Oldtimer-Sammlung:Traktoren als Wiedergutmachung

Sammlung alter Traktoren und Landmaschinen in Israel.

Dicht an dicht stehen die Traktoren: Viele kamen aus Deutschland und Österreich, andere aus den USA.

(Foto: Alexandra Föderl-Schmid)

In Israel sammelt und restauriert eine Gruppe von Männern alte Landmaschinen und erinnert so an die Gründungsgeschichte des Landes. Viele Traktoren stammen aus Deutschland - aus gutem Grund.

Von Alexandra Föderl-Schmid

Seit sechs Jahren arbeitet Gadi Silberstein an diesem Lanz Bulldog. Der Traktor, 1934 in Mannheim von der Firma Heinrich Lanz gebaut, ist der teuerste Oldtimer im Museum in Ein Vered in der israelischen Sharon-Ebene. Dabei ist er noch gar nicht fertig restauriert. Umgerechnet 300 000 Euro soll das gute Stück einmal wert sein. "Ein paar Wochen, vielleicht auch noch ein paar Monate dauert es noch", meint der weißhaarige, drahtige 69-Jährige, bevor er sich wieder über seinen Lanz beugt, hier feilt und dort schraubt. Der Traktor wurde 2002 in einem Schuppen auf einem Bauernhof nördlich von Kfar Menahem entdeckt, eine Autostunde entfernt. 53 Jahre lang stand er dort, er gehörte einst einem aus Deutschland stammenden protestantischen Missionar namens Shenlar.

Immer wieder zieht Gadi Silberstein ein kleines Büchlein zurate, dessen Seiten aus zusammengeklebten Fotokopien bestehen. Es ist eine Betriebsanleitung auf Deutsch. Der Israeli lernte diese Sprache zu Hause, denn seine Eltern sind aus Stuttgart und Berlin in den Dreißigerjahren ins damalige Palästina emigriert. "Wenn ich nicht weiter weiß, dann hilft mir das", grinst der Rentner und zückt sein Handy und rückt seine Brille zurecht. "Google Translate kennt sogar Fachbegriffe."

Silberstein hat eine technische Schule absolviert, wurde Elektroingenieur und stellt nun im Ruhestand sein Wissen und seine handwerkliches Geschick in den Dienst dieses Museums, in dem Traktoren und landwirtschaftliche Geräte gesammelt werden. Sie erzählen viel über die Geschichte und den Aufbau des Landes Israel, das gerade seinen 70. Geburtstag gefeiert hat und das die Pioniere einst zu einem blühenden Agrarzentrum im Nahen Osten gemacht haben.

Einen Teil der Maschinen haben die Einwanderer mitgebracht oder später importiert: Die 220 Oldtimer, die zum Museum gehören, kommen aus rund einem Dutzend Länder. Die älteste Maschine stammt aus dem Jahr 1850, der jüngste Traktor ist Baujahr 1975.

Hundert Oldtimer in zehn Jahren

Den Grundstein für die Sammlung legte Erez Milshtein. Mit der Landwirtschaft hörte er auf, mit dem Sammeln von landwirtschaftlichen Geräten und Traktoren fing er an. In Scheunen, in Garagen, in so manchem Kibbuz oder Moschav fand er das eine oder andere Stück. So kam eins zum anderen und binnen zehn Jahren waren es schließlich hundert Oldtimer.

Versteckt inmitten von Orangenhainen fand sich in seinem Heimatort eine ehemalige Hühnerfarm, die jetzt als Museum firmiert. Wer dorthin will, muss fast einen Kilometer über einen staubigen Sandweg fahren, links und rechts breiten sich die Felder aus. Die Ausstellungshalle ist zusammengeflickt, Dach und Seitenteile sind aus Wellblech. Es ist stickig-heiß, eine Klimaanlage gibt es nicht. Dann und wann kommen noch dunkle Dieselwolken dazu, wenn Motoren gestartet werden. Denn das Ziel ist es, alle Fahrzeuge fahrtüchtig zu kriegen, die dicht gedrängt entlang der Wand auf 4000 Quadratmetern in Reih und Glied auf dem goldbraunen Sandboden stehen. Die Sammlung wächst und es haben gar nicht alle Fahrzeuge Platz, sodass es noch einen weiteren Schuppen mit 2000 Quadratmetern gibt.

Die Erntemaschine von 1895 funktioniert noch

Voller Stolz marschiert Silberstein voraus, zu fast jedem Fahrzeug und Gerät weiß er etwas zu erzählen. "Einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Landwirtschaft trugen die Templer bei. Die haben Maschinen mitgebracht, die man hier nicht kannte", sagt er bei einem Gerät zur Kartoffelernte. Die im Südwesten Deutschlands entstandene Templergemeinschaft gründete von 1868 an erste Siedlungen in Palästina und begann damit, das Land zu roden. Aus dem Jahr 1895 stammt noch eine Erntemaschine, die Weizen schneidet und bündelt. "Vor zehn Jahren haben wir sie in der Jesreel-Ebene getestet, sie hat funktioniert", erzählt Silberstein.

Neben zahlreichen grünen und roten Steyr-Traktoren aus Österreich sind mehr als ein Dutzend deutsche Fabrikate zu finden: Eicher, Deutz, Agria und vor allem Porsche. "Das ist mein Lieblingstraktor, mein erstes Ausstellungsstück", sagt Museumsgründer Milshtein über den Porsche Junior, Baujahr 1959. Er streichelt liebevoll über die knallroten lackierten Teile. "Fast so schön wie eine Frau", meint er schmunzelnd und verweist auf die gelben Felgen und die schwarzen Ledersitze. "Wunderschön! Und diese Formen!"

