Nachbau der Junkers F13:Urahn aller Verkehrsflugzeuge hebt wieder ab

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Dieter Morszeck, Inhaber eines als Sponsor fungierenden Kofferherstellers, klettert über den Flügel in die offene Pilotenkanzel der Junkers F13. (Foto: Gregor Kaluza)

Die Junkers F13 war der erste ganz aus Metall gebaute Passagierflieger. Jetzt kreist ein aufwändiger Nachbau durch die Lüfte - den aber nur gefühlvolle Piloten fliegen dürfen.

Von Andreas Spaeth

Sicher ist sicher. "Der erste öffentliche Auftritt der Junkers F13 war so wichtig, da haben wir den Erstflug schon zehn Tage vorher im kleinen Kreis gemacht und einige Flüge danach", sagt Testpilot Oliver Bachmann. Bei einer Hundertjährigen weiß man schließlich nie so genau, was ihr einfallen könnte, wenn Ehrengäste aus aller Welt gespannt auf ihr Abheben warten. Doch dank präziser Planung funktionierte der Urahn aller heutigen Verkehrsflugzeuge wie eine Nähmaschine.

Vor gut einer Woche startete die legendäre Junkers F13 auf dem Flugplatz Dübendorf bei Zürich. Nach nur 200 Metern hob die einmotorige Propellermaschine von der Graspiste ab. Die vier Sitze in der geschlossenen Passagierkabine blieben beim zwölfminütigen "Jungfernflug" allerdings unbesetzt. Am Steuerknüppel im offenen Cockpit: Oliver Bachmann. "Es war super, so etwas macht man ja nicht alle Tage", sagt Bachmann, der im Hauptberuf Flugversuchsingenieur beim Schweizer Militär ist und sich wie viele Beteiligte in seiner Freizeit dem Projekt F13 widmet.

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"Ihrer Zeit mindestens zehn Jahre voraus"

Sieben Jahre vergingen von der Idee, die F13 wieder fliegen zu lassen, bis zum Erstflug. Dahinter steckt der Verein der Freunde historischer Luftfahrzeuge in Mönchengladbach, die Ju-Air in der Schweiz, die vier "Tante Ju" des größeren Typs Ju-52 betreibt, sowie ein deutscher Koffer-Hersteller als Sponsor. "Die F13 war beim Erstflug 1919 ihrer Zeit mindestens zehn Jahre voraus, vor allem weil der visionäre Flugzeugbauer Hugo Junkers den Wert der zu jener Zeit neuen Legierung Duraluminium für den Flugzeugbau erkannte", so Projektsprecher Stefan Bitterle. "Die damals entscheidende Neuheit war die selbsttragende Konstruktionsweise mit einer Tragfläche, die ohne externe Verstrebungen auskam. Andere Flugzeuge waren in dieser Zeit noch als Doppeldecker unterwegs und bestanden meist aus mit Stoff bespannten Holzgerippen."

Zunächst gab es den Versuch, eine der wenigen erhaltenen Original-F13 wieder flugfähig zu machen. Insgesamt 348 Exemplare waren zwischen 1919 und 1931 bei Junkers in Dessau gebaut worden, mehr als 50 davon flogen bei der 1926 gegründeten Deutschen Luft Hansa. Gerade ein Handvoll an Originalen existiert noch, doch keines war verfügbar oder in ausreichend gutem Zustand. So blieb nur ein Nachbau.

Der Bau verschlang 12 000 Arbeitsstunden

In zahlreichen Archiven spürte das F13-Team Originalpläne auf, in Museen von Stockholm bis Paris, Le Bourget wurden vorhandene F13 ganz oder teilweise mit Laser-Scannern vermessen und die Daten in moderne 3-D-Konstruktionssoftware übertragen. Der eigentliche Bau der ersten neuzeitlichen F13 verschlang dann 12 000 Arbeitsstunden und fand im Schwarzwald statt. Der Flieger besteht aus 2600 Einzelteilen, zusammengehalten von über 35 000 Nieten.

