Neue Allradmodelle von Jaguar:Zu hoher Spritverbrauch für Deutschland

Hierzulande werden sie ein Nischenprodukt bleiben: Die neuen Allradmodelle von Jaguar XF und XJ sind vor allem für Übersee gedacht. Schade, denn der Allradantrieb ist gut gelungen.

Von Michael Specht

Auf Minderheiten kann man nicht immer Rücksicht nehmen. Zumindest dann nicht, wenn man Geld verdienen will. Und Jaguar will Geld verdienen. Und deshalb gibt es die beiden neuen Allradmodelle, XF und XJ mit dem Kürzel AWD, was für All Wheel Drive steht, nur mit dem neu entwickelten Dreiliter-V6-Benziner. Der wiederum in Deutschland kaum bestellt werden dürfte, denn hier ist Diesel-Land, besonders in der Business-Klasse, in der sich die Limousinen tummeln, die im Februar in den Handel kommen - der XF für mindestens 57.000 Euro, der souveräne XJ für 91.600 Euro.

Die reine Wahrheit: "Unser Fokus liegt auf den USA", sagt James Towle vom Marketing. Hier nimmt zum einen die Nachfrage nach großvolumigen Motoren ab, zum anderen wächst in den sogenannten Snow States of America der Wunsch nach einem sicheren 4x4-Antrieb. Towle weiß: "Der Allradanteil beträgt hier mehr als 80 Prozent."

Beim Diesel war der Aufwand für den Umbau zu groß

Dabei waren XF und XJ in ihrer Grundkonzeption nie auf Allrad ausgelegt worden. Und erst mit dem neuen Kompressor-Benziner wagte Jaguar die Integration des 4x4-Antriebs. "Die rechte vordere Antriebswelle verläuft hier durch eine Art Tunnel in der Ölwanne", sagt Entwicklungsingenieur Simon Barnes. Beim Diesel wäre der Umbau am Vorderwagen nur mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand zu realisieren gewesen. Erst mit der nächsten XF- und XJ-Generation von 2016 an plant man, den Allradantrieb auch mit dem V6-Diesel zu kombinieren.

Entwickelt wurde der Allradantrieb zusammen mit den Spezialisten von der Konzernschwester Land Rover. Dass die ihr Handwerk bestens verstehen, konnten wir auf den verschneiten Straßen nördlich von Montréal erleben. Der Traktionsunterschied zum Standardantrieb ist eklatant, die Fahrsicherheit spürbar besser. Gas geben genügt und wie eine Bergziege klettert die Limousine mühelos Steigungen hoch. Wird die Taste Winter-Modus auf der Mittelkonsole gedrückt, wählt das System eine Kraftverteilung von 30:70 vorne zu hinten fest vor. Beginnen die Hinterräder durchzudrehen, schickt eine elektronische Lamellenkupplung augenblicklich mehr Drehmoment zu den Vorderrädern. Immer so viel, wie gerade benötigt wird, im Bestfall bis zu 100 Prozent. Der XJ verliert so gut wie keinen Vortrieb.

Das Allradsystem wiegt nur 75 Kilogramm

Für trockenen Asphalt wurde das nur 75 Kilogramm leichte Allradsystem so abgestimmt, dass die gesamte Kraft des Motors zur Hinterachse geschickt wird. "Wir wollten, dass beide Modelle ihren Heckantriebscharakter behalten", sagt Entwickler Barnes. Der neue 340 PS starke Dreiliter-Kompressor-V6 ist Jaguars erster Benziner mit Start-Stopp-Automatik. Er überzeugt durch guten Antritt und hohe Laufruhe, besonders in Verbindung mit der serienmäßigen Achtgangautomatik von ZF. Verbrauchwunder sollten allerdings nicht erwartet werden. Zwar gibt das Werk einen Normwert von 9,8 Liter an, doch auch bei zurückhaltender Fahrt durch die Einsamkeit Kanadas zeigte der Bordrechner eher schamhaft kaum weniger als 13 Liter an.

Dass mancher potenzielle Kunde nicht gerade begeistert vom Nein zum Diesel-Allrad sein dürfte, ist nachvollziehbar. Zum Trost sei ihm an dieser Stelle gesagt: In ihrem Heimatland bietet die britische Traditionsmarke den 4x4-Antrieb überhaupt nicht an.

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