Motorradmesse Eicma in Mailand:Zitterpartie statt Premierenfieber

Weniger Neuheiten, Ausstellerabsagen: Die Motorradmesse Eicma in Mailand zeigt, wie groß die Probleme der Branche sind.

Ulf Böhringer

Grelle Scheinwerfer hier, gedimmtes Licht oder, noch schlimmer, gar Abwesenheit dort: Die Mailänder Motorradmesse Eicma, die am Sonntag nach sechs Tagen zu Ende ging, offenbarte deutlich, wie es zurzeit um die internationale Motorradindustrie steht. Während einige europäische Hersteller - allen voran BMW und Ducati - noch Optimismus versprühten, duckten sich die Japaner fast schon weg: Honda und Yamaha konnten sich nicht einmal zu einem Importeurs-Messestand aufraffen, Kawasaki und Suzuki verzichteten auf größere Renovierungsarbeiten des Modellprogramms. Der weltweite Volumenrückgang um 34 Prozent im Verlauf des bisherigen Jahres in der Kategorie über 500 Kubikzentimeter Hubraum trifft die Hersteller mit unterschiedlicher Wucht.

Motorradmesse Eicma in Mailand: Hoffnungsträger: Ducati Multistrada 1200

Hoffnungsträger: Ducati Multistrada 1200

(Foto: Foto: oh)

Angesichts der weltweit angespannten Lage verwunderte es nicht, dass aus der Flut neuer Motorräder in den vergangenen Jahren ein Rinnsal geworden ist. Umso erstaunlicher, dass es mit Ducati einer der kleineren Hersteller ist, der die Aussichten auf die Saison 2010 mit zahlreichen, teils aufwendigen Neuentwicklungen aufhellt. Besonders bemerkenswert ist das Modell Multistrada 1200, das auf jenes fahraktiv geprägte Segment der über 40-Jährigen zielt, die die BMW R 1200 GS zu einem überragenden Erfolg haben werden lassen.

Auffallend an der italienischen Herausforderin sind neben dem geringen Gewicht von rund 215 Kilo und dem extrem leistungsfähigen 150 PS starken Motor zahllose elektronische Regelungen. Vier Fahrprogramme - Sport, Touring, Urban und Enduro - stellen unterschiedlich viel Leistung und Drehmoment bereit und bestimmen zugleich den Eingriffslevel der serienmäßigen Traktionskontrolle. Der Grundpreis für die Multistrada 1200 mit ABS dürfte bei knapp 15.000 Euro liegen.

BMW muss geahnt haben, dass nach vielen Jahren der GS-Alleinregentschaft in diesem Segment nun ernsthafter Wettbewerb droht. So erhält das Rückgrat der weißblauen Modellpalette künftig einen im Hubraum zwar unveränderten Boxermotor, der sich aber durch oben liegende Nockenwellen auszeichnet. Das DOHC-Aggregat, trotz erhöhtem Bauaufwand schmaler als der HC-Altboxer, stellt zwischen Leerlaufdrehzahl und 6000 Umdrehungen etwa fünf Prozent mehr Drehmoment bereit, belässt es aber bei vergleichsweise moderaten 81 kW (110 PS). Der GS-Preis steigt um 200 Euro auf 13.000 Euro, die Adventure-Version wird mit dem neuen Triebwerk im Frühjahr für 14.550 Euro zu haben sein. Mit demselben Motor wird auch das Boxer-Touringflaggschiff R 1200 RT (16.200 Euro) ausgerüstet und durch eine sorgfältige Modellüberarbeitung aufgewertet.

BMW sorgte für Aufregung

Für Aufsehen in Mailand sorgte auch die von BMW Concept 6 genannte Motorradstudie im Stile eines Café Racers. Zum Kummer mancher Betrachter wird dieses Bike zumindest in dieser Form niemals auf die Straße kommen, aber: So gut wie serienreif sind der extrem schmal bauende Sechszylinder-Reihenmotor sowie der Alurahmen und das Fahrwerk. Auf den Markt kommen dürfte die Neuentwicklung Anfang 2011 und soll die betagte K 1200 LT ablösen, die gegen Hondas Gold Wing nicht mehr wirklich konkurrenzfähig ist. Dem 1,6 Liter großen Reihensechszylinder attestieren die Entwickler bereits jetzt Laufkultur und beachtliche Leistungswerte: Schon bei 2000 Umdrehungen stehen 130 Newtonmeter Drehmoment bereit.

Nochmal richtig Gas gegeben hat in Mailand die Exklusivmarke MV Agusta - noch in Harley-Davidson-Besitz, aber zum Verkauf verdammt. Am Firmensitz in Varese hatte man zwölf Jahre nach der Premiere der Motorrad-Ikone F4 ein supersportliches Nachfolgemodell entwickelt, das dieselbe Modellbezeichnung trägt und viele Ähnlichkeiten zur Ur-F4 aufweist. Und so war es ein fast wehmütiger Moment, als Rennfahrerlegende Giacomo Agostini mit Firmenchef Claudio Castiglioni die neue F4 enthüllte - denn was aus MV Agusta wird, weiß niemand.

Ebenfalls Gesprächsthema während der Eicma, aber wegen Hondas Fehlen nicht zu sehen: die neue VFR 1200 F. Der Tourensportler mit V4-Motor (127 kW / 172 PS) soll Februar 2010 Premiere haben; im Sommer dann gibt es auf Wunsch statt des Sechs-Gang-Getriebes das weltweit erste miniaturisierte Doppelkupplungsgetriebe.

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