Nach dem VW-Abgas-Skandal:Das gibt Stunk

TDI-Emblem auf der Motorabdeckung eines Dieselmotors

Hat der Dieselmotor noch eine Zukunft? Eine Frage, die Industrie und Politik derzeit noch bejahen.

(Foto: REUTERS)
  • Das Umweltministerium plant wegen der VW-Affäre Abgasgrenzen und Kontrollen für Dieselfahrzeuge.
  • Vertreter von Wirtschaft und Politik gehen auf Distanz. Vertreter beider Lager warnten davor, den Dieselmotor generell zu verteufeln.
  • Allerdings setzen sich SPD und Grüne dafür ein, Elektromobilität stärker zu fördern.

Von Michael Bauchmüller, Thomas Fromm, Max Hägler und Thomas Öchsner

Die Reaktion war erwartbar: Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) plant wegen der Abgasaffäre bei Volkswagen Abgasgrenzen und Kontrollen für Dieselfahrzeuge - und Vertreter von Wirtschaft und Politik gehen auf Distanz. "Wenn man die Grenzwerte jetzt unrealistisch absenkt, sodass sie mit klassischen Verbrennungsmotoren nicht mehr erreichbar sind, dann tut man dem Verbraucher, aber auch der Industrie nichts Gutes", warnt der Chef des Autozulieferers Bosch, Volkmar Denner.

Und Bundeswirtschaftsminister und SPD-Chef Sigmar Gabriel warnte davor, Dieselfahrzeuge generell zu verteufeln. "Wir sollten nicht das Kind mit dem Bade ausschütten", sagte Gabriel und verwies darauf, dass in Deutschland 75 000 Jobs von der Nutzung von Dieselautos abhingen. Die deutsche Autoindustrie ist wegen der Manipulation von Abgastests bei Volkswagen schwer in die Bredouille geraten: Sie setzt seit Jahren auf ihre Dieselmotoren, vor allem weil diese vergleichsweise klimafreundlich sind: Sie blasen weniger Kohlendioxid in die Luft als Benziner. Das Problem nur: Ihre Stickoxid-Emissionen sind weitaus höher. Um das Problem in den Griff zu kriegen, hatte VW seine Dieselmotoren mit einer Spezial-Software so manipuliert, dass das Auto Testsituationen erkannte - und hier kurzzeitig weniger Stickoxide ausstießen.

Dies wirft Fragen auf: War die Idee vom sauberen Diesel von Anfang an eine Illusion? Wird die Technologie den VW-Skandal überhaupt überleben? Die Industrie jedenfalls ist nicht bereit, sich von ihr zu verabschieden. "Dass die EU heute im Durchschnitt bei CO₂ so deutlich unter den USA oder China liegt, ist überwiegend dem hohen Dieselanteil geschuldet", heißt es bei BMW. Und ein Daimler-Sprecher sagt: "Der Diesel ist eine wichtige verbrauchseffiziente Technologie, die einen wesentlichen Teil zur Erreichung der Klimaziele beiträgt."

Dass die Konzerne am Diesel festhalten, hat Gründe: Ohne ihn dürfte es ihnen schwerfallen, CO₂-Vorgaben aus Brüssel einzuhalten. "Für das Erreichen der deutschen und europäischen Klimaziele ist der Diesel unverzichtbar", sagt der Präsident des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann. Bei Hendricks freilich klingt das anders. Zwar wolle sie den Diesel nicht verteufeln, schreibt die SPD-Frau in ihrem Neun-Punkte-Plan. "Es ist aber auch nicht so, dass Deutschlands Klimaschutzziele in Gefahr gerieten, wenn der Marktanteil der Dieselfahrzeuge abnähme." Stattdessen will die Ministerin den Kauf von Elektroautos stärker fördern - mit Kaufzuschüssen etwa, oder mit festen Quoten. Fahren sie mit Ökostrom, sind sie nahezu emissionsfrei unterwegs. Bis 2020 will die Bundesregierung eine Million Elektrofahrzeuge auf die Straße bringen, doch das Ziel ist fern. Auch Wirtschaftsminister Gabriel ist sich "ganz sicher, dass wir diese Million nicht erreichen, wenn wir nicht einige Dinge auf den Weg bringen". Dazu sollten die öffentliche Hand mehr Elektro-Dienstautos anschaffen, es müssten mehr Elektrotankstellen entstehen. Und schließlich brauche es Anreize, um den Preisunterschied zwischen konventionellen Fahrzeugen und Elektrofahrzeugen zu verringern. "Ich bin sehr dafür, dass wir das machen", sagte Gabriel. Derzeit berät eine Arbeitsgruppe verschiedener Ministerien darüber, wie sich E-Autos zusätzlich fördern ließen, noch in diesem Jahr will sie Ergebnisse vorlegen. Zu Kaufzuschüssen allerdings kam am Mittwoch ein klares Nein aus dem Verkehrsministerium. "Direkte staatliche Kaufprämien halten wir für nicht zielführend", sagte ein Sprecher. Die Grünen sehen seit Hendricks Vorstoß dennoch ganz neue Bewegung in der Regierung. "Wir brauchen dringend eine Offensive für die E-Mobilität", sagte Fraktionschef Anton Hofreiter. Finanziert werden müsse diese über einen Umbau der Kfz-Steuer - mit höheren Steuern für "übermotorisierte Dreckschleudern".

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