Nissan: Elektroauto Leaf:Das Blatt wendet sich

Nissan hat mit dem Elektroauto Leaf einen beachtlichen Beitrag zur alternativen Welle geleistet.

Michael Specht

Kein Tag vergeht, an dem nicht irgendein Autohersteller auf dem Globus Neuigkeiten zum Thema Nachhaltigkeit, Zero Emission oder zukünftige Mobilität verbreitet. Lieblingskind ist dabei das Elektroauto, schließlich gilt es als Symbol für die umweltfreundlichste Form individueller Fortbewegung. Wer dazu nichts zu sagen - oder zu zeigen - hat, gilt heute schon als abgehängt.

Die so gesehen verständliche Intensität, mit der dies alles geschieht, lässt viele Autofahrer glauben, sie können morgen zum Händler gehen und eines dieser Modelle kaufen. Das täuscht.

Geduld ist gefordert beim lautlosen Stromern. Die Elektro-Kleinwagen Mitsubishi i-MiEV, Peugeot iOn und Citroën C-Zero sind zwar marktreif, gehen aber zunächst in sehr geringen Stückzahlen an Behörden, Energieversorger und Fuhrparks.

Opel und General Motors bieten den Ampera und Volt erst in einem Jahr zum Verkauf an. Gleiches gilt für den Renault Fluence. Smart stellt seinen Fortwo ED nicht vor 2012 ins Schaufenster. Volkswagen und BMW legen für ihre City-Stromer gar erst 2013 den Hebel um.

Kein Wunder, dass Nissan nun die Lücke nutzt und seinen Leaf (englisch für Blatt) als "der Welt erstes Großserien-Elektroauto" anpreist, das "von Beginn an als ein solches konzipiert wurde". Noch in diesem Jahr, heißt es, sei es zu kaufen. Das stimmt bedingt.

Richtig ist, dass mit der Produktion in Oppama/Japan begonnen wurde, wo jährlich 50.000 Leaf gebaut werden können. Richtig ist auch, dass im Heimatland und in den USA die Verkäufe noch 2010 starten (es soll 26.000 Vorbestellungen geben).

Für Europa allerdings geht Nissan sehr selektiv vor und wählt - aus Sicht des Herstellers durchaus nachvollziehbar - zunächst jene Länder aus, in denen Käufer von Elektroautos die dicksten Zuschüsse vom Staat erhalten. Das sind Portugal, Irland, England und Holland, wo bis zu 5000 Euro gezahlt werden.

Es folgen in einer zweiten Welle etwa Mitte 2011 Spanien, Frankreich, Belgien und Skandinavien. Erst zum Ende des nächsten Jahres ist das zuschusslose Deutschland an der Reihe, zusammen mit Österreich, Italien und Griechenland.

Es bleibt also Zeit, den Elektrohype etwas abklingen zu lassen und für sich durchzurechnen, ob der Leaf überhaupt lohnt und ob er ins persönliche Fahrprofil passt. Er wird bei uns schätzungsweise 35.000 Euro kosten, gut 50 Prozent mehr als ein konventionelles, vergleichbar ausgestattetes Kompaktauto.

Designpannen im Innenraum

Er wird eine Reichweite von 100 bis 120 Kilometer haben (Nissan gibt 160 km an), weil je nach Jahreszeit Heizung und Klimaanlage eifrig Strom aus der Batterie saugen. Danach muss der Wagen gut acht Stunden an die Steckdose.

Eine erste Testfahrt, die wir jetzt mit dem Leaf unternehmen konnten, fegte allerdings viele Vorbehalte vom Tisch. Der Grund ist das geschmeidige und agile Fahrverhalten, trotz eines Gewichts von 1525 Kilogramm, wovon allein 250 kg auf das Konto des Akkus gehen. Die lautlose und kräftige Beschleunigung der Elektromaschine (80 kW) fasziniert immer wieder, an der Ampel, beim Überholen oder bei kurzen Zwischensprints.

Denn anders als ein Verbrennungsmotor liefert der E-Motor sein höchstes Drehmoment (hier sind es 280 Newtonmeter) praktisch vom Stand weg. Ein Getriebe ist daher nicht nötig. Auch auf der Autobahn fährt der Leaf sehr leise und komfortabel, erreicht bis zu 145 km/h.

Schade nur, dass man die Gestaltung des Cockpits ein wenig übertrieben hat. Die digitalen Displays mögen vielleicht Play-Station-Fans faszinieren, für ältere Autofahrer aber wirkt das alles recht verspielt. Auch an die Bedienung des nur wenige Zentimeter hohen Schaltstummels muss man sich gewöhnen.

Gewünscht hätten wir uns für eine bequemere Sitzposition lieber ein längsverstellbares Lenkrad. Letzter Kritikpunkt bleiben ein schmaler Kofferraum (330 Liter) und eine bescheidene Variabilität. Weil im Heck das Batterieladegerät untergebracht ist, gibt es keinen ebenen Ladeboden mehr. Hinter den Sitzen türmt sich eine fast 30 Zentimeter hohe Wand auf.

Insgesamt jedoch leistet Nissan einen sehr positiven Beitrag zu einer emissionslosen Mobilität. Ganz abgesehen von den Kosten des täglichen Betriebs. 100 Kilometer Fahrstrecke kosten lediglich etwa zwei Euro. Der Mehrpreis für die Anschaffung muss allerdings gegengerechnet werden.

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