Neue Fußgängerampeln:Drei, zwei, eins - los

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Die Zukunft auf deutschen Straßen? Eine Ampel mit Countdown in Bochum (Foto: dpa)

Es ist ein Kampf um die Hoheit auf der Straße, jeden Tag, an tausenden deutschen Kreuzungen: Fußgänger gegen Autofahrer. Forscher experimentieren jetzt mit neuen Ampeln, die den Weg über die Straße sicherer machen sollen. Doch was hilft den Füßgängern am meisten: Eine Gelbphase, ein blinkendes Grün oder sogar ein Countdown?

Von Steve Przybilla

Bei Rot stehen, bei Grün gehen - so lernen es schon die Kinder. Wie aber verhält man sich, wenn die Ampel auf Rot springt, nachdem man den Fuß auf die Straße gesetzt hat? "Darüber herrscht große Unsicherheit", sagt Horst Wohlfahrt von Alm. "Vor allem Autofahrer glauben, dass sich Fußgänger dann sofort in Luft auflösen müssten. Die drängeln wie verrückt." Doch Wohlfahrt von Alm, Verkehrsplaner und Projektleiter der Berliner Fußverkehrsstrategie, glaubt eine Lösung für das Problem zu haben: eine bessere Ampel.

Die Ampel blinkt? Egal!

Eine Kreuzung an der Berliner Alexanderstraße: Geduldig warten Auto- und Fahrradfahrer auf ihr Signal. Während die Fußgänger noch laufen, fängt ihr Grün-Licht an zu blinken - ein Zeichen, dass man die Straße jetzt nicht mehr überqueren sollte. Die Betonung liegt auf "sollte", denn die meisten machen sich nichts aus dem Blinken. Vom Hinweisschild, das das ungewöhnliche Signal erklären könnte, ist nichts mehr zu sehen. "In Berlin haben wir es mit relativ undisziplinierten Verkehrsteilnehmern zu tun", sagt Wohlfahrt von Alm in fast entschuldigendem Ton. Ziel der 2011 beschlossenen Fußverkehrsstrategie sei es daher, für mehr Sicherheit und Komfort zu sorgen. Helfen sollen dabei einige neue Ampel-Effekte, die es in Deutschland bisher nirgendwo gibt. "Wir experimentieren mit Grün-Blinken, Rot-Blinken und einem Countdown-Signal", erzählt der Verkehrsplaner. Eine Million Euro stelle der Berliner Senat den Bezirken jährlich für derartige Modellprojekte zur Verfügung.

In anderen Ländern existieren die optischen Hilfsmittel schon lange. In Österreich ist das Grün-Blinken Standard, in Zürich sind Fußgängerampeln mit einem Gelb-Signal ausgestattet. An vielen amerikanischen Kreuzungen hängen Countdown-Tafeln, die anzeigen, wie lange die Grün- oder Rotphase dauert. Dass es so etwas nicht längst auch in Deutschland gibt, hängt mit der Straßenverkehrsordnung zusammen. Paragraf 37 schreibt "Grün-Rot-Grün" als Signalfolge vor - ohne Ausnahme. "Das zielt vor allem darauf ab, einheitliche Regelungen zu schaffen", erklärt Katja Löhr-Müller, Verkehrsjuristin und Referentin beim Deutschen Verkehrsgerichtstag. "Man muss sich darauf verlassen können, in Hamburg die gleichen Anzeigen wie in München zu finden."

Düsseldorf schert aus

Streng genommen verhält sich die Stadt Düsseldorf seit 60 Jahren rechtswidrig. So lange schon sind dort alle Fußgängerampeln mit einem Gelbzeichen ausgestattet - deklariert als "dauerhafter Verkehrsversuch" und daher vom Landesverkehrsministerium genehmigt. Die Regelung sei einsichtiger und logischer, heißt es aus dem Düsseldorfer Rathaus. Ob sie auch die Sicherheit erhöht, weiß jedoch niemand. "Wir können wegen des zunehmenden Verkehrs keine Vergleiche mehr mit den Fünfzigerjahren ziehen", sagt Polizeisprecher Jochen Schütt. "Es gibt aber auch nichts, das gegen das Modell spricht. Die Düsseldorfer lieben ihr Gelblicht."

Geduld ist gefragt: Countdown-Ampel für Fußgänger in Hamburg (Foto: dpa)

In anderen Städten reagierten die Einwohner weniger euphorisch auf derartige Experimente. So probierte Wien im September 2011 ein R-Symbol an Fußgängerampeln aus. Das R steht für Räumzeit, also die Phase, in der man den Überweg freimachen muss. Verstanden haben das die Fußgänger allerdings nicht - bis sie das eigens aufgehängte Hinweisschild verinnerlicht hatten, war die Ampel schon wieder umgesprungen. Nach zwei Monaten steuerte der Wiener Magistrat schließlich um: Seither leuchtet ein gelbes "Schutzweg-Symbol" zwischen Grün und Rot.

Vom amerikanischen Countdown-Modell hält man in Wien nichts. "Studien haben ergeben, dass Anzeigen zu langer Wartezeiten die Fußgänger zum Rotgehen verleiten", sagt Andreas Jurasits, Ingenieur beim Wiener Magistrat. Hinzu kommen technische Probleme. Weil die Ampeln den öffentlichen Nahverkehr bevorzugen und je nach Verkehrslage unterschiedlich schalten, kommen fest programmierte Zähler nicht infrage. Wie übrigens auch in Deutschland: "Die Kontaktschleifen unter der Fahrbahn erfassen, wie groß der Andrang vor einer Ampel ist", erklärt Verkehrsplaner Wohlfahrt von Alm. "Wenn wenig los ist, würde der Countdown plötzlich auf null springen - das bringt gar nichts."

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Es bleibt umstritten, welches Modell überhaupt sinnvoll ist. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt) hat im vergangenen Jahr die Fußgänger an 17 europäischen Ampelkreuzungen befragt. "Im Ergebnis ist festzuhalten, dass die Signalfolge Grün-Rot-Grün beibehalten, jedoch (. . .) verbessert werden sollte", heißt es im Schlussbericht. Besonders positiv sehen die Autoren das blinkende Grünlicht, während das Düsseldorfer Modell schlecht wegkommt: "Eine Gelbzeit kann (. . .) nicht empfohlen werden."

Der Fachverband Fußverkehr Deutschland stößt ins gleiche Horn. "Am komfortabelsten wäre natürlich ein Countdown", sagt Geschäftsführer Bernd Herzog-Schlagk, man könne aber auch mit dem blinkenden Grünlicht leben. Ein ganz anderes Problem hält der Verband für wesentlich wichtiger: " Unsere älter werdende Gesellschaft hat mit zu kurzen Gehzeiten viel mehr zu kämpfen."

© SZ vom 10.08.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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