Navigationssysteme der Zukunft:Richtungsweisend

Navigationssysteme, ob mobil oder fest eingebaut, finden sich mittlerweile in nahezu jedem Auto. Doch wie sehen die Systeme von übermorgen aus?

Stefan Grundhoff

Egal ob Asien, Europa oder die gebeutelten USA - fast alle Hersteller forschen derzeit gemeinsam mit Elektronikkonzernen an den Multifunktionssystemen von morgen und übermorgen. Fest scheint zu stehen, dass bei Navigation und Entertainment das meiste der Technik außerhalb des Autos zu finden sein wird. "Wir brauchen entsprechende Datenübertragungsraten", so Katharina Bölsterl, bei BMW zuständig für die Technologieentwicklung von Telematiksystemen, "dann ist im Auto fast alles möglich."

Navigationssysteme der Zukunft: Die Zukunft? Splitscreen für Fahrer und Beifahrer

Die Zukunft? Splitscreen für Fahrer und Beifahrer

(Foto: Foto: oh)

Noch fehlt die Infrastruktur außerhalb des Autos

Die Zeiten, in denen Hightech-Auto und die lahmenden Datenschnecken GSM oder GPRS gegeneinander arbeiteten, könnten schon bald der Vergangenheit angehören. Zum einen soll in zwei bis drei Jahren als Nachfolger von UMTS der mobile Datenturbo LTE (Long Term Evolution) kommen, zum anderen setzt die Industrie gerade in der City und entlang der Autobahnen auf Wireless-Lan-Zonen.

Damit dürften zunächst in rund fünf bis sieben Jahren die Innenstädte von Ballungsräumen versorgt werden. Vorteil: die Insassen des Autos können jederzeit auf eine funktionierende und schnelle Datenverbindung zurückgreifen und beliebige Daten herunterladen. Bisher kann man das vergessen. Selbst das Hightech-Mobil der neuen 7er-Reihe von BMW muss beim Internetzugang mit der vergleichweise langsamen Übertragungsgeschwindigkeit EDGE auskommen.

Wer auf dem Parkplatz wartend einmal kurz eine Website besucht oder online eine Adresse suchen wollte, weiß, wie langsam außerhalb des Straßenverkehrs auch ein neuer 750 Li sein kann. Problem ist dabei nicht allein die im Fahrzeug verbaute Technik, sondern die fehlende Infrastruktur. "Auf die sind wir bei unseren Entwicklungen zwingend angewiesen", erklärt Ralf Guido Herrtwich, bei Daimler verantwortlich für die Entwicklung von Navigations- und Telematiksystemen, "doch das Ganze sollte schon bald kein großes Problem mehr sein."

Richtungsweisend

Daimler stellte jüngst mit "myCommand" das Bedien- und Navigationssystem der Mercedes-Zukunft vor, das in der übernächsten Modellgeneration der S-Klasse Realität werden dürfte. Während derzeit im Fahrzeug verbaute Festplatten alle wichtigen Daten für Musik, Entertainment, Navigation und Telefon beinhalten, werden mittelfristig wohl nur noch wenige Basisdaten im Auto selbst gespeichert. "Die meisten Inhalte sind dann rein Web-basiert", so Herrtwich, "und werden nur bei Bedarf von einem zentralen Server in das Auto projiziert - selbstverständlich personalisiert."

Bedientechnisch ist das ganze einfach und zeigt kaum nennenswerte Unterschiede zu den aktuellen Navigations- und Multimediasystemen wie MMI (Audi), Command (Mercedes) oder iDrive (BMW). Auch diese Systeme bieten eine Reihe von Annehmlichkeiten, präsentieren DVD-Filme, 3D-Routenführung und Festplattenmusik. Doch wer hat derzeit schon Zugriff auf die wirklich besten Routen zur entsprechenden Fahrzeit oder alle gängigen Radiosender? Der Traum, seinem US-Lieblingsmusiksender "Smooth Jazz 95.7" aus Los Angeles auch in Lüneburg im Autoradio lauschen zu können, ist mit dem Webradio von morgen kein Problem mehr. Mainstream-Einerlei von Bayern 3 oder Dudelfunk von Einslive gehören dann der Vergangenheit an.

