Motorräder:Harley-Davidson dreht auf

Volles Rohr: Die Motorrad-Legende Harley-Davidson will auch außerhalb der USA wachsen und kauft sportliche europäische Modelle dazu.

Von Ulf Böhringer

Harley-Davidson, weltweit größter Hersteller schwerer Motorräder, schmückt sich mit der vergleichsweise jungen europäischen Marke MV Agusta. Der US-Zweirad-Konzern, der im Jahr 330.000 Bikes produziert, übernimmt für 70 Millionen Euro alle Aktien der auf supersportliche Motorräder spezialisierten italienischen Firma. Sie steckt in ernsthaften finanziellen Schwierigkeiten und hat dieses Jahr die Vorjahresproduktion von knapp 6000 Fahrzeugen erheblich reduziert.

Motorräder: Born to be Wild: Das Lied der Rockgruppe Steppenwolf aus dem Film "Easy Rider" wurde zur Hymne der Motorradfahrer. Der Film selbst, mit Dennis Hopper (links) und Peter Fonda in den Hauptrollen, hat die Motorräder von Harley-Davidson weltberühmt gemacht.

Born to be Wild: Das Lied der Rockgruppe Steppenwolf aus dem Film "Easy Rider" wurde zur Hymne der Motorradfahrer. Der Film selbst, mit Dennis Hopper (links) und Peter Fonda in den Hauptrollen, hat die Motorräder von Harley-Davidson weltberühmt gemacht.

(Foto: Foto: Arte/Sony Pictures)

Ein exotischer Schmetterling als sportliche Facette

Das abenteuerliche Wachstum mit stets zweistelligen Zuwachsraten, das die Marke Harley-Davidson insbesondere in den 90er Jahren hinter sich brachte, ist inzwischen zu Ende. Ein weiteres Wachstum könne aus heutiger Sicht nur außerhalb Nordamerikas erfolgen, sagt man bei Harley-Davidson Europe. MV Agusta, ein schöner, aber exotischer Schmetterling, ergänzt das Angebot der als behäbig geltenden US-Firma um die sportliche Facette.

Harley-Davidson, das am letzten August-Wochenende mit voraussichtlich 500.000 Besuchern seinen 105. Geburtstag feiert, ist der wohl schillerndste wie erfolgreichste Motorrad-Hersteller der Welt. Gegründet wurde die Firma 1903 von drei Davidson-Brüdern und William Harley in einer barackenähnlichen Garage in Milwaukee. Nach zähen Aufbaujahren blieb Harley-Davidson schließlich als einziger Hersteller vom Zusammenbruch der amerikanischen Motorrad-Industrie verschont. In den 60er Jahren stand die Firma vor der Pleite, doch just da wendete sich das Blatt: Das Aufbegehren der Jugend gegen das Establishment und der grandiose Erfolg des Peter-Fonda-Films "Easy Rider" (1969) ließen das Motorrad plötzlich wieder begehrenswert erscheinen.

Harley-Davidson dreht auf

Zudem fächerte sich das Image von Harley-Davidson stark auf: Während die einen in der US-Traditionsmarke ein bewahrenswertes Stück Amerika sahen und sich mit den schon seit 1909 von V2-Motoren angetriebenen Maschinen das Land eroberten, nutzten andere die Marke zu einem besonderen Kult. Keine Motorrad-Gang weltweit, die in den 70er Jahren nicht auf Harleys setzte. Damals produzierte Harley-Davidson reichlich Schlagzeilen - oftmals wider Willen.

Entwürfe fürs Museum

Die Wende kam 1981, als die Davidson-Familie wieder die Führung übernahm. In den Jahren seither erhöhte sich der Börsenwert um das 170-Fache, Harley-Davidson wurde zu einer Ikone der New Yorker Börse. MV Agusta ist dagegen ein ganz kleiner Fisch, gilt aber dennoch als Zweirad-Ikone. Das liegt vor allem im Entwurf des Modells F4 des Designers Massimo Tamburini begründet. Dieses 1997 präsentierte Modell besitzt ein noch heute für Sportmotorräder wegweisendes Design. Der damals noch brandneuen F4 wurde sofort der prominenteste Platz der Ausstellung "The Art of the Motorcycle" im New Yorker Guggenheim Museum zuteil, die im Sommer 1998 das Motorrad erstmals als Kunstwerk darstellte und sämtliche Besucherrekorde brach.

MV Agusta war als reine Motorrad-Firma 1945 gegründet worden. Zwischen 1952 und 1973 dominierten Fahrer wie Carlo Ubbiali, Giacomo Agostini und Phil Read auf MV Agusta fast 20 Jahre lang die Motorrad-Weltmeisterschaft. Nach dem Tod des Firmengründers Graf Domenico Agusta kam die Marke in Schwierigkeiten und wurde 1980 liquidiert. 1992 erwarb Claudio Castiglioni den Markennamen MV Agusta; 1997 präsentierte er das Modell F4 mit einem in Eigenregie entwickelten, extrem leistungsfähigen Vierzylindermotor. Vor zwölf Monaten hat Claudio Castiglioni, der laut Harley-Davidson weiterhin Vorstandschef bleiben soll, bereits die Marke Husqvarna für geschätzte 93 Millionen Euro an BMW verkauft. Husqvarna, wie Harley-Davidson seit 1903 Motorrad-Hersteller, bleibt als selbständige Marke erhalten.

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