Mobilität der Zukunft:Tesla wird seinen Vorsprung einbüßen - trotz Masterplans

Tesla-Chef Elon Musk bei einer Veranstaltung in Hong Kong

Kündigte kürzlich einen Masterplan an: Tesla-Chef Elon Musk.

(Foto: Reuters)

Firmenchef Elon Musk will den städtischen Transportsektor elektrifizieren und vernetzen. Doch diesmal werden die Wettbewerber nicht einfach nur zuschauen, wie Tesla Trendthemen alleine besetzt.

Kommentar von Joachim Becker

Erweiterte Realität ist groß in Mode. Überall jagen Menschen Pokemons, die bloß in ihrer Fantasie und auf ihrem Smartphone existieren. So neu ist die Idee von der technisch überhöhten Wirklichkeit allerdings nicht. Im Prinzip ist jedes Auto "augmented reality" - also Blech mit einer großen Portion Illusion obendrauf. Dieses Sahnehäubchen macht den Roadster zum emotionalen Fluchtauto, das Cabrio zum Ausdruck von Lebenskunst und SUVs zum Abenteuerspielplatz auf der Straße.

Einen ganz besonderer Nimbus umgibt die Marke Tesla. Niemand kann seine Fangemeinde in eine derart umfassende Autowohlfühlwolke einspinnen wie deren Chef Elon Musk. Frisch befeuert wird der Traum von einer völlig neuen und natürlich viel besseren automobilen Welt durch Musks jüngsten Masterplan - ein XXL-Programm für nachhaltige Mobilität: Über das Model 3 und einen kompakten SUV hinaus will er auch einen neuartigen Pick-up-Truck elektrifizieren - und den ganzen städtischen Transportsektor gleich mit. Sattelschlepper, Busse und Lieferwagen: Alles abgasfrei und bald autonom fahrend.

Elon Musk muss keine Rücksicht nehmen

Größenwahn oder nicht: Tesla hat eine erstaunliche Erfolgsgeschichte. Und es ist nur konsequent, die Full-Liner wie Daimler und Volkswagen, die vom Kleinwagen bis zum 40-Tonner alles im Programm haben, auch in der Güterlogistik anzugreifen. Auf der IAA Nutzfahrzeuge Ende September in Hannover werden nicht nur die deutschen Hersteller ebensolche automatisierten, nachhaltigen Logistikkonzepte vorstellen. Denn die immer höher verdichteten Ballungsräume haben keine andere Wahl, als den Privatverkehr entweder zunehmend auszusperren oder viel stärker zu vernetzen. Elon Musk spricht also nur aus, was die Experten längst wissen - weil er keine Rücksicht auf bestehende Produkte in der alten Welt der Verbrennungsmotoren nehmen muss.

Dass der Charismatiker mit seinen Visionen kein Geld verdient, sondern verbrennt, ist eine Zeitbombe. Auch Teslas riskanter "Vorsprung" durch Batteriezellen aus der Konsumentenelektronik schmilzt zusehends. Vor zehn Jahren gab es keine Autobatterien für 400 Kilometer elektrische Reichweite. Mit ihrer hohen Energiedichte und einem vergleichsweise erschwinglichen Preis waren die umfunktionierten Laptop-Akkus die Initialzündung für Batterieforschung in nie gekanntem Ausmaß. Genau deshalb wird es bis zum Ende dieses Jahrzehnts eine Reihe von Anbietern für langstreckentaugliche Großspeicher geben.

Irgendwann nach 2020 wird die Elektromobilität zum Mainstream. Städte wie Singapur arbeiten mit Hochdruck an einer intelligenten und emissionsfreien City-Logistik ohne Lkw-Fahrer. Doch diesmal werden die Wettbewerber nicht tatenlos zuschauen, wie Tesla neue Trendthemen im Alleingang besetzt. Dafür kennen sie sich mit Sahnehäubchen zu gut aus.

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