Mindset vs. Ampera:Strom-David und Elektro-Goliath

Mindset und Opel Ampera: Die einen suchen nach Investoren, die anderen werden mit Milliardenhilfen über Wasser gehalten.

S. Viehmann

Die kleine Nebenstraße am Tegernsee ist verschneit, darunter bedeckt eine Eisschicht den Boden. Der Mindset hat Sommerreifen aufgezogen, aber Stephan Hartmann ist zuversichtlich: "Das passt schon". Und tatsächlich hat der Schweizer Stromer mit der Traktion kaum Probleme und kraxelt langsam, aber stetig den Weg hinauf. Auch durch die verregneten Straßen von Berlin ist der Mindset schon gefahren. "Wir wollen zeigen, dass ein Elektroauto absolut alltagstauglich ist", sagt Stephan Hartmann, Chefingenieur von Mindset.

Die Geräuschdämmung ist noch nicht installiert, doch das Cockpit wirkt schon jetzt so gemütlich, dass man sofort einziehen möchte. Auf einer durchgehenden Ledersitzbank macht man es sich wie in einem amerikanischen Straßenkreuzer bequem, keine Mittelkonsole trennt die Passagiere voneinander. Im riesigen Fußraum wartet Teppichboden mit Blumenmuster, auf den Rücksitzen liegen Sofakissen. Neben Gas und Bremse dient ein drittes Pedal als Rekuperationspedal, mit dem man elektrisch bremsen kann. Nicht wirklich praktisch, aber dennoch faszinierend sind die beiden gläsernen Heckklappen, die den Zugang zum Gepäckraum freigeben. Der Mindset ist ein Cruiser - sozusagen eine Mischung aus futuristischem Ökomobil und klassischem Cadillac.

Benzin bei Bedarf

Sein Antriebsprinzip ähnelt dem des Chevrolet Volt bzw. Opel Ampera: Als serielle Hybride fahren sie immer rein elektrisch, werden über die Vorderachse angetrieben, von Lithium-Ionen-Akkus mit Strom versorgt und können mit einem Kabel am Haushaltsnetz aufgeladen werden. Um die Reichweite zu erhöhen, springt in beiden Elektroautos bei Bedarf ein Benzinmotor als Stromgenerator ein, der die Reichweite um mehrere hundert Kilometer verlängert. Über Details zu Akkuzellen und Batteriemanagement hüllen sich sowohl GM als auch Mindset in Schweigen.

Das war es aber auch schon mit den Gemeinsamkeiten. Der Ampera hat einen 121 kW starken Elektromotor mit 370 Newtonmetern Drehmoment, der Mindset bringt es auf 70 kW und 220 Newtonmeter. Allein mit der gespeicherten Batterieenergie kommt der Mindset 100 bis 200 Kilometer weit, der Opel etwa 60. Beim Ampera dient ein 1,4 Liter großer Vierzylinder mit 53 kW als Reichweiten-Verlängerer, der Mindset kommt mit einem 17 kW starken Einzylindermotor aus. "Unser Range Extender soll nur soviel Leistung bringen, wie man wirklich benötigt" sagt Stephan Hartmann. Wer partout auf einen Verbrennungsmotor im Auto verzichten will, soll den Mindset auch mit einem zweiten Batteriepack ordern können. Die Speicherkapazität eines Batteriepacks gibt Mindset mit 20 kWh (Kilowattstunden) an, beim Opel Ampera sind es 16 kWh.

Strom-David und Elektro-Goliath

Beim Ampelrennen würde der Mindset den GM-Stromer trotzdem nass machen: Er beschleunigt in rund 7 Sekunden von 0 auf 100 Km/h, der Ampera soll etwa 9 Sekunden benötigen. Die geringere Leistung macht der Schweizer Stromer durch sein geringes Gewicht wieder wett. Gute 800 Kilogramm soll der in Space-Frame-Bauweise konstruierte Mindset als Serienmodell auf die Waage bringen. Der Ampera wird ungefähr 400 Kilo mehr wiegen als ein vergleichbares Auto mit konventionellem Antrieb, schätzt ein Opel-Entwickler. Damit dürfte der Rüsselsheimer Stromer ungefähr doppelt so schwer werden wie der Mindset, wobei der viertürige Ampera natürlich mehr Laderaum und vermutlich auch mehr Platz für die Fond-Passagiere haben wird als der Coupé-artige Zweitürer aus der Schweiz.

Der Chevrolet Volt soll Ende 2010 auf den Markt kommen, der Opel Ampera nicht vor 2011. Um den Mindset bis zur Serienreife zu entwickeln, würde es von heute an 18 Monate dauern, sagt Chefingenieur Stephan Hartmann. Immerhin: Der Prototyp fährt, der Antriebsstrang ist fast fertig. In vielen Details wirkt sogar die vom ehemaligen VW-Chefdesigner Murat Günak gestaltete und beim französischen Automobilproduzenten Heuliez gefertigte Karosserie seriennah. Vom Chevrolet Volt gibt es bislang nur den altbekannten Prototypen zu bewundern, bei Opel nicht einmal das: Entwicklungschef Frank Weber konnte der versammelten Weltpresse vor einigen Wochen den Volt-Klon Ampera nur als Schnittmodell ohne Karosserie präsentieren.

Suche nach Investoren

GM hält sich mit Milliardenhilfen der US-Regierung über Wasser und sehnt das Ende der Wirtschaftskrise herbei, Mindset muss in eben dieser Krise erst einmal Investoren finden und eine Produktion aus dem Boden stampfen. "Bis jetzt haben wir uns mit eigenen Mitteln finanziert. Nun sprechen wir mit verschiedenen Gruppen, die sich für ein mögliches Investment interessieren. Dazu gehören strategische Partner - zum Beispiel aus der Stromindustrie - und Partner aus dem Finanzsektor", sagt Daniel Buchter, Geschäftsführer von Mindset und der Muttergesellschaft Spirt Avert AG.

Das Unternehmen benötige aus heutiger Sicht zwischen 180 und 220 Millionen Schweizer Franken (umgerechnet etwa 120 bis 150 Millionen Euro), um eine Serie von 10.000 Fahrzeugen auf die Räder zu stellen. Mit Fördermitteln können und wollen die Mindset-Macher nicht rechnen. "Die Schweiz hat eine Eigenkapital-Kultur. Wir wollen als Investoren Überzeugungstäter ins Boot holen", sagt Buchter. Ganz schließt der Schweizer staatliche Hilfen aber nicht aus: "Sollten wir beispielsweise mit einem strategischen Partner aus Deutschland zusammen arbeiten, würden wir auch über dessen Fördermittel nachdenken", so Buchter.

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