Die Zukunft von Mini:Kurz vor dem Scheideweg

Der neue Mini Clubman auf der IAA in Frankfurt.

Der neue Mini Clubman debütierte kürzlich auf der IAA in Frankfurt und kostet mindestens 21 900 Euro.

(Foto: Bloomberg)
  • Mini befindet sich im Wandel. Ausdruck dessen ist der neue Clubman, der größer, geräumiger, erwachsener und hochwertiger geworden ist.
  • Künftig soll es nur fünf Kernbaureihen geben. Zwei Plätze, die von den Serienversionen der Studien Superleggera und Rocketman besetzt werden könnten, sind noch offen.
  • Markenchef Peter Schwarzenbauer bestätigt einen Plug-In-Hybriden und wünscht sich ein Elektromodell. Wann beide kommen, ist aber völlig offen.

Von Georg Kacher

In den 60ern war die Marke Mini hip und trendy. Beseelt vom Swinging London, galt der Bonsai-Darling von Mr. Bean, Twiggy und Mary Quant als klassenloses Lifestyle-Vehikel. Mit der Übernahme durch BMW begann die Metamorphose des Kultautos, das sich 21 Jahre später neu definiert hat: laut, grell, jung, sehr selbstbewusst, aber manchmal auch ziemlich prollig.

Dieser extrovertierte Auftritt soll nach dem Willen der Münchner Marken-Macher einer etwas bescheideneren Selbstdarstellung weichen, die auf der IAA erstmals getestet wurde. Viele Standbesucher trauten ihren Augen nicht: dunkle Holzbohlen statt buntem Pop-Art-Teppich, echtes Mauerwerk statt provisorischen Stellwänden, dazu als Requisiten Bücherstapel, Sechzigerjahre-Möbel, Flokati-Teppiche.

"Mini befindet sich im Wandel", bestätigt der oberste Markenhüter Peter Schwarzenbauer. "Ich sehe uns in einem postmodernen Milieu, offen für neue Trends, als Marke für kreative Köpfe und Meinungsmacher." Deshalb werden Konventionen infrage gestellt, bewusst Regeln gebrochen, die Substanz betont und nicht mehr so sehr die Effekte. Wie das aussieht? So wie der neue Clubman. Größer, geräumiger, erwachsener, hochwertiger und, natürlich, teurer.

Mini-Kunden verlangen Image mit Substanz

Der günstigste Clubman kostet 21 900 Euro, aber diese Version kaufen nicht einmal Herr Sixt und Frau Avis. Mini-Kunden schauen nämlich nicht primär aufs Geld. Sie wollen ein Auto mit persönlichem Premium-Touch, edler Ausstattung und moderner Technik, verlangen Image mit Substanz. An diesem Punkt kommt der Designchef ins Spiel, der balancieren gelernt hat auf dem schmalen Grat zwischen Retro und Avantgarde. "Ein Mini muss immer sofort als Mini zu erkennen sein", weiß der Formgestalter Anders Warming. "Doch wie wir diese Prämisse umsetzen, bleibt uns überlassen."

Diese kreative Freiheit braucht die Marke, um sich weiterzuentwickeln. Beetle, Porsche 911, Mini - drei Legenden, deren Ikonenstatus mit jedem Modellwechsel auf dem Prüfstand steht. Nach zwei Clubmen bestellt sich kaum ein Kunde den nur hier und dort retuschierten dritten. Um neue Anreize zu schaffen, wurde das Angebot verbreitert, doch diese Strategie war ein Misserfolg. Aufgrund viel zu kleiner Stückzahlen werden Coupé, Roadster und Paceman keine Nachfolger erhalten.

Praktischer, sparsamer und ausgewogener

Mini-Konzeptstudie Superleggera.

Einer Serienversion der 2014er Konzeptstudie Superleggera werden durchaus Chancen eingeräumt.

(Foto: dpa-tmn)

Der Clubman setzt mit einem hübscheren und besser verarbeiteten Interieur, mehr Platz im Fond und Kofferraum, auf Wunsch mit Verstelldämpfern und einer Achtgang-Automatik, die sogar segeln kann, vermehrt auf Substanz, Kreativität und Nachhaltigkeit. Außerdem ist der ab sofort vier- statt dreitürige Shooting Brake praktischer, sparsamer und rundum ausgewogener geworden.

Ob das reicht? Kurzfristig vielleicht, auf Dauer sicher nicht. Rivalen wie den Kia Soul gibt's auch als E-Mobil, jeder Opel Adam kann gegen Aufpreis automatisch einparken, ein Audi S3 Sportback ist rund 50 PS stärker als die für 2016 angekündigte Evolution des John Cooper Works, und wenn VW einen Golf Plug-in-Hybrid auf die Reihe bringt, müsste das auch für den Clubman zu schaffen sein. Aber der setzt lieber auf Gimmicks wie die zweiflügelige Hecktür oder das großväterliche Zentralinstrument.

Keine Frage: Der neue Fünfsitzer ist weniger vernunftgesteuert als fahrdynamikorientiert. Lenkung, Bremse, Straßenlage - alles top. Die bescheidenen 17-Zöller, die sich freilich ein echter Mini-Fan nie an sein Auto schrauben würde, sorgen sogar für ordentlichen Fahrkomfort. Doch der Nässegrip hat seine Grenzen, die 2,0-Liter-Motoren zerren bei vollem Einsatz am Volant, und leistungsmäßig ist noch Luft nach oben.

