Mobilität im Alter:Bedingt verkehrsbereit

Autofahren im Alter

Trotz Erfahrung: Schwierige Verkehrssituationen führen bei betagten Senioren häufiger zu schweren Unfällen mit Personenschäden als im Durchschnitt (Symbolbild)

(Foto: dpa)

Knackpunkt Kreuzung: Missachtete Vorfahrt ist die häufigste Unfallursache bei Senioren. Und gerade diese Kollisionen haben oft schlimme Folgen. Unfallforscher warnen vor nachlassender Fahrtüchtigkeit. Doch darüber kann nur die individuelle Fitness entscheiden.

Von Joachim Becker

Kracht es bei Fahranfängern, sind sie meist zu schnell unterwegs. Bei den über 65-Jährigen liegt der Knackpunkt dagegen an den Kreuzungen. Die häufigste Unfallursache in dieser Altersgruppe ist missachtete Vorfahrt. Wenn es zur Kollision kommt, sind die Senioren in drei Viertel der Fälle selbst die Verursacher. Damit liegen sie auf dem Niveau der Hochrisikogruppe der 18- bis 20-Jährigen (71 Prozent). Absolut gesehen stellen Fahranfänger zwar die größere Gefahr im Straßenverkehr dar. Doch der demografische Wandel lässt die Zahl der Autofahrer im vorgerückten Alter wachsen. Mehr als die Hälfte der deutschen Fahrzeughalter hat die 50 überschritten, fast ein Drittel sind über 60.

Der ADAC schätzt, dass es im Jahr 2050 mehr als acht Millionen Deutsche geben wird, die über 80 Jahre alt sind - und die mehr Auto fahren werden als jede Generation vor ihnen. Die Gruppe 60-plus rückt daher zunehmend in den Fokus der Unfallforscher. Bei ihren aktuellen Crashtests im schweizerischen Wildhaus demonstrierten die Experten von Dekra und Axa typische Unfälle der jüngeren und älteren Hochrisikogruppen.

Grenzen der Technik

In beiden Fällen gerät die Fahrzeugtechnik an ihre Grenzen: Während ein konventioneller Frontalcrash mit 50 km/h für neuere Autos kein allzu großes Problem darstellt, steigen die Risiken bei einem seitlichen Aufprall und bei höheren Geschwindigkeiten enorm an. Die Passagiere sind dann durch die vordere Deformationszone, Airbags und Gurte nur noch bedingt geschützt. Verliert ein junger Fahrer beispielsweise die Kontrolle über sein Fahrzeug und prallt mit 80 km/h frontal gegen einen Baum, dann sind die Überlebenschancen denkbar schlecht.

Auch bei Kreuzungskollisionen sieht es nicht gut für die Insassen aus. Querende Fahrzeuge stellen eine ernste Gefahr dar, wenn sie den Unfallgegner in die Weichteile treffen: Ein seitlicher Aufprall mit circa 50 km/h drückt die Sicherheitszelle des gerammten Fahrzeugs ein. Nur wenige Zentimeter bleiben zwischen Kopf und Türrahmen oder Scheibe. "Es muss damit gerechnet werden, dass der ältere Fahrer, trotz Seitenairbag und Türversteifung, erheblich verletzt wird", so das Resümee der Crash-Tester.

Mobilität gleich Lebensqualität

"Die individuelle Mobilität ist auch im Alter ein Grundbedürfnis und eine Frage der Lebensqualität. Sie zu erhalten, ist daher besonders wichtig - allerdings, ohne dass dabei die allgemeine Verkehrssicherheit beeinträchtigt wird", erklärt Jörg Ahlgrimm, Leiter der Unfallanalyse bei Dekra. "Tatsache ist, dass die Unfallbeteiligung bei über 75-jährigen Fahrern stark ansteigt. Hier besteht Handlungsbedarf, zumal ein immer größerer Anteil der Bevölkerung dieses Alter erreichen wird.

Im Sinne der Verkehrssicherheit sind Politik und Gesellschaft gefordert, derzeitige Präventionsmaßnahmen zu beobachten und bei Bedarf weiterzuentwickeln." Die Unfallforscher werfen nicht nur die Frage auf, wie die Ausbildung für junge Autofahrer verbessert werden kann - sie thematisieren auch die umstrittenen Gesundheitschecks für ältere Fahrzeuglenker, welche die Fitness hinter dem Steuer garantieren sollen.

Widersprüchliche Aussagen von Verkehrsminister Ramsauer

Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer beklagt zwar, dass pro Tag im Schnitt zehn Menschen ihr Leben im Straßenverkehr verlieren. Gleichzeitig spricht er sich aber gegen verpflichtende Eignungsprüfungen für hochbetagte Senioren aus. Anders als in den Niederlanden, Spanien oder Italien soll der Führerschein in Deutschland weiterhin auf Lebenszeit erteilt werden. Wenn die Bundesregierung ihr Ziel erreichen will, die Zahl der Verkehrsopfer in diesem Jahrzehnt um 40 Prozent zu mindern, dann wird sie um entsprechende Diskussionen aber nicht herumkommen: Welche altersbedingten Einschränkungen der Fahrleistung sind zulässig? Und welche Tests kann der Gesetzgeber vorschreiben, um die Fahrtüchtigkeit sicherzustellen?

Pauschale Forderungen nach einem Senioren-TÜV lassen sich mit Unfallstatistiken allerdings kaum stützen. Nur elf Prozent der Unfälle mit Personenschaden gingen im Jahr 2009 auf das Konto Älterer ab 64 Jahren. Gleichzeitig stellte diese Altersgruppe laut Statistischem Bundesamt aber 20 Prozent der Gesamtbevölkerung. Der Blick allein auf das Geburtsdatum übersieht, dass Altern eine höchst subjektive Angelegenheit ist. Nicht die Daten im Personalausweis, sondern die persönliche Fitness ist ausschlaggebend für die Verkehrstüchtigkeit.

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