Noch wichtiger als akustische und visuelle Annehmlichkeiten während der Autofahrt sind sicherheitsrelevante Informationen. Bei entsprechender Infrastruktur kann nicht nur der Fahrer Informationen aller Art aus seinem mobilen Auto-Computer bekommen, sondern versorgt ohne aktives Zutun auch die Verkehrszentralen mit wichtigen Erkenntnissen über Verkehrsfluss, Unfälle und Stauungen.

"Wir gehen davon aus, dass Fahrzeuge auf absehbare Zeit einen Teil der Daten im Auto haben - auf entsprechend großen Festplatten oder Speichermedien - und aktuelle Informationen via Datenübertragung abrufen", blickt Katharina Bölsterl in die Zukunft. Etwas anders sieht man das bei Mercedes. Ralf Guido Herrtwich: "Ich gehe davon aus, dass mittelfristig alle nennenswerten Daten offboard ins Auto gebracht werden. Im Auto wird es dann nur einen kleinen Speicher zur Pufferung von Daten geben; wenn einmal keine Verbindung zum Netzwerk besteht."

Richtungsweisend

Auf große Fortschritte müssen nicht nur Elektronik- und Autofans seit Jahren vergeblich warten. Der vor zehn Jahren nach der ersten großen Mobilfunkwelle versprochene Datenturbo ist bisher allenfalls am Horizont zu sehen. Und auch die neuen technischen Entwicklungen dürften noch fünf bis zehn Jahre dauern. In punkto Information und Unterhaltung bieten die Internet-basierten Lösungen entsprechende Vorteile gegenüber den heute üblichen Systemen im Auto.

"Per Funk aktualisiert sich das System bei jedem Motorstart automatisch und bringt die Software somit fortlaufend auf den neuesten Stand", so Ralf Guido Herrtwich, "auch alle individuell abgerufenen Daten und Informationen sind stets aktuell und stehen den Insassen immer zur Verfügung, ohne dass komplizierte Bedienungsschritte notwendig sind."

Die Mobilfunkbetreiber sehen die Fortschritte in der mobilen Fahrzeugtechnik nicht nur mit einem lachenden Auge. Wenn flächendeckende Highspeed-Datenverbindungen existieren, können die Autofahrer auch die Internet-Telefonie (VoIP) nutzen. Die kostenlosen Telefonverbindungen und Datenübertragungen sind besonders für Geschäftsleute interessant, die einen Großteil der Mobilfunkumsätze bei T-Mobile, O2, E-Plus oder Vodafone generieren.

Richtungsweisend

Zumindest scheinen Fahrer und Beifahrer nur noch für beschränkte Zeit auf das gleiche Bild auf dem Multifunktionsbildschirm zu schauen. Systeme wie Dual-View oder Splitscreen sorgen mit einer Lochmaske dafür, dass der Beifahrer im Netz surfen oder einen Film sehen kann, während der Fahrer durch den anderen Sichtwinkel die Navigationskarte im Blick hat. Ihre Premiere feiert diese Technik in den neuen Mercedes-Modellen der E- und S-Klasse, Opel wird mit dem Insignia folgen.

Ungewöhnlich heftig streiten die Entwickler über die Bedienmöglichkeiten. Gerade die deutschen Hersteller setzen auf die bekannten Controller oder Dreh-Drück-Steller. Immer mehr Firmen sind jedoch der Ansicht, dass aufgrund der immer komplexer werdenden Systeme und Bedienmöglichkeiten kein Weg am Touchscreen vorbeiführt. In unseren Breiten reichen 26 Buchstaben oder Ziffern zwischen 0 und 9 für die Texteingabe. In Asien braucht es allerdings bis zu 3000 Schriftzeichen, um die entsprechende Adresse oder den Musiktitel seiner Wahl einzugeben. Sinnvoll ist dies nur per Touch-Screen oder Spracheingabe möglich.

"Wir setzen für die Bedienung im Auto in erster Linie auf die Sprache" unterstreicht Katharina Bölsterl. Das sieht man bei Herstellern wie Audi, Mercedes, Volvo oder Fiat kaum anders. Dort hat jedoch damit zu kämpfen, dass sich die Systeme zur Spracheingabe einer nicht einmal mittelmäßigen Nachfrage erfreuen. Teuer, unkomfortabel und fehleranfällig - das sind seit Jahren die Kritikpunkte, auch wenn sich einiges zum Guten gewandelt hat. Wirklich zufriedenstellend ist derzeit kein System. Auch darauf wird man also noch ein paar Jahre warten müssen.

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