Mini braucht ein Auto mit Elektroantrieb

Zugegeben: Das sind Petitessen in Relation zum Gesamtkonzept, das Nachholbedarf hat in Sachen Assistenzsysteme, Connectivity, alternative Antriebe. Wir erinnern uns: 2009 wurde der Mini E vorgestellt, 2014 debütierte die Superleggera-Studie mit Hybridantrieb. Fingerübungen ohne Zukunftsperspektive? "Nein", sagt Peter Schwarzenbauer und schüttelt den Kopf. "Wir werden einen Plug-in-Hybrid bringen, und wir brauchen auch einen Elektro-Mini. Aber über das wie, wann und in welchem Modell haben die Gremien noch nicht entschieden."

Schon die geplante Neuausrichtung der Modellpalette ist keine leichte Aufgabe, denn die Marke will sich in Zukunft auf fünf sogenannte Superhelden konzentrieren. Als gesetzt gelten Dreitürer/Fünftürer/Cabrio, Clubman und Countryman. Um die zwei Restplätze buhlen folgende Konzepte: Roomba (das Gegenstück zum BMW Active Tourer), Coolbox (eine Limousine als knackiges Pendant zum viertürigen Einser), Rocketman (intern alternativ bekannt als MiniMini, Mini Metro und Mini Minor) und Superleggera (Roadster). Natürlich hätte auch die Neuauflage des Mini Moke durchaus Charme, das minimalistische Open-Air-Konzept scheitert jedoch an den modernen Sicherheitsanforderungen.

Kommt es zur Toyota-Connection?

Mini Rocketman, Konzeptstudie von 2011.

Auch die 2011er Studie Rocketman können sich die Verantwortlichen als Serienauto vorstellen.

(Foto: Mini)

Aktueller Favorit im Rennen um die Poleposition ist der Rocketman im Format des Ur-Mini, ein flinkes Stadtauto, super-kompakt und ganz dicht am Markenkern. Das Problem: Der schon 2011 als Studie vorgestellte Wagen rechnet sich nicht. Er ist angeblich zu klein für die neue BMW/Mini-Frontantriebsarchitektur (FAAR), und die alternativ notwendige eigenständige Matrix wäre viel zu teuer. Wobei sich in diesem Zusammenhang die Frage aufdrängt, wie der von den Abmessungen vergleichbare projektierte und dann wieder gestoppte City BMW (Projekt Joy) schwarze Zahlen hätte schreiben sollen.

Zum Glück kommt an dieser Stelle Toyota ins Spiel. Die Japaner sind zwar im Kleinwagensektor mit PSA verbandelt, arbeiten unabhängig davon aber am skalierbaren Elektroantrieb und an einem neuen Modulbaukasten. Mini könnte hier möglicherweise mit dem Rocketman andocken, die Allianz denkt auf lange Sicht aber auch über ein entsprechendes gemeinsames Fahrzeugkonzept nach, so wie man das aktuell beim Nachfolger für Z4 und Supra (Projekt Silk Road) in Angriff genommen hat. Von dieser großen Kooperationslösung würden langfristig der übernächste Einser samt Active Tourer profitieren. Klingt gut, Skeptiker warnen aber, dass die Toyota-Connection die Premium-Marke Mini beschädigen könnte.

Mindestens genauso spannend wie die Zukunft des Rocketman ist die Frage, ob der Vorstand demnächst den Superleggera zu einem der fünf Superhelden adelt, oder ob nicht doch der vielseitigere Roomba das Rennen macht. Beide Konzepte sind hybrid-fähig, beide zahlen in die Marke ein, beide erweitern das Portfolio in die gewünschte Richtung. Und beide werfen Fragen auf. Nach der aktuellen Planung soll der sehr flache und bullige Roomba (vom Ansatz her ein Ford Flex im Kompaktformat) noch länger werden als der siebensitzige BMW Gran Tourer, der 4,56 Meter misst. Doch damit überdehnt Mini den Markenkern, der schon mit einem Gegenstück zum 4,35 Meter langen Active Tourer an seine Grenzen stößt. Außerdem wäre zu klären, ob neben dem bald größeren und SUV-mäßigeren Countryman ein zweites raumfunktionales Konzept wirklich Sinn macht.

Der Elektroman kommt frühestens 2020

Schwarzenbauer glaubt, dass sich die Mini-Designsprache überzeugend auf beide Modelle übertragen lässt und dass Cabrio und Superleggera bequem nebeneinander existieren können. Für Anders Warming ist der Superleggera ein zeitloser Dauerbrenner, der als Reinkarnation des klassischen britischen Roadsters mehr gestalterische Freiheit ermöglicht und sich vom turnusmäßigen Modellwechsel-Zyklus abkoppelt.

Auch in Bezug auf alternative Antriebe ist Mini noch nicht mit sich selbst im Reinen. Kaum zu glauben, aber leider wahr: Weder BMW noch Toyota können in Sachen Elektromobilität mit einer Sofortlösung dienen. Die Japaner misstrauen nach wie vor den Lithium-Ionen-Batterie, die Bayern warten auf den nächsten Technologiesprung, der die im Mini besonders eklatanten Platzprobleme lösen soll. Das heißt im Klartext, dass es wohl erst 2020 einen Electroman geben wird, der seine Kraft aus der Steckdose bezieht. Ob dieser zuerst als Stadtauto, als Van oder als Roadster auf den Markt kommt, ist offen - wie die Kooperation mit Toyota.

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