Motorradmesse Intermot 2008:Klassen-Treffen

Auf der Motorradmesse Intermot 2008 stehen die Supersportler und die Suche nach jüngerer Kundschaft im Mittelpunkt.

Thilo Kozik

Die Zeiten sind besorgniserregend, die Wirtschaft schwächelt und bei vielen sitzt das Geld nicht mehr so locker. Dennoch herrscht bei den Verantwortlichen des Industrieverbandes Motorrad (IVM) vorsichtiger Optimismus. Rechtzeitig zur Intermot, zu der in Köln bis Sonntagabend mehr als 190.000 Besucher erwartet werden, legte der deutsche Motorradmarkt im September völlig überraschend noch einmal zu. Seit Januar waren es unterm Strich rund 147.000 neu zugelassene Bikes, ein Plus von 0,7 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Von einer Trendumkehr mochte aber selbst beim notorisch optimistischen Branchenverband angesichts der letzten acht mageren Jahre niemand sprechen. "Deutschland ist eben Bestandsland", meint IVM-Sprecher Achim Marten, "die Leute fahren ältere Modelle länger und investieren lieber in Kleidung und Ausrüstung."

Motorradmesse Intermot 2008: Start in die Saison: Yamaha stellt die Neuauflage der XJ6 Diversion ABS vor

Start in die Saison: Yamaha stellt die Neuauflage der XJ6 Diversion ABS vor

(Foto: Foto: Yamaha)

Trotzdem verkaufen sich in Deutschland großvolumige Motorräder über 750 Kubik immer noch vergleichsweise gut, besser jedenfalls als in allen anderen europäischen Ländern. Das mag mit der Struktur der deutschen Bikerszene zusammenhängen, die immer älter wird - aktuell im Schnitt Anfang vierzig - und sich das Freizeitvergnügen Motorradfahren leisten kann. So kostet Deutschlands Topseller BMW R 1200 GS mindestens 12.500 Euro, mit ein paar Extras kommen schnell 14.000 Euro zusammen. Insgesamt setzt die Zweiradbranche hierzulande erkleckliche sieben Milliarden Euro im Jahr um.

Doch die Hersteller klagen über fehlenden Nachwuchs. Warum das so ist, weiß keiner so genau. Empirische Untersuchungen haben ein ganzes Bündel von Gründen zusammengetragen - von der größeren Ablenkung Jugendlicher durch vielfältige Freizeitmöglichkeiten und der Konkurrenz durch Computer und Handy ist die Rede. Auch der fehlende Coolness-Faktor spielt eine Rolle: Was Väter tun, ist für den Nachwuchs nicht zwingend attraktiv. Obendrein bremsen die Fahrschultarife den Einstiegspreis in die Zweiradwelt. Und nicht nur BMW-Motorradchef Hendrik von Kuenheim fragt sich: "Warum muss ein Motorradführerschein in Deutschland vier Mal mehr als in Spanien kosten?"

Doch der Hinweis auf hohe Kosten entlarvt das Problem als zum Teil hausgemacht, denn auch die Preisspirale bei den Motorrädern dreht sich weiter. Selbst wenn sich alle Hersteller bei der Frage nach den Preisen ihrer Vorzeigemodelle auf der Intermot noch in Schweigen hüllen - zwangsläufig werden verfeinerte Technik, hochwertige Komponenten und edle Materialien, die für mehr PS und weniger Gewicht sorgen, einen weiteren Preisschub auslösen. Denn nach wie vor setzen die Hersteller auf die Sogwirkung ihrer Supersport-Flaggschiffe - und das trotz des rückläufigen Trends: Von allen neu zugelassenen Motorrädern sind nur 15 Prozent reine Supersportler.

Klassen-Treffen

Trotzdem stellt Suzuki auf der Messe seine erstmals seit 2001 komplett überarbeitete GSX-R 1000 mit einem völlig umgekrempelten Reihenvierzylinder-Motor mit mehr als 185 PS vor; zusammen mit dem modifizierten Fahrwerk bleibt die Waage bei fahrfertigen 203 Kilo stehen. Während Suzuki bei der GSX-R das klassische Thema "schneller, stärker, leichter" in bekannter Art interpretiert, sucht die Konkurrenz andere Wege zum Supersport-Gipfel. So wählt Yamaha den emotionalen Zugang mit der aggressiv gestylten YZF-R1, die zwar auch auf den japantypischen Reihenvierer baut, dessen Kurbelwelle aber erstmals im Serienbau mit vier um jeweils 90 Grad versetzte Hubzapfen werkelt. Das bringt zwar nicht mehr Leistung - maximal 182 PS -, dafür aber entwickelt der Motor durch die ungleichmäßige Zündfolge eine pulsierende, deutlich spürbare Charakteristik, die dem Fahrer ein intensiveres Erleben im Sattel ermöglichen soll.