Die deutschen Traktoren seien Teil des Wiedergutmachungsabkommens gewesen, das Konrad Adenauer mit Israel abgeschlossen hat, erzählen die Männer. "Sie haben uns Traktoren gegeben, um unser Land aufzubauen. So haben wir unseren Porsche bekommen", sagt Milshtein. Deutschland verpflichtete sich 1952, als Beitrag zur materiellen Entschädigung der vom NS-Regime verfolgten Juden insgesamt 3,45 Milliarden Mark an Israel zu leisten. Dies war ein Beitrag zum Aufbau des Landes in den Fünfzigerjahren. Mit dem Geld wurden auch israelische Traktoren entwickelt. Neben den mächtigen Fahrzeugen fallen sie kaum auf. Ihr Markenname ist passend: Zaatut, Knirps.

Der erste Traktor, den Milshein renoviert hat, war ein Steyr-Traktor, Baujahr 1948, den er mit seinem Freund Motty Goldstein wieder in Schuss brachte. Er ist so alt wie das Land Israel.

"Traktoren als Tausch gegen Menschenleben"

Zum rumänischen Traktor mit der Bezeichnung UTB 650, Baujahr 1958, wissen die Männer auch eine Geschichte zu erzählen: Israel habe Rumäniens Diktator Nicolae Ceaușescu 8000 solcher Traktoren - manche davon schon gebraucht - abkaufen müssen, damit Juden ausreisen durften. "Traktoren als Tausch gegen Menschenleben, unglaublich!", sagt Milshtein. Dabei sei es auch noch ein schlechter Traktor. "Wenn man die Kupplung drückt, dann ruiniert man sich sein Knie."

Mit dem amerikanischen TD9 Manila, Baujahr 1945, seien im Unabhängigkeitskrieg 1948 so große Wälle aufgebaut worden, dass sogar ägyptische Truppen aufgehalten worden seien. Kleinere Geräte und Teile sind auf dem Gelände hinter der Ausstellungshalle zu sehen, die Kurator Yair Misch im Laufe der Jahre zusammengetragen und in Vitrinen und auf Tischen arrangiert hat: von Geschirr bis zu Werkzeugen. Sie vermitteln einen Eindruck, wie die jüdischen Pioniere damals gelebt haben.

90-Kilometer-Tour bis nach Jerusalem

Ein Renner bei den Kindern ist auf dem Freigelände ein altes Feuerwehrauto, in das man klettern kann. In diesem Museum kann überhaupt vieles ausprobiert werden. In der Mitte der Halle stehen grüne Holder-Traktoren aus Deutschland, Baujahr 1959, auf denen Kinder herumkrabbeln und sich im Fahrersitz abwechseln. Die kleineren Kinder interessieren sich mehr für die Spielzeugtraktoren, die im Mittelgang herumstehen.

Viele Kinder wollen auch deshalb ins Museum, um Onkel Aron und den großen roten Traktor zu sehen. Beide sind die Protagonisten in einem der bekanntesten Kinderbücher Israels, das von Meir Shalev stammt und für das wohl Erez Milshtein und sein Traktor das Vorbild waren.

Wenn sich das Museum wieder leert und Ruhe einkehrt, dann gönnen sich die Männer ein gemeinsames Mahl. Etwa 30 gehören zum harten Kern, an Freitagen sind sie fast vollzählig versammelt. "Wir sind wie eine Familie. Wir helfen uns auch gegenseitig: Der eine ist Mechaniker, der andere Elektriker, ein anderer der bessere Tüftler", erzählt Silberstein und zeigt noch die ans Museum angebaute Werkstatt.

Weil viele Ersatzteile nicht mehr besorgt werden können, müssen sie die Männer hier nachbauen. "Der schönste Augenblick ist, wenn man dann zum ersten Mal den Motor anlässt und es funktioniert", sagt Silberstein. Hin und wieder unternehmen die Männer auch eine Spritztour, bis ins knapp 90 Kilometer entfernte Jerusalem haben sie es mit ihren Traktoren schon geschafft. Aber meistens tuckern die Rentner mit ihren Oldtimern über die umliegenden Feldwege.

Was sagen die Ehefrauen? "Ein schwieriges Thema"

Wie viel Zeit er hier verbringe, das könne er gar nicht sagen, meint Silberstein. "Viele, viele Stunden, fast jeden Tag." Und was sagen ihre Ehefrauen zu ihrer Freizeitbeschäftigung? "Ui, ui, ein schwieriges Thema." Milshtein mischt sich ein und erklärt lachend, die Frauen wüssten gar nicht, dass auch die Haushaltskasse ab und zu geplündert werde, wenn dringend ein Ersatzteil gekauft werden müsse.

Der große Traum der Männer ist, ihre Oldtimer in einem richtigen Museum unterbringen zu können. Sie träumen von einem "Nationalmuseum", sie wollen das Erbe für künftige Generationen erhalten und ein Stück der Gründungsgeschichte ihres Landes in einem geeigneteren Rahmen darstellen. Aber dafür fehlen die Mittel. Die Frage, ob man nicht zur Finanzierung nach dessen Renovierung den wertvollsten Traktor einfach verkaufen könnte, weisen die Männer brüsk zurück. "Wir verkaufen nichts." Und Gadi Silberstein ergänzt: "Dafür habe ich nicht sechs Jahre an dem Lanz Bulldog gearbeitet."

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: