Motorrad mit Elektroantrieb:Die Öko-Raserin

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Eva Hakånsson zusammen mit ihrem Mann Bill und dem Rekordmotorrad KillaJoule auf dem Salzsee von Bonneville im US-Bundesstaat Utah. (Foto: Mike Stockert/Bonnevillestories.com)

Eva Hakånsson ist schneller Motorrad gefahren als je eine Frau zuvor. Ihren Rekord von 435 km/h schaffte sie auf einem selbstgebauten Elektro-Bike. Das soll bald noch schneller fahren.

Porträt von Thilo Kozik

Sieht ganz so aus, als sei die Lust an der Geschwindigkeit eine Sache von Männern. Oder jedenfalls von großen Jungs. Schon immer und immer noch. Ausnahmen bestätigen die Regel. Zum Beispiel Eva Hakånsson, Schwedin, 34 Jahre alt, eine Tempobesessene vom ersten Tag ihres Lebens an, wenn man so will. Am 29. August 1981 wird sie in eine rennsportbegeistere Familie hinein geboren - Vater Sven war 1962 schwedischer Meister in der Motorrad-"Schnapsglas"-Klasse bis 50 ccm, ihre Mutter seine Mechanikerin.

Mit 16 macht Eva den Motorradführer-schein und ist bald so schnell wie ihre Brüder. Doch mehr noch als schnelles Fahren interessiert die junge Schwedin das Konstruieren - Evas Eltern sind beide Maschinenbauingenieure, die Brüder Elektroingenieure. So baut sie gemeinsam mit ihrem Vater eine restaurierungsbedürftige Moto Guzzi Stornello von 1972 wieder auf. Nach der Praxis stürzt Eva sich in die Theorie und macht einen Abschluss nach dem anderen: erst einen Bachelor in Betriebswirtschaftslehre, dann einen in Umweltwissenschaften, und nach dem Master promoviert sie nun in Maschinenbau - doch danach soll endlich ein richtiger Job her.

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"Killa Cycle" weckt die Leidenschaft

In ihrer Bachelorarbeit befasst sie sich mit den Zusammenhängen von Technologie, Ökonomie und Umweltbewusstsein, parallel befördert Vater Sven mit einem elektrischen Roadster ihre Faszination für die elektrische Fortbewegung. Kurzerhand verwandelt Eva Hakånsson sie mit seiner Hilfe eine 125er-Cagiva in ein Elektromotorrad - das "Electro Cat" getaufte Zweirad wird nicht nur das erste zugelassene E-Bike in Schweden, sondern nimmt 2010 auch als erstes Elektromotorrad am legendären Pike's-Peak-Rennen teil.

Da ist die Schwedin längst mit dem Tempovirus infiziert. Sie recherchiert für ein Buch über Hybrid- und Elektrofahrzeuge und stößt dabei auf das schnellste Elektromobil der Welt, den zweirädrigen Dragracer "Killa Cycle". Der Kontakt mit dessen Besitzer Bill Dubé wird zu einer Geschichte mit Hollywood-Faktor: Nach ein paar E-Mails und Telefongesprächen treffen sich die beiden auf einem Symposium für E-Fahrzeuge in Los Angeles. Es funkt, geheiratet wird zwei Jahre später. "Freunde haben uns kurzerhand zu Anode und Kathode ernannt", erinnert sich Eva.

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Ein Motorrad wie ein Düsenjäger

Eva und Bill fahren mit ihrem Killa Cycle die in den USA populären Quartermile-Beschleunigungsrennen. Bloß nimmt außerhalb der Staaten kaum jemand Notiz davon. "Wenn ich jemandem daheim in Schweden erzählt habe, dass wir die Vier-telmeile in 7,6 Sekunden absolviert haben, wurde ich ständig gefragt: Und wie schnell ist das jetzt?", erinnert sich Eva. Also half nur eines: die Teilnahme am "Land Speed Racing", die Jagd nach Geschwindigkeitsrekorden. Dafür gibt es ein alljährliches Event: die Speedweek auf dem Salzsee von Bonneville in Utah im August. Und die kennt auch in Europa jedes Kind.

