Mobilität im Jahr 2030:Der Zukunft auf der Spur

Der Mensch will und muss sich fortbewegen - weil Wohnort und Arbeitsstätte voneinander getrennt sind, weil er ein soziales Wesen ist und weil er Neues entdecken will. Aber wird das auch zukünftig noch problemlos möglich sein?

Marion Zellner

Der Mensch will und muss sich fortbewegen - weil Wohnort und Arbeitsstätte voneinander getrennt sind, weil er sich mit dem Bedarf des täglichen Lebens versorgen muss, weil er ein soziales Wesen ist und weil er Neues entdecken will. Für all das greift er zu Vehikeln, die ihn von A nach B bringen.

Doch welches nutzt er wofür und in welchem Maß? Auto, Bahn, Flugzeug, die öffentlichen Verkehrsmittel oder das Fahrrad - die Auswahl ist groß. Und nicht nur Personen sind auf Achse, auch Güter werden auf verschiedene Art quer durch die Republik und rund um die Welt transportiert.

Doch dieser Verkehrsfluss lässt seit Jahren Grenzen erkennen und wirft Probleme auf: Staus auf der Straße, Stillstand wegen widriger Wettereinflüsse, aber auch steigender Schadstoffausstoß - ein kompletter Zusammenbruch des Systems wird latent befürchtet; der Schaden für die Umwelt scheint nicht mehr aufzuhalten zu sein.

Ob das tatsächlich Wirklichkeit werden könnte, skizzierten Experten in einer Podiumsdiskussion des Verkehrsparlaments der Süddeutschen Zeitung mit dem Titel "Blick ins Jahr 2030: Die Zukunft der Mobilität - Szenarien für Deutschland und die Region München".

Da der Blick in eine Glaskugel in aller Regel sinnlos ist, versucht man sich an Zukunftsszenarien, die auf stabilen Entwicklungen basieren. Eine solche Studie erstellte das Institut für Mobilitätsforschung (ifmo), eine Forschungseinrichtung von BMW, für das Jahr 2030.

Man geht unter anderem davon aus, dass Bewohner ländlicher Regionen in aufstrebende Ballungsräume auswandern, die älter werdende Gesellschaft zwar schrumpft, die künftigen Senioren aber mobiler sein werden als die heutigen und das Thema Umwelt eine wichtigere Rolle für Konsumentscheidungen und Mobilitätsverhalten spielen wird.

Daraus zeichnen sich laut Irene Feige, wissenschaftliche Referentin des ifmo, drei Szenarien ab, wobei die beiden an den äußeren Rändern die gedachten Möglichkeiten umfassend einrahmen.

Globale Dynamik oder rasender Stillstand?

Die sogenannte globale Dynamik stellt "einen Boom" dar, so Feige. Die Zuwanderung gut Ausgebildeter wird die Bevölkerungsschrumpfung abschwächen, der Außenhandel wird kräftig wachsen, die Vernetzung der Verkehrssysteme und der Ausbau der Schiene, auch für den Güterverkehr und über die nationalen Grenzen hinweg, immer wichtiger. "Die Menschen werden ihr Verkehrsmittel flexibler und situativer wählen", so Feige. Zudem erwartet man einen Anstieg des Güterverkehrs bis 2030 um etwa 50 Prozent.

In die andere Richtung extrem ist das Szenario rasender Stillstand. Es geht davon aus, dass Bildung nicht wesentlich zunimmt und deshalb die soziale Spreizung in der Gesellschaft größer wird. Der globale Handel geht danach zurück, der Ölpreis steigt, Fliegen wird wieder zum Luxus. Die Wahl des Verkehrsmittels wird pragmatisch sein und sich an den Kosten orientieren. Außerdem stagniert der Güterverkehr.

Diesem Bild einer düsteren Zukunft liegt die Annahme zugrunde, dass Krisen jederzeit möglich sind: etwa vergleichbar der jüngsten Finanz- und Wirtschaftskrise sowie durch die Verknappung von Erdöl und die daraus resultierenden hohen Preise.

Wie schwierig es ist, die Zukunft zu gestalten, zeigt die Gegenwart. Vor allem können nach Meinung von Björn Dosch, Leiter des Ressorts Verkehr beim ADAC, gerade hier entscheidende Fehler gemacht werden.

Denn es sei falsch, auf aktuelle Ereignisse "kurzatmig und vorschnell" zu reagieren, nach dem Motto, Hauptsache gehandelt, auch wenn man nicht absehen kann, was es bringt. Aber genauso problematisch sei es, Entwicklungen "kritiklos fortzuschreiben", etwa: Der Ölpreis steigt derzeit, dann wird er auch weiterhin steigen.

Und selbst wenn man das Jetzt kritischer durchleuchtet, spielt die vorherrschende politische Stimmungslage eine wesentliche Rolle für Entscheidungen. Werten etwa Forscher den Ausbau der Schiene als positiv für Verkehr und Umwelt, muss auch der aktuelle politische Wille vorhanden sein, um notwendige Gelder zur Verfügung zu stellen.

Zunehmende Belastung durch Güterverkehr

Denn würde die Umsetzung nur vom Wachstum abhängen, "hätte das alles schon passieren können", meint Elisabeth Merk, als Stadträtin in München für Stadtplanung und Bauordnung zuständig. Doch ausgebaut wurde in den vergangenen Jahren eben nicht im gewünschten Maße.

Eine der ganz großen Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte wird die von allen Seiten prognostizierte Zunahme des Güterverkehrs sein. Auch wenn die Schätzungen der Steigerung zwischen etwa 50 und 70 Prozent variieren, die Mehrbelastung ist unausweichlich. Und hier wird laut Hans Peter Göttler vom bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Infrastruktur, Verkehr und Technologie "die Schiene wieder an ihre Grenze kommen".

Immer kritischer wird auch die Abhängigkeit von Erdöl betrachtet, die "ein ernsthaftes Risiko darstellt", so Gebhard Wulfhorst, Professor an der Technischen Universität München für das Fachgebiet Siedlungsstruktur und Verkehrsplanung.

Denn im Fall von dramatisch steigenden Benzinpreisen stelle sich die Frage, ob ein Häuschen im Grünen tatsächlich die "perfekte Altersvorsorge" sein kann. Und ob nicht künftig ein vom Auto unabhängiger Wohnort die bessere Wahl wäre, so Wulfhorst.

Auch wenn es so scheint, als wären hellseherische Fähigkeiten vonnöten, um heute das Richtige für morgen zu entscheiden. Über eines waren sich die Experten einig: Mit erhobenem Zeigefinger den Menschen ermahnen, er möge sich künftig umweltbewusst, ressourcenschonend und vernunftsorientiert fortbewegen, werde nicht helfen.

Nur wenn dem mobilen Menschen vielfältige, attraktive und zukunftsorientierte Wahlmöglichkeiten geboten werden, wird er sie auch annehmen.

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