Ein Kompromiss ist der Motor, hier verlässt man sich jetzt auf Bewährtes an Stelle eines restaurierten Original-Motors, von denen damals viele von Mercedes und BMW stammten. Zum Einsatz kommt im Nachbau ein Pratt & Whitney P & W R985 Wasp Junior Neunzylinder-Sternmotor mit 16 Liter Hubraum und 450 PS, wesentlich mehr Leistung als damals, als nur zwischen 160 und 310 PS zur Verfügung standen. "Wir brauchten einen zuverlässigen Motor, den es heute noch gibt, auch wegen der Ersatzteile", erklärt Oliver Bachmann. Der von 1929 bis 1953 gebaute P & W R985 treibt lautstark zum Beispiel Beaver-Wasserflugzeuge in Kanada an und ist weit verbreitet.

Schon vor 97 Jahren leistete der Antrieb der F13 Beeindruckendes: Am 13. September 1919 erreichte der Tiefdecker den zur damaligen Zeit unglaublichen Höhenweltrekord von 6750 Metern, und das lediglich mit einem 185-PS-Motor und sogar acht Menschen an Bord.

Solche Extreme mutet die Test-Crew ihrem neu erbauten Veteranen noch nicht zu, auch weil sie sich erst an das sehr spartanisch ausgestattete Cockpit gewöhnen muss. "Da gibt es nur sehr wenige Instrumente, ich hätte gern noch einige mehr, um genauer und präziser fliegen zu können," sagt Oliver Bachmann. "Etwa ein Variometer, das mir die Steig- und Sinkrate anzeigt, oder ein GPS zur Positionsangabe, das fehlt alles, aber es passt eben nicht in ein so altes Flugzeug."

Die F13 muss man nach Gefühl fliegen

Immerhin gibt es zwei Dinge, die heute in der Luft gänzlich unverzichtbar sind: Ein Funkgerät und einen Transponder. Aber statt eine Fülle an Instrumenten abzulesen, verließen sich Piloten vor rund hundert Jahren eher auf ihre eigene Sinneswahrnehmung: "Ich kann aus eigener Erfahrung sagen, man hört die Geschwindigkeit und man spürt sie in der F13. Das ist schon sehr ungewohnt, aber wir hatten bisher immer gutes Wetter, und daher war das kein schlechtes Gefühl. Ein bisschen wie beim Autofahren im Cabriolet", so der Testpilot. Das offene Cockpit war damals Teil der Philosophie - "vermutlich um eine größere Verbindung der Piloten mit der Natur herzustellen. Sie konnten den Wind spüren und wussten daher, wie schnell sie etwa waren, wegen der Geräuschkulisse. Dieses Flugzeug wurde viel mehr nach Gefühl geflogen als nach Instrumenten", weiß Oliver Bachmann.

Die Passagiere dagegen haben es sehr kommod, inklusive Schiebefenster nach vorn, durch das sie mit den Piloten kommunizieren können - wenn der Lärm es zulässt: "Hinten ist es ein wenig wie Reisen in der Kutsche - man sitzt drinnen mit großem Komfort, während die Piloten vorn draußen arbeiten. Die Kabine ist mit gepolsterten, cognacfarbenen Ledersitzen ausgestattet und sogar beheizbar - ein Luxus, den wir vorn im Cockpit nicht haben", sagt Testpilot Bachmann.

Die F13 ist ein Schönwetter-Flugzeug

Immerhin bis zu dreieinhalb Stunden kann ein Flug in der F13 dauern, während sie mit 170 km /h in niedriger Höhe dahinbrummt, bis zu 600 Kilometer weit am Stück. Bei Regen oder Schnee geht nichts, die F13 ist ein Schönwetter-Flugzeug, das nur nach Sichtflugregeln geflogen werden kann.

Reiseflug ist allerdings auch nicht vorgesehen. Nach etwa 30 Flugstunden hoffen die Betreiber bis Mitte 2017 auf die Zulassung durch das schweizerische Bundesamt für Zivilluftfahrt und die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA. Die derzeit fliegende F13 ist ein Unikat, das vor allem auf Flugschauen gezeigt werden soll, auch mit Passagieren an Bord. Wer allerdings unbedingt gern seine eigene F13 hätte - für die Kleinigkeit von 2,5 Millionen Dollar pro Exemplar soll sie in Kleinserie produziert werden. Einen gebrauchten Privatjet bekommt man schon für die Hälfte. Aber es war ja bekanntlich immer schon etwas teurer, einen besonderen Geschmack zu haben und ein historisches Sammlerstück zu besitzen.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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