Neuer RDE-Abgastest:Kleinwagen mit Dieselmotor droht schnelles Aus

Abgastest einer Audi A3 Limousine in Südkorea

Abgastest einer Audi A3 Limousine: Droht kleinen Dieselfahrzeugen bald das Aus?

(Foto: Yonhap/AFP)
  • Nach langen Diskussionen haben sich die EU-Mitgliedsstaaten endlich auf realistischere Abgastests geeinigt.
  • Doch das neue Real Driving Emissions-Verfahren geht Umweltverbänden, Verbraucherschützern und Automobilclubs nicht weit genug.
  • Trotzdem droht Kleinwagen mit Dieselmotor schon bald das Aus.

Von Joachim Becker

Haben Selbstzünder eine Zukunft in Europa? Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) wagt eine düstere Prognose: In allen Innenstädten mit Grenzwertüberschreitungen bei den Stickoxid-Werten seien "Fahrverbote für alle Diesel-Pkw sicher". Grund des Nachrufs auf die selbstzündende Innenstadt-Mobilität sind laxe Vorschriften aus Brüssel. Experten der EU-Staaten haben sich vor wenigen Tagen zwar auf mobile Abgastests geeinigt (SZ berichtete). Verbraucherschutz- und Umweltverbänden gehen die beschlossenen Grenzwerte aber nicht weit genug: Ab Ende 2017 dürfen Autos im Straßenbetrieb mehr als doppelt so viel Stickoxid (NOx) ausstoßen wie auf dem Prüfstand. Deshalb will die DUH selbst neue Diesel in besonders belasteten Städten gerichtlich verbieten lassen. Auch die EU hat Rechtsmittel angekündigt, sollte die dicke Luft nicht besser werden.

Derzeit bieten die Abgastests viel Freiraum für kreative Ingenieure. Gerade beim Diesel braucht die Chemiefabrik im Auspuff ständig andere Temperatur-, Kraftstoff- oder Sauerstoffmengen. Die entsprechenden Filter oder Katalysatoren müssen regelmäßig freigebrannt werden - das kostet zusätzlichen Kraftstoff und verschlechtert die Abgaswerte. Deshalb achten die Entwickler darauf, dass solche Regenerationsphasen möglichst nicht innerhalb des Neuen Europäischen Fahrzyklus stattfinden. Der NEFZ dauert nur knapp 20 Minuten. Wer mit blitzsauberem Partikelfilter startet, kommt zum Beispiel ohne Rußregeneration durch.

Kritik an Übergangsfristen und erlaubten Abweichungen

Die EU-Behörden kennen das Problem. Nach jahrelanger Debatte sollen die neuen, realitätsnäheren Abgastests den Dieselstinkern endlich auf die Spur kommen. Doch das Technical Committee on Motor Vehicles (TCMV) in Brüssel konnte sich bei neuen Grenzwerten nur teilweise durchsetzen. Statt 2017 müssen Neuwagen erst 2021 das NOx-Limit von 120 Milligramm pro Kilometer auf der Straße einhalten. Sollte das EU-Parlament diese Entscheidung nicht kippen, dürfen Diesel in der Übergangszeit 168 mg/km auf der Straße ausstoßen.

Der ADAC sieht die langen Übergangsfristen und erlaubten Abweichungen kritisch. "Wir werden mit unserem Ecotest schon ab 2016 stichprobenartig auch auf der Straße messen, um die Abweichungen der Emissionen im realen Fahrbetrieb zum Prüfzyklus aufzuzeigen", kündigt ADAC-Vizepräsident Thomas Burkhardt an. Der Ecotest soll insgesamt verschärft werden, um mehr Transparenz bei den Schadstoffen zu erreichen.

Das Real Driving Emissions-Verfahren im Detail

Was ändert sich beim neuen offiziellen Abgastest? Die sogenannten Real Driving Emissions (RDE) werden den Prüflauf von 20 Minuten auf anderthalb bis zwei Stunden verlängern. Das verringert die Bedeutung der Kaltstart-Emissionen für die Gesamtwertung. Dafür wird der Motor stärker aufgeheizt, was zu realistischeren NOx-Abgasen führt. Jeweils ein Drittel der Zeit soll auf städtischen Straßen, Landstraßen und Autobahnen gefahren werden. Dabei darf der Fahrer gewisse Limits beim Tempo und Beschleunigen nicht überschreiten. Wiederholt werden muss die Messung auch, wenn der Wagen im Stau steht. Schummeleien sollen bei diesen Straßentests schwieriger sein als im Labor.

Für Brummis gibt es die neuen Abgastests schon seit knapp zwei Jahren. Anders als bei Pkw wird realistisch geprüft, was hinten rauskommt. In-Use-Conformity heißt die einschlägige Technikformel bei schweren Nutzfahrzeugen. Dabei geht es besonders um die Konformität in Hinblick auf die Stickoxid-Limits. Feldtests über die gesamte Lebenszeit der Fahrzeuge sollen sicherstellen, dass alle Bestandteile der Abgasreinigung auf Dauer wirksam arbeiten. Deshalb fährt bei Stichproben ein sogenanntes Portable Emission Measurement System (PEMS) mit. Das kühlschrankgroße Gerät analysiert die Abgase. Anschließend werden die Ergebnisse auf Plausibilität geprüft. Allerdings liegt der reale Kraftstoffverbrauch eines Lkw näher am Zertifizierungstest, weil der Fahrer weniger Einfluss auf die Fahrdynamik hat. Außerdem haben schwere Nutzfahrzeuge meist viel Hubraum und Platz für eine aktive Abgasreinigung. Sie sind also auch in dieser Hinsicht das genaue Gegenteil eines Diesel-Stadtflitzers.

Teure Abgas-Nachbehandlung

"Die vereinbarten RDE-Werte stellten Automobilhersteller und Zulieferer vor große technische und wirtschaftliche Herausforderungen", warnt VDA-Präsident Matthias Wissmann. An die Zukunft von Dieselkleinwagen glaubt auch bei dem Branchenverband niemand mehr. Dafür wird die Abgasnachbehandlung künftig zu teuer und die Entwicklung zu aufwendig. Smart hat den Selbstzünder bereits abgeschafft, andere Hersteller werden folgen.

Bernhard Heil erwartet beim Antrieb ohnehin weitreichende Veränderungen: "Wir arbeiten mit Hochdruck an 48-Volt-Systemen für die nächsten Aggregate", erklärt der Leiter Motoren und Triebstrang bei Daimler: "In Europa haben wir bei Mercedes 70 bis 80 Prozent Dieselanteil. Da müssen wir über aktive SCR-Systeme zur Abgasnachbehandlung hinaus deutlich in weitere Technologien investieren. Auf diese Weise senken wir Verbrauch und Emissionen gleichermaßen. Außerdem gibt ein sehr gutes 48- Volt-System , das zwischen Motor und Getriebe als Starter-Generator eingebaut wird, auch ein neues, dynamisches Fahrgefühl."

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