Mobil Motorcycle Museum:Motorrad-Museum, das in einen Bus passt

Mobil Motorcycle Museum: Das mobile Motorradmuseum von Jorg Michel

Vor 15 Jahren wanderte Jorg Michel nach Kanada aus. Heute verdient er seinen Lebensunterhalt mit einem rollenden Motorradmuseum.

(Foto: Norbert Meiszies)

Der Auswanderer Jorg Michel tourt mit seinem mobilen Museum umher, um den Kanadiern die deutsche Motorrad-Kultur näherzubringen. Ein Vorhaben, das von Idealismus geprägt ist.

Reportage von Norbert Meiszies

In einem Nest wie Carcross mitten im kanadischen Niemandsland zwischen Whitehorse und Skagway fällt ein alter Schulbus nicht zwangsläufig auf, jedenfalls nicht gleich. Schließlich stehen hier überall ausgediente Autos und Lastwagen in der Gegend herum und rosten vor sich hin. Auch der hellblaue, mit allerlei Plüschbären dekorierte Bus wirkt auf den ersten Blick wie eines der zahlreichen Globetrotter-Gefährte, die in den Sommermonaten durch die nördlichen Regionen von Kanada und Alaska manövriert werden.

Eine Art Aussteiger ist Jorg Michel wirklich, doch der aus Lehrte in Niedersachsen stammende Deutsche lebt hier bereits seit 15 Jahren - 30 Kilometer von Carcross entfernt im nicht weniger beschaulichen Tagish. Carcross lockt immerhin mit der kleinsten Wüste der Welt und dem historischen Matthew Watson General Store ein paar Touristen an. "Den Bus habe ich vor sieben Jahren gefunden", erzählt Michel. Damals reifte die Idee, ein mobiles Motorradmuseum einzurichten. "Ich war schon immer ein Motorradverrückter, Autos mag ich eigentlich gar nicht."

Mit deutschen Motorrad-Oldtimern nach Kanada

Für den heute 55-Jährigen war Kanada seit seiner Jugend ein Traumziel. Als er schließlich vor 15 Jahren den Antrag zur Einwanderung stellte und seine Koffer packte, um Deutschland endgültig den Rücken zu kehren, kamen seine geliebten Oldtimer mit in den Container - darunter eine DKW E 300, Baujahr 1928, eine NSU OSL 251 aus den frühen 1930er-Jahren, eine MZ ES 150 sowie eine NSU 201 T mit Riemenantrieb aus dem Jahr 1929, alle im Originalzustand.

Sie bildeten den Grundstock für eine kleine Privatsammlung, die er in Kanada nach und nach erweiterte. Dazu gehört auch seine BMW 25/3, mit der der gelernte Zweiradmechaniker von Vancouver aus nach Alaska aufbrach, um herauszufinden, ob er dort überhaupt seinen Lebensunterhalt verdienen kann. "Das erste Jahr habe ich den Winter bei einem Kumpel in seiner Hütte verbracht. Da kann man zwar Schneemobile reparieren, aber das Geld verdient man vor allem in der kurzen Sommersaison. Darauf muss man sein Leben einstellen."

Seit einem Jahr tingelt Michel nun mit seinem "Mobil Motorcycle Museum" durch die kanadische Provinz Yukon. Der Bus ist Museum, Werkstatt, Küche, Archiv und Schlafzimmer in einem. Auf Podesten an der Seite stehen die Motorräder, allesamt fahrfertig. Die Wände des Busses sind mit allerlei Plakaten, Schildern und Fotos verkleidet.

Spenden statt Eintrittsgeld

Eintritt darf Jorg Michel keinen nehmen, er ist auf die freiwilligen Spenden der Besucher angewiesen. "Ich betrachte das Museum als Experiment", sagt der Lebenskünstler. "Im Schnitt komme ich auf 30 kanadische Dollar (rund 25 Euro) am Tag. Wenn ich zu Hause Kettensägen für die Holzfäller repariere, verdiene ich in einer Stunde doppelt so viel." Ein bisschen Geld kommt noch durch den Verkauf von Feuerholz und alten Auto-Kennzeichen an die Touristen hinzu. "Dafür treffe ich manchmal interessante Leute, mit denen man stundenlang über Motorräder reden kann."

Orte wie Carcross, Tagish und selbst Dawson City sind freilich nicht der Nabel der Welt. Nur wenn die Ausflugsbusse ankommen, herrscht Hochbetrieb. "Doch die meisten Menschen, die hierher kommen, haben wenig Zeit", beschwert sich Michel ein wenig. "Icecream, Coffee, Pipi machen, tschüss und weiter."

Die nächste Geschäftsidee sind Tagestouren mit den Oldtimern

Die wenigsten Besucher wissen zudem etwas mit seinen Ausstellungsstücken anzufangen. Für die Nordamerikaner gibt es nur Harley-Davidson oder Indian, Namen wie NSU oder DKW kennen sie kaum. In Sachen Zweirad-Oldtimer ist der Norden so etwas wie Diaspora. Schließlich wurde das Land erst Mitte der 1940er-Jahre mit dem Bau des Alaska Highways erschlossen. "Ich lebe nun 15 Jahre hier, aber erst vor zwei Wochen habe ich erfahren, dass es in Valdez einen Typen gibt, der in seiner Stube eine 1938er Norton stehen hat," wundert sich Michel.

So sieht sich der Auswanderer als eine Art Pionier, der den Besuchern die Geschichte seiner ursprünglichen Heimat und deren Motorräder näherbringen möchte. Demnächst will Jorg Michel Touren mit seinen Oldtimern anbieten. Mit der R25/3 mit Seitenwagen den Dempster Highway hinauf oder Tagesausflüge mit seinen anderen Motorrädern nach Skagway oder Dawson City. Ein Problem hat der Oldtimer-Fan allerdings noch: Er muss sich mit dem Zeitgeist auseinandersetzten, dem Internet. Dem hat er sich bisher genauso verweigert wie modernen Motorrädern.

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