Mercedes im Fahrbericht:Das S-Klasse Cabrio stellt den Wohlstand zur Schau

Mercedes S-Klasse Cabrio Front Seite Fahrbild als S 500

139 051,50 Euro kostet das Cabrio mindestens. Die Basisversion ist vorläufig der S 500 mit 4,7-Liter-V8.

(Foto: Daimler AG)

Der große offene Mercedes ist ein gelassener Superlativ der Autobaukunst, besser geht es kaum. Das Problem ist nur: Er übertreibt es mit der Opulenz.

Von Jörg Reichle

Was lange währt: 45 Jahre hat sich Mercedes Zeit gelassen, bis man wieder ein viersitziges Cabrio der Luxusklasse anbietet. Und natürlich fährt diese offene S-Klasse wunderbar. Stoisch ruhig, sänftengleich, schmeichelhaft im Wortsinn. Es ist das verblüffende Ergebnis perfektionierter Autobaukunst bis ins Detail. Um es also vorwegzunehmen: Besser geht es kaum.

Worüber man sich allenfalls klar werden sollte, bevor man dieses Auto kauft: Wie viel Wohlstand will man heute noch öffentlich zeigen? Und wie sehr will man sich exponieren im offenen Wagen? Die Antworten werden naturgemäß anders ausfallen, je nachdem, ob man sich in Westeuropa, in den USA, in China oder in Russland befindet. Trägt man hierzulande sozusagen den Pelz lieber nach innen, ist man in anderen Weltregionen stolz darauf, es zu etwas gebracht zu haben und zeigt es auch.

15 000 Euro teurer als das Coupé

Oder es ist einem einfach wurscht, was die anderen von einem halten. In diesem Fall ist man mit dem neuen, gut fünf Meter langen S-Klasse-Cabrio allemal und überall passend eingekleidet. Denn dieses Auto hält mit nichts hinter dem Berg. Es ist groß, es ist schwer und es ist teuer, 139 051,50 Euro kostet das Cabrio mindestens, um genau zu sein - knapp 15 000 Euro mehr als das Coupé.

Das sieht man ihm an. Dezenz ist seine Sache nicht, zumal, wenn man ihn mit dem offenen Vorgänger von Ende der Sechzigerjahre vergleicht: Seinerzeit dominierten Stil, Eleganz, Proportion. Kein Wunder, dass gut erhaltene Exemplare von damals den Preis des heutigen mit Leichtigkeit übertreffen. Ob das neue S-Klasse-Cabrio schön ist? Sagen wir, es ist eindrucksvoll. Und da und dort wäre weniger mehr, wie uns scheint. Doch was man sieht, ist: hier noch ein Schmuckelement, dort noch ein Edelsteinchen im Kühler, hier eine Sicke, dort noch ein Bogen.

Selbst der Wind ist als Störfall beseitigt

Und drinnen ist's, wie in Limousine und Coupé, ein etwas überladener Mix aus digitaler Captain-Future-Optik und belederter Opulenz, glänzendem Klavierlack und anderer Dekore. Doch dem Publikum scheint's zu gefallen, kaum je zuvor war die Marke mit so vielen Modellen derart erfolgreich wie momentan.

Wer viel Geld ausgibt, will es bequem. Die meisten Kunden jedenfalls. Also hat Mercedes beim Cabrio keinen Aufwand gescheut, selbst den Wind als Störfall zu beseitigen. Wer das bei einem offenen Wagen für einen Widerspruch in sich hält, hat Luxus nicht verstanden. Ist das dreilagige, vorbildlich isolierte Akustikverdeck auf Tastendruck erst einmal hinter der zweiten Sitzreihe in sein Ruhebett gefaltet (das funktioniert bis 50 km/h auch ohne anzuhalten), reagiert auch schon die serienmäßige Klimasteuerung namens Thermotronik. Das Steuergerät gibt dann einer Vielzahl von Fahrzeugkomponenten den Befehl, Luftverteilung und Temperierung zu verändern. Dazu kommuniziert der Rechner permanent mit zwölf Sensoren und 18 Stellmotoren. Neben der Innen- und Außentemperatur erfassen Sensoren auch die Sonneneinstrahlung, die Güte der Luft und deren Feuchtigkeit.

Ab 130 km/h zieht es wie Hechtsuppe

Und weil natürlich alles zugfrei sein soll, gibt es für knapp 774 Euro eine Kopfraumheizung für Fahrer und Beifahrer und für 1178 weitere Euro das bereits bekannte Wind- schottsystem mit Windlamelle vorn und Windschott hinten. Konsequent ist da nur noch das Wärmekomfortpaket für 512 Euro, unter anderem mit beheizbaren Armlehnen, besonders leistungsfähiger Sitzheizung und erwärmbarem Sportlenkrad. Trotzdem, fast möchte man schreiben: Gott sei Dank, lässt sich der Wind auch aus diesem Luxuscabrio nicht völlig draußen halten. Und jenseits von 130 km/h ist es hinten fast so wie in jedem viersitzigen Cabrio: Es zieht wie Hechtsuppe.

Ansonsten herrscht Ruhe im offenen Mercedes, vollkommen. Das heißt: wenn man den 4,7-Liter-V8 leistungsmäßig nicht aus der Reserve lockt. Was kaum nötig ist, denn 455 PS sind selbst für ein 2,1-Tonnen-Cabrio genug, von den 585 PS des AMG S63 gar nicht zu reden. Der entlockt dem 5,5-Liter-V8-Biturbo mit martialischem Grollen 900 Newtonmeter maximales Drehmoment und schafft aus dem Stand in 3,9 Sekunden Tempo 100. Wozu das gut ist? Wer mindestens 187 500 Euro anlegen will, wird's wissen. Uns ist dagegen unverständlich, warum es den V6 aus dem S-Klasse-Coupé im Cabrio nicht geben soll, wie man bei Mercedes beteuert, schließlich wären 367 PS auch kein Notprogramm. Aber vielleicht ist das letzte Wort ja noch nicht gesprochen.

Mit großer Gelassenheit über die französischen Seealpen

So kriegen auf der Fahrt über die gekrümmten Sträßchen durchs Hinterland der französischen Seealpen die Gedanken Flügel. Der S500, über sich die Sonne, spielt die Vorzüge seiner adaptiven Luftfederung aus, gibt sich verwindungssteif wie wenige offene Viersitzer und surft zufrieden auf der Drehmomentwelle von 700 Nm schon ab 1800 Umdrehungen. Dem Verbrauch (8,5 Liter laut Werksangabe) tut das gut, der Gelassenheit des Cabriofahrers auch. Kleine Zwischenspurts zum Überholen erledigt der V8 in Zusammenspiel mit der souveränen Neunstufen-Automatik sozusagen mit links.

Und für Notfälle ist ohnehin vorgesorgt - mit der kompletten Armada an Assistenten und vorausschauenden Sicherheitshütern wie dem Überrollschutz mit Pyrotechnik. Nur fahren kann das S-Klasse-Cabrio noch nicht selbst. Aber das kommt sicher auch noch, irgendwann.

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