Also basteln Eva und Bill rund fünf Jahre an ihrem Weltrekordfahrzeug. 150 000 Dollar stecken die beiden in den nadelschmalen Streamliner mit Auslegerrad, in dem der Fahrer wie in einem Düsenjäger sitzt - aus eigener Tasche, und dabei sind die Arbeitsstunden noch gar nicht gezählt : Eva hat fast achtzig Prozent der knallroten Nadel selbst konstruiert und angefertigt. Ihr Name: Killa Joule, in Anlehnung an Kilojoule, die Einheit für Energie.

Das selbstgebaute Fahrzeug ist 5,60 Meter lang, 50 Zentimeter breit und wiegt alles in allem nur 700 Kilo - inklusive Evas 58 Kilo. Unter der glasfaserverstärkten Kunststoff-Hülle stellt ein Lithium-Ionen-Nanophosphat-Batterienpack die Energie bereit, im Prinzip mit der gleichen Technologie wie der von Akku-Bohrern. Eva Hakånsson legt Wert darauf, dass "Batterien und Antrieb alles Stangenware sind, für die Rekordfahrten ist nichts extra angefertigt worden - das hätten wir uns auch gar nicht leisten können."

Daheim in Denver wird der Akku mit So-larkraft aufgeladen, auf dem Bonneville-Salzsee in Utah speist ein Hybrid-Bio-Diesel-Generator die Batterie. Voll geladen steht ein Drehmoment von 1100 Newtonmetern und eine Motorleistung von rund 400 PS bereit. Damit erreichte die KillaJoule in den legendären Speed Trials im August 2014 verbriefte 387,328 km/h (240,726 mph) als Durchschnittsgeschwindigkeit für die "fliegende Meile". Dabei muss die Messstrecke innerhalb einer bestimmten Zeit zwei Mal absolviert werden. Hakånsson fuhr damit in dieser Klasse schneller als jedes andere Motorrad mit E- oder Verbrennungsmotor zuvor. Die dabei erzielte Höchstgeschwindigkeit von 434,9 km/h macht Eva Håkansson zur schnellsten Frau auf einem Motorrad.

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Plötzlich ein Werbegesicht für Whiskey

Der schnellen Schwedin geht es aber nicht nur um rekordverdächtige Geschwindigkeiten, sie möchte gerne andere Menschen mit ihrer Faszination für umweltfreundliche Fahrzeuge anstecken. Eva gibt zu: "Ich bin genau so ein Speed- wie ein Ökofreak, ich liebe die Natur und die Geschwindigkeit. Elektrisch fahren ist für mich wie Schokolade, nur ohne Kalorien: All die guten Dinge wie Leistung und Tempo ohne die negativen Begleiterscheinungen Lärm und Abgase. Ich möchte beweisen, dass umweltfreundlich schnell sein und Spaß machen kann - und ganz nebenbei zeigen, dass Frauen auch exzellente Ingenieure sein können."

Damit wurde Eva interessant für die Werbeindustrie, auch wenn sie das zunächst gar nicht glauben mochte: Als ein Whiskey-Hersteller sie für eine Werbekampagne verpflichten wollte, "hab ich die E-Mail erst mal als Spam betrachtet und gelöscht. Erst nach dem dritten oder vierten Kontaktversuch hab ich darauf geantwortet", bekennt Eva - jetzt ziert ihr Konterfei die Kampagne "Joy will take you further".

Nach der Weltrekordfahrt von 2014 musste Hakånsson im letzten Jahr ihre Ambitionen zurückstellen - wegen der ungünstigen Witterung hatte der Ausrichter alle Rekordfahrten auf dem Salzsee abgesagt. Unterm Strich hat diese Verzögerung Eva in die Karten gespielt, denn so konnte sie die Killa Joule weiter entwickeln. Mit einem klaren Ziel vor Augen: "Bei den nächsten Speed Trials im August werde ich versuchen, die 300 Meilen pro Stunde (483 km/h) zu knacken."

© SZ vom 19.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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