Oldtimer von Mercedes:Sterne unter Palmen

Durch alle Wirren der Geschichte haben in Kambodscha zwei Mercedes-Limousinen aus dem Jahr 1965 überlebt. Sie laufen nach wie vor tadellos. Wenn nur die schlechte Ersatzteilversorgung nicht wäre.

Von Andreas Späth

Edle Hotels befördern ihre Gäste gern in vornehmen Karossen. In Hongkong holt das Peninsula seine Kunden sogar im Rolls-Royce Silver Spur III am Flughafen ab. In Abu Dhabi protzen manche Gäste des Emirates Palace damit, sich im Maybach des Hauses chauffieren zu lassen. Eine der größten Überraschungen in diesem Bereich erlebt, wer sich im dezent-exklusiven Amansara-Resort in Kambodscha einbucht und am Flughafen Siem Reap abgeholt wird.

Wo sich Touristenmassen auf dem Weg zu den weltberühmten Tempelanlagen von Angkor Wat in bereitstehende Busse zwängen, erwartet den Amansara-Gast ein besonders exklusives Vergnügen: Plötzlich biegt eine lange schwarze Mercedes-Limousine längst vergangener Tage um die Ecke. Zwei weiß livrierte Hotelangestellte verstauen das Gepäck im geräumigen Kofferraum, halten die Türen auf, damit die Ankömmlinge auf der ebenfalls mit weißem Stoff bezogenen Rückbank Platz nehmen können. Der Motor ist während der viertelstündigen Fahrt zum Hotel kaum zu hören, kein Vergleich zu den röhrenden Original-Dieselantrieben dieser Autos. Die Klimaanlage hat es schwer, gegen 34°C Feuchthitze anzukommen, verstärkt durch die schwarze Lackierung.

Majestätisches Fahrgefühl

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Alte Schule: In einer Mercedes-Limousine von 1965 chauffiert zu werden, ist ein besonders exklusives Vergnügen.

(Foto: Andreas Spaeth)

Und trotzdem stellt sich für die Gäste im Fonds umgehend ein geradezu majestätisches Fahrgefühl ein. Beim Abbiegen direkt vor dem Haupteingang von Angkor Wat halten die Touristen ihre Kameras auf das besondere Auto, das leise an ihnen vorbeirollt und irgendwie verblüffend gut hierher passt. Vor ein paar Wochen erst war Hollywood-Star Angelina Jolie in Siem Reap zu Besuch - und wurde selbstverständlich auch im alten Mercedes chauffiert.

"Das hat ihr sehr gut gefallen", berichtet Sovatha Choun, der Chefingenieur der Amansara-Hotelflotte, Herr über 24 Moped-Luxusrikschas (für jede Suite eine), vier alte Militär-Jeeps und zwei Mercedes-Limousinen, Baujahr 1965. Genauso wie das Hotel selbst spiegeln die Autos die wechselvolle Geschichte Kambodschas wieder. Nach der Unabhängigkeit von Frankreich ließ der Prinz und spätere König Norodom Sihanouk ein Gästehaus errichten. In der 1962 eröffneten Anlage des heutigen Amansara wohnten schon Charles de Gaulle und Jacqueline Kennedy. Damals ließ sich der Monarch im schwarzen Mercedes chauffieren. Diese "Nummer Eins" betreibt heute Sovatha Choun für das Hotel. "Der Vorbesitzer hat nachgeforscht und bestätigt, dass Nummer Eins der Wagen des Königs war", sagt der Chefingenieur. In den 1960er-Jahren gab es viele Limousinen aus Untertürkheim in dem aufstrebenden asiatischen Land. Auch hohe Regierungsbeamte wurden mit einem Mercedes chauffiert.

Als 1979 nach der Monarchie auch die Gewaltherrschaft der Roten Khmer endete, gab es viele herrenlose Mercedes-Limousinen in Kambodscha. Eine entdeckte Meang Hor aus Siem Reap vor einem Krankenhaus. Stehen gelassen von geflüchteten Roten Khmer. Er nahm sich den Wagen, reparierte ihn und chauffierte zehn Jahre lang einen vietnamesischen General damit. Später vermietete er die Karosse dem 2002 eröffneten Amansara - sie wurde die Nummer Zwei. Deren Kilometerzähler steht heute auf 91.247, während die Nummer Eins auf 63.134 Zähler kommt. "Die Tachometer standen im Leben der Autos schon mehrfach auf null", ist sich Sovatha Choun sicher.

Vorgeschichte bleibt mysteriös

Details und Vorgeschichte seiner beiden, auf fünf Meter Länge gestreckten Karossen bleiben bis heute ein wenig mysteriös. Das fängt schon bei der genauen Typenbezeichnung an. Die "322" auf beiden Kofferraumdeckeln war für Mercedes-Lastwagen reserviert. Selbst im Motorraum gibt es kein genaues Typenschild und im Stuttgarter Mercedes-Museum ist man sich auch nicht sicher: "Vermutlich waren das 200er-Diesel, als sie das Werk verlassen haben, eventuell vom Typ 220SE", vermutet Mercedes-Sprecher Malte Dringenberg.

Chefingenieur Choun gibt zu, die ursprünglichen Selbstzünder gegen 110 PS starke, 15 Jahre alte Benziner ausgetauscht zu haben: "Die Diesel waren einfach zu laut." Auch die Original-Klimaanlagen und verrostete Strukturteile wurden ersetzt. "Solche Arbeiten macht für uns ein alter Ingenieur hier in Siem Reap, der kennt sich gut aus", so Choun. Immerhin gibt es noch rund 20 andere Mercedes-Autos in der Stadt. Teuer seien die alten Wagen nicht, um die 15.000 Dollar, dafür ist deren Zustand mäßig. Da das Aussehen für die Autos des Amansara besonders wichtig ist, wurde "Nummer Eins" bereits 2003 neu lackiert, 2005 gefolgt von Nummer Zwei.

Ersatzteile sind die größte Herausforderung

Die schwierigste Herausforderung ist es, passende Ersatzteile zu finden. "Wir besorgen Teile aus Thailand und Vietnam, die aus anderen Autos ausgebaut werden. Aber oft sind sie schwer zu finden und es dauert viel zu lange", stöhnt Choun. Kürzlich musste eine hintere Radwelle ausgetauscht werden - Ersatz kam erst nach fast zwei Monaten. Aber sonst sind die Veteranen trotz extremer klimatischer Bedingungen rüstig. Schließlich werden sie auch geschont und gehätschelt. "Wir benutzen sie nur auf guten, glatten Straßen, sie fahren daher nur die acht Kilometer zum Flughafen und zurück, im Schnitt 45 Kilometer pro Auto und Tag", verrät Sovatha Choun.

Ausnahmen gibt es nur, wenn ein Hotelgast das mehrere tausend Dollar teure Privat-Dinner bei den Tempelanlagen bucht. Da ist dann die stilvolle Anfahrt in der alten Mercedes-Limousine inklusive - auch wenn die Wege dort etwas holpriger sind. Das Hotel beschäftigt insgesamt drei Mercedes-Fahrer, jeder von ihnen bekommt eine einwöchige Extraausbildung. Der pflegliche Umgang mit den Veteranen lohnt sich: "Wir hatten in den letzten zwölf Monaten nur zwei Probleme, einmal ging die Klimaanlage nicht richtig, das andere Mal war ein Zünddraht gebrochen - typische Probleme alter Autos eben", lacht Sovatha Choun.

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