Honda propagiert mit den Supersportmodellen Fireblade und CBR 600 RR Sicherheit und bietet für beide Bikes eine elektronisch gesteuerte ABS-CBS-Technologie an, die in Millisekunden die optimale Bremskraftverteilung aufbaut und nötigenfalls das ABS zuschaltet. Ob das 1000 Euro Aufpreis teure, zehn Kilo schwere System die ABS-kritischen Supersportfahrer überzeugt, wird vor allem von Erfolgen auf der Rennstrecke abhängen - auch wenn die Technik das Fahren im normalen Straßenverkehr sicherer macht.

Aber auch BMW ist auf dem Superbike-Trip: Die Münchner kamen mit der S 1000 RR nach Köln - ein Vierzylinder-Racer, der 2009 in die Superbike-WM einsteigen soll und bei dem von rund 190 PS die Rede ist. Den Serienableger wird man im Frühjahr ordern können; wann ausgeliefert wird, steht in den Sternen. Bis dahin kann man sich mit einem der drei neuen K-Modelle die Zeit vertreiben, deren Vierzylinder auf 1300 Kubik vergrößert wurden. Dabei markiert die K 1300 S mit 175 PS bis zum Start der S 1000 RR die stärkste und schnellste BMW aller Zeiten.

Doch es gibt auch ein (Zweirad-)Leben jenseits von Rennstrecken und PS-Protzerei; eines der Beispiele ist die Ducati Monster 1100. Mit einem Hybridrahmen aus Gitterrohr und Gussteilen rund um den bekannten, 95 PS starken Desmo-V2 und Einarmschwinge verknüpft das Naked Bike italienischen Chic mit besten Landstraßenqualitäten. Hinzu kommt eine erstaunlich große Artenvielfalt neuer Mittelklasse-Motorräder. Kawasaki bringt das bewährte Reihenzweizylinder-Doppel aus verkleideter ER-6f und nackter ER6-n, das mit edlerer Ausstattung und optischen Retuschen hohe Eigenständigkeit demonstriert.

Klassen-Treffen

Suzuki zeigt mit der unverkleideten SFV 650 Gladius den sportiven Nachfolger der beliebten SV 650; der 90-Grad-V-Motor dient mit kleinen, den Durchzug fördernden Änderungen als Antrieb. Yamaha belebt die XJ6 Diversion neu, mit einem modifizierten Vierzylinder-Triebwerk aus der R6 und Basistechnik beim Fahrwerk. Während Yamaha und Kawasaki die Zeichen der Zeit erkannt haben und seine neue Mittelklasse mit ABS anbietet, verwehrt sich Suzuki noch dem Trend.

Eine unmittelbare Reaktion auf die alternde Bikerszene ist das zunehmende Angebot an Cruisern. Der Markt für Motorräder im amerikanischen Stil hat stabil hinzugewonnen, heute ist jedes zehnte neu zugelassene Bike ein Cruiser vom Schlage der Kawasaki VN1700 Classic. Die gibt es in einer abgespeckten Classic- und einer vollmundigen Voyager-Version mit neuem flüssigkeitsgekühlten V-Motor mit 1700 Kubik und 74 PS.

Einen zarten Silberstreif sieht die Branche bei den 125ern. Seit sich hier attraktive Modelle wie die Yamaha YZF-R 125 und Honda CBR 125 R tummeln, kommen wieder mehr Jugendliche auf die Zweiradschiene. Und die Hersteller legen nach: Honda bringt die CBF 125 im Stil des Verkaufsschlagers CBF 600 und Yamaha lockt mit dem 125er-Duo WR 125 X und R, zwei erwachsene Modelle im stilechten Supermoto- und Enduro-Auftritt. Vielleicht gelingt es ja, Väter und Söhne wieder gemeinsam aufs Motorrad zu bringen.

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