Villa d'Este kennt auch leisere Sieger. Per Viberg zum Beispiel, der einen üppigen Pokal in seinem BMW 335 Autenrieth Cabriolet verstauen darf. Er hat ihn für die weiteste Anreise erhalten: Aus dem Norden Norwegens ist er auf Achse bis nach Italien gereist. Viele Jahre hatte der Tunnelbau-Ingenieur seine Freizeit investiert, um aus dem Wrack, das einst in einem Graben verrottete, einen Concours-Kandidaten zu schaffen.

Ganz ohne Preis fährt dagegen Dame Sylvia M. A. Oberti nach Hause. Die geadelte Kalifornierin ist mit ihrem knackigen Siata 300 BC 750 Sport rund um die Welt unterwegs. Sie kämpft als Missionarin gegen den Krebs, insbesondere bei Kindern. Seit Jahren startet sie allein zur Mille Miglia, ließ sich einst samt Siata von Papst Johannes Paul II. segnen und versäumt keine Chance, Sponsoren für ihre Sache zu gewinnen.

Auch sie ist dabei, aus völlig anderen Motiven als ihre Konkurrenten. In ihren Spuren, so träumt sie, könnte die Welt ein kleines bisschen besser werden. Und so ist sie vermutlich die einzige, die am Comer See auch ohne Pokal glücklich